... Gordon Van Gelder über das von ihm herausgegebene Magazine of Fantasy and Science Fiction (1)
... mit Gordon Van Gelder ...
... über das von ihm herausgegebene Magazine of Fantasy and Science Fiction (Teil 1)
1963 brachte Charlotte Winheller das Erfolgsprojekt auf den Weg, Walter Ernsting, Wulf H. Bergner und Manfred Kluge führten es gekonnt weiter, bis sich schließlich mit Ronald M. Hahn der ideale Herausgeber fand, der allein 38 Bände zusammenstellte und somit länger die Geschicke des Magazins führte als jeder seiner Vorgänger. Im Jahr 2000 kam mit Band 101 das Ende der Reihe, ein für 2001 noch eingeplanter Band 102 nahm nicht mehr Gestalt an.
So beeindruckend 37 Jahre Erfolgsgeschichte auch sein mögen: Das US-amerikanische Original feiert 2009 sein sechzigjähriges Jubiläum, liegt nach wie vor allmonatlich (elf Mal im Jahr; mit einer dicken Oktober/November-Doppelausgabe) an gut sortierten US-Kiosken aus, regelmäßig HUGO- und NEBULA-Preise einheimsend.
Macher des Originals ist der 1966 in New York geborene Gordon Van Gelder, der seit der Juni-Ausgabe 1997 als Redakteur und seit ein paar Jahren darauf mittlerweile auch als Herausgeber fungiert. Anlässlich seines Gewinns des HUGO AWARD 2007 in der Kategorie "Best Professional Editor: Short Form", die er für seine Arbeit am Magazin of Fantasy & Science Fiction bekommen hat, wurde dieses Interview exklusiv für den Zauberspiegel Anfang März 2008 per E-Mail geführt.
Zauberspiegel: Herr Van Gelder, fangen wir am besten damit an, wie Sie selbst als Leser Ihren Erstkontakt mit dem Magazine of Fantasy & Science Fiction (fortan F&SF) in Erinnerung haben.
Gordon Van Gelder: Ich begann im Alter von etwa 13 mit dem Lesen von Sciencefiction, und fand bald heraus, dass F&SF und ASIMOV's die Magazine waren, die ich am liebsten mochte. Das war in den frühen Achtzigern, also hinterließ wohl die Ed Ferman-Ära den größten Eindruck auf mich. Ich verkaufte damals, als ich so 14 oder 15 war, eine Kurzgeschichte an Terry Carr, und das Honorar von US$ 35.00 gab ich für ein 3-Jahres-Abo von F&SF aus.
Zauberspiegel: Wie und warum sind Sie Redakteur geworden, und wie und warum schlussendlich bei F&SF? Ich erinnere mich daran, in einem Interview mit Ihnen, oder vielleicht auch in einem Ihrer raren Editorials gelesen zu haben, dass Ihnen geraten wurde, sehr tief in sich zu gehen und sich zu fragen, ob nicht vielleicht doch der Wunsch, selbst zu schreiben, stärker ausgeprägt ist als jener, als Redakteur zu arbeiten. Haben Sie niemals ein Kribbeln in den Fingern doch mehr selbst zu verfassen? Sind Sie quasi Gordon Van Beutlin, und ist das Schreiben die für einen Redakteur zerstörerische Verlockung des Gebrauchs des Einen Rings?
Gordon Van Gelder: Redigieren ist etwas, das ich tue, seit ich Teenager war so redigierte ich etwa unser High-School-Literaturmagazin für zwei Jahre, und später, im College, war ich Mitbegründer und Redakteur eines Sciencefiction-Magazins am Campus. Aber was mich wirklich ins Geschäft brachte, war, dass es mir 1986 gelang, ein Sommer-Praktikum bei Bluejay Books zu bekommen. Jim Frenkel (der Herausgeber von Bluejay) nahm sich großzügigst Zeit dafür, mir das Handwerk beizubringen. Nachdem ich dann das College graduiert hatte, schaute ich mich nach Arbeit als Redakteur um und fand recht schnell einen Job bei St. Martin's Press.
Zum Redakteur von F&SF wurde ich, weil mich Ed Ferman anrief und fragte, ob ich Interesse an dem Job hätte, als Kris Rusch 1996 zurücktrat. Ich war einer von mehreren Leuten, die ein Vorstellungsgespräch mit ihm führten, und schließlich hat er sich für mich entschieden. Während jenes Gesprächs fragte er mich, ob ich auch einen Hang zum Schreiben hätte nach seinen Erfahrungen mit Avram Davidson und mit Kris betrachtete er es nämlich als Fehler, einen Redakteur einzustellen, dessen Hauptinteresse eigentlich dem Schreiben galt. (Und ich glaube, dass das wohl der ausschlaggebende Grund war, weshalb er mir den Job überantwortete.)
Habe ich nun ein Interesse am Schreiben? Ja, es gibt ein paar Geschichten, die ich gerne niederschreiben würde. Aber ich denke nicht im Traum daran, jemals ernsthaft zu versuchen, das Schreiben zu meinem Beruf zu machen. Ich habe einmal ein großartiges Kommentar von einem Redakteur der 1920er gelesen, der meinte, die Herangehensweise eines Redakteurs ans Schreiben sollte der eines Barkeepers ans Trinken ähneln nur gelegentlich und nur dann wenn man immer auch selbst tatsächlich will.
Zauberspiegel: Stellen Sie sich vor, Sie oder vielleicht ihre Vorgänger stolpern über ein "verlorenes" eingereichtes Manuskript eines längst verblichenen, legendären Autors aus der tiefen Vergangenheit des Magazins. Welchen Autorennamen hätten Sie denn auf diesem Fundstück am liebsten drauf stehen?
Gordon Van Gelder: Nun, die Frage ist etwas unfair, zumal ich tatsächlich Geschichten erhalten habe, die im Nachlass von Autoren aufgefunden wurden. Wir brachten 1999 Theodor Sturgeons "New York Vignette" und kurz davor auch eine Geschichte von Avram Davidson. Und leider habe ich auch schon einige "verlorene" Geschichten gelesen, die nun wahrhaft keine großen Schätze gewesen sind. Aber wenn ich hier nun einen Autor beim Namen nennen muss, würde ich mich sehr darüber freuen, eine Alfred Bester-Geschichte aus den frühen Fünfzigern zu finden.
Zauberspiegel: Es ist jetzt ein gutes Jahrzehnt her, dass Sie von Kristine Kathryn Rusch die redaktionellen Zügel übernommen haben. Rückblickend betrachtet: hätten Sie damals bereits all das gewusst, was Sie jetzt wissen, gäbe es Dinge, die Sie anders gemacht hätten? Erinnern Sie sich an den aller schönsten Moment und den aller schlimmsten?
Gordon Van Gelder: Die Liste der Dinge, die ich anders gemacht hätte, ist viel zu lange, sie hier auch nur zu beginnen. Angefangen von so mancher Sache, die ich sagte, als 1996 durchsickerte, dass ich Kris ersetzen würde, bis hin zu Dingen, die gestern erst passierten. Das Führen eines Magazins ist ein ständiger Lernprozess.
So auf die Schnelle könnte ich mich jetzt für einen schönsten Moment nicht entscheiden, aber der schlimmste war wohl, als ich 2001 die Belegexemplare der April-Ausgabe von der Druckerei bekam und feststellen musste, dass die Ausgabe ohne Punkte gedruckt worden war. Ich wusste zwar, dass ich später darüber lachen würde, aber damals in dem Moment fand ich es alles nur nicht komisch.
(Anmerkung des Interviewers: Die Ausgabe April 2001 wurde tatsächlich ohne Punkte am Satzende ausgeliefert. Alle anderen Satzzeichen waren abgedruckt worden, nur die Punkte hatte die Druckerei aus obsküren Gründen unterschlagen. In einer folgenden Ausgabe wurden mit einem Augenzwinkern dann die fehlenden Punkte nachgereicht, in Form einer Seite voll nur mit Punkten.)
Zauberspiegel: Was bedeutet Ihnen Ihr gewonnener 2007er Hugo? Wie stehen Sie zu der Aufspaltung der ehemals einen Kategorie "Bester Redakteur" in nun zwei, eine für literarische Kurzformen, eine für längere Formen?
Gordon Van Gelder: Ich bin allen dankbar, die beim HUGO für mich stimmten, aber um ehrlich zu sein, bedeutet mir der Preis gar nicht so viel. Es ist natürlich eine Ehre, aber ich bin nicht besonders begeistert von der Idee Wett streitender Redakteure. Ich meine, Stan Schmidt gelingen (als Redakteur) in ANALOG Sachen, die ich nie hinkriegen würde, doch dafür bekommt er keine Anerkennung in Form eines HUGOs. Sollte ich deshalb glauben, ein besserer Redakteur zu sein als er, nur des Preises wegen? Ich hoffe nicht, weil ich glaube nämlich nicht, besser zu sein als er (oder als die meisten anderen Leute in unserem Geschäft, wenn wir schon dabei sind).
Was die Aufspaltung betrifft, nun, es ist nett auch Buchredakteuren Anerkennung zu zollen (immerhin war ich ja selbst lange Jahre einer und weiß, wie selten man da Lob erfährt), aber ich hasse es, noch mehr Preise in unserem Betätigungsfeld hinzugefügt zu sehen. Ist es nicht genug, dass uns ermöglicht wird, an den Büchern und Magazinen zu arbeiten, die wir lieben?
Zauberspiegel: Wie relevant für die Verkaufszahlen Ihres (oder jedes anderen) Magazins sind gewonnene Auszeichnungen wie Hugo oder Nebula tatsächlich, seien es welche für Ihre Redaktionsarbeit, oder welche für die Prosa Ihrer Autoren?
Gordon Van Gelder: Was ich bisher so mitbekommen habe können, bewirken solche Preise kein signifikantes Ansteigen der Verkaufszahlen. Die einzige echte Ausnahme hierbei bilden Romane wenn die einen Preis wie den HUGO abstauben, merkt man das auch an den Verkaufszahlen, speziell auch daran, wie leicht sich so ein Roman international verkaufen lässt.
Zauberspiegel: Einige Jahre nachdem Sie Redakteur von F&SF geworden waren, übernahmen Sie auch die Herausgeberschaft. Das Aufgabengebiet welcher dieser beiden Tätigkeiten fordert Ihnen mehr ab? Welcher Prozentanteil Ihres Arbeitstages geht in welcher der beiden auf?
Gordon Van Gelder: Bilanzierend würde ich sagen Herausgeberschaft ist anstrengender. Ein Geschäft zu führen ist nun mal schwieriger, als ein Magazin zu redigieren. Prozentanteile? Heute war es etwa 65% Herausgeber zu 35% Redakteur, gestern war es ausgeglichen. Gesamt schätze ich, dass 60% meines Monats in Herausgeberschaft aufgeht und 40% in Redakteursagenden.
Zauberspiegel: F&SF hat eine lange Geschichte im Veröffentlichen der ersten Werke von Autoren. Die allererste Ausgabe, Herbst 1949, beinhaltete bereits ein solches Erstlingswerk, und alle Redakteure seit damals haben in einem Jahr F&SF mehr Erstlingswerke von Autoren gebracht als manch andere Magazine in einem Jahrzehnt. Ihre direkte Redaktions-Vorgängerin Kristine Kathryn Rusch ging sogar so weit, eine spezielle Ausgabe nur mit Erstverkäufen zu füllen. Was ist Ihre persönliche Meinung zu jener Philosophie des Magazins?
Gordon Van Gelder: Neue Autoren sind lebenswichtig für das Magazin, und die Zusammenarbeit mit denen ist mir eine der größten Freuden an meinem Job. Autoren wie Charlie Finlay, M. Rickert, Laird Barron oder Paolo Bacigalupi dabei zu helfen, ihre Karrieren auf den richtigen Weg zu bringen, macht mir nicht weniger Freude, als es den Lesern Freude macht, deren Geschichten zu lesen. Erst jüngstens debütierten bei uns Ann Miller und S. L. Gilbow. Weitere werden folgen.