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... Karfunkel über 15 Jahre und die Zukunftsfähigkeit von Mittelalterthemen

Claudia Beckers-Dohlen, Chefredakteurin Karfunkel... Karfunkel über 15 Jahre und die Zukunftsfähigkeit von Mittelalterthemen

Die Zeitschrift Karfunkel ist für die Fans von "erlebter Geschichte", Mittelalterevents und gut aufgearbeiteter Geschichtsthemen kaum mehr wegzudenken.

Zur Frage "Was ist Karfunkel?" schreiben die Macher: 

"Karfunkel ist eine Zeitschrift, die alle zwei Monate erscheint (Februar, April, Juni, August, Oktober, Dezember) und sich rund um das Thema Geschichte mit Schwerpunkt Mittelalter befaßt: Ereignisgeschichte, Alltagsgeschichte, Kulturgechichte, Stadtgeschichte, Militärgeschichte, Religionsgeschichte, Sozialgeschichte, Landesgeschichte, Kirchengeschichte, Wirtschaftsgeschichte, Burgenforschung, Biographien, historische Hilfswissenschaften wie Numismatik oder Heraldik, Archäologie, Kunstgeschichte und vieles mehr. Immer wieder gibt es zudem Abstecher in die Antike und die frühe Neuzeit."1
75 Ausgaben in 15 Jahren
Seit inzwischen 15 Jahren erscheinen Hefte, die eine erstaunliche Bandbreite abdecken. Hinzu kamen zu bestimmten Terminen Sonderhefte: "Karfunkel Combat" zum Thema Kriegs- und Militärgeschichte, "Karfunkel Codex", von den Herausgebern ein als "Kompedium zu je einem speziellen Thema" bezeichnet, sowie Einzelhefte zu besonderen Bereichen wie "Karfunkel Musica" oder "Karfunkel Küche".
 
Es gehört zu meinen Standardwegen regelmäßig beim Einkaufen nach den Ausgaben des Karfunkel zu schauen und mich über die derzeitigen Ausgaben zu informieren. Mittelalterliche Rezepte, Schnitte für Kleidungsstücke, historisch gut geschriebene Artikel, dazu nicht ganz alltägliche Themen wie die Herstellung von Schmuckkämmen aus Knochen (Karfunkel 65, 2006).
 
Einen nicht unerheblichen Teil der Hefte nehmen die Termine von Mittelaltermärkten, historischen Festen oder Ausstellungen ein und bieten so eine wichtige Quelle für alle Fans dieser Events. Die Vielfalt der Termine in den Hauptmonaten (spätes Frühjahr bis Spätherbst und dann nochmal in der Vorweihnachtszeit) machen deutlich, dass Mittelalter und Grenzthemen inzwischen nicht mehr nur die Domäne von irgendwelchen "Spinnern" ist. Neben weitem Interesse bei den Besuchern  sind diese Veranstaltungen auch ein nicht zu unterschätzendes Geschäft geworden - dies dokumentiert auch die große Anzahl an Azeigen unterschiedlichster Art, die sich in den Heften finden. 
 
Das "normale" Karfunkel, Ausgabe 70Die Mediadaten des Karfunkel geben eine Verbreitung von etwa 44.000 Stück an - für eine "Special Interest"-Publikation eine beeindruckende Zahl. Mit hohem Aufwand (an Farbe, Gestaltung und Inhalt) produziert, ist dies eine große Leistung. 
 
Anlässlich des 15. Geburtstags von Karfunkel führten wir ein Gespräch mit Claudia Beckers-Dohlen, der Redaktionsleiterin der Zeitschrift und Magister für Mediävistik und Antike. Außer ihr gibt es noch eine stattliche Zahl an ständigen Mitarbeiterinnen und Autoren, die ein großes Feld an Kenntnissen und Schwerpunkten abdecken (Hinweis: Auf der Seite  von Karfunkel  "Zeitschrift" - "Über uns" finden sich die Mitarbeiter und ihre Gebiete aufgeführt - über diesen Link verlässt man die Seiten von Zauberspiegel).
 
Zauberspiegel: 15 Jahre Karfunkel - Herzlichen Glückwunsch dazu. Wie kam es zur Idee dieser Zeitschrift?
Claudia Beckers-Dohlen: Entstanden ist die Idee am passendsten Ort: auf einem Mittelaltermarkt. Am Anfang sollte es einfach nur eine Liste von Event-Terminen werden, die unabhängig und neutral für Interessierte die historischen Veranstaltungen bekannt machen sollte, damit niemand mehr abhängig sein würde von den wenigen Veranstaltern und Burgen, die ihre Events der Öffentlichkeit anboten.
Sabine und Michael Wolf - Chefin und Herausgeber von KarfunkelMichael Wolf, unser Herausgeber, war aber schon immer vom Zeitungsmachen begeistert, hatte u.a. auch schon zu Jugendzeiten eine eigene Schülerzeitung herausgegeben. Seinem Elan ist es zu verdanken, daß schon bald aus der Terminliste ein kleines Magazin wurde, das sich in erster Linie an die "Mittelaltermarkt-Leute" der Szene richtete, Veranstaltungen ankündigte und auch als kritische Nachberichte vorstellte, dazu Schnittmuster nach historischen Vorlagen und Themen zur mittelalterlichen Küche lieferte und neben einem großen historischen Titelthema den einen oder anderen weiteren historischen Artikel veröffentlichte, die von Historikern/Archäologen (bzw. verwandten Berufsgruppen) verfaßt wurden.

Zauberspiegel: Bitte erzählen Sie uns doch etwas zu den Gründern / Herausgebern der Zeitschrift.
Claudia Beckers-Dohlen: Michael und Sabine Wolf sind die Gründer der Karfunkel. Michael ist auch heute noch unser Herausgeber, hat sich aber aus dem redaktionellen/inhaltlichen Bereich völlig zurückgezogen, da er seit einigen Jahren mit dem Projekt "Histotainment Park Adventon" beschäftigt ist. Seine Frau Sabine hat dem Kind damals vor 15 Jahren den Namen "Karfunkel" gegeben und ist seit dem Beginn als Verlagsinhaberin die organisatorische Führung des gesamten Unternehmens. Beide waren ursprünglich selbst auf historischen Veranstaltungen unterwegs (zuerst als Besucher, dann als Ablaßhändler, mit einem Badehaus, mit einer Taverne etc.) und gründeten eine eigene Veranstaltungsfirma, die "Histotainment GmbH" (die übrigens auch seit nunmehr 15 Jahren das Mittelalterfest in Angelbachtal organisiert) und schließlich den Karfunkel Verlag.

Michael Wolf schrieb uns zum Thema Biografisches: Hallo Frau Meister, vielen Dank für Ihr Interesse an Karfunkel und den Machern oder Initiatoren und jetzt das große Aber: (...) Für uns ist nicht wichtig, mehr von uns preis zu geben, als in der Öffentlichkeit bereits bekannt ist oder wir in Interviews bereits gesagt haben. (...) Für uns ist wichtiger, daß das Medium zu Kenntnis genommen wird und im Vordergrund steht und gerne auch alle Autoren und Mitarbeiter, denen daran liegt. Ich glaube, daß den Autoren damit sogar geholfen wäre, denn schließlich können die meisten nicht ausnahmslos für uns arbeiten bzw. von dem, was sie für Karfunkel machen leben.

 

Zauberspiegel: Karfunkel bezeichnet sich ja als "Zeitschrift für erlebbare Geschichte, Reenactment und Histotainment". Wer liest Karfunkel?
Claudia Beckers-Dohlen: Unser Leserkreis ist inzwischen sehr breit gefächert. Zunächst waren wir eher ein "Szene-Magazin", das entsprechend von Reenactern, Hobbyisten, Mittelaltermarkt-Besuchern und -Beschickern etc. gelesen wurde. Heute ist diese Zielgruppe noch immer eines unserer Hauptstandbeine, aber auch die historisch interessierten Laien (die nicht auf Märkte gehen oder Reenactment betreiben), Schüler und Studenten, Geschichtslehrer bis hin zu den Fachkreisen der Universitäten zählen zu unseren Stammlesern.

Karfunkel Küche, eine der SonderausgabenZauberspiegel: Seit Jahren fällt auf, dass die Zahl an entsprechenden Veranstaltungen zugenommen hat - teilweise mit qualitativ sehr hochwertigen Veranstaltungen, teilweise wirkt es eher wie das Aufspringen auf einen Marktingtrend. Wie sieht Karfunkel diese Entwicklung?
Claudia Beckers-Dohlen: Die Kommerzialisierung ist drastisch gewachsen, inzwischen gibt es kaum noch Veranstaltungen ohne komerziellen Hintergrund. Aus Sicht der Hobbyisten und der meisten Reenacter ist das natürlich bedauerlich, denn die Qualität der Darstellung nimmt stark ab. Aber man darf auch nicht vergessen, daß dadurch ein eigener Wirtschaftszweig entstanden ist, der eine Menge Menschen ernährt. Man denke nur an die zahlreichen Künstler, Händler und Beschicker auf den Märkten, die damit ihren Lebensunterhalt verdienen.
Einen reinen Marketingtrend kann man die Entwicklung allerdings nicht nennen. Das klingt zu sehr nach gezielter Strategie, und das ist die Marktszene nicht, denn sie ist "natürlich gewachsen", und zwar zu einem großen Teil aus Menschen, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben.
Auch ist es bedauerlich, daß das Thema "Authentizität" eine so große Rolle bei der Bewertung einer Veranstaltung spielt. Niemand ist in der Lage, das Leben der vergangenen Epochen 100% nachzustellen, und alle, die sich um möglichst hohe Authentizität bemühen, legen ihre Prioritäten in dieser Hinsicht individuell fest. Selbst bei den zahlreichen Museumsfesten, die es inzwischen gibt und die von Fachleuten konzipiert werden, liegen die Maßstäbe nicht so hoch wie bei einigen Kritikern aus der MA-/Reenactment-Szene selbst.
Vielmehr sollte man sich über das wachsende Geschichtsinteresse der Menschen freuen. Bis vor kurzem galt Geschichte hierzulande als langweilig und trocken, ein reines Theoriefach, das von einigen wenigen Experten in ihren Elfenbeintürmen diskutiert wurde und sonst kaum jemanden interessierte. Frankreich und vor allem England haben uns vorgemacht, wie man Geschichte spannend und erfolgreich vermitteln kann - bei Jung und Alt. Dort gibt es schon lange die "lebendige Geschichte" in den Burgen und anderen historischen Stätten, mit Themenführungen, den sogenannten "First Person Interpretations", historischen Events und vielem mehr und natürlich auch mit der entsprechenden locker aufbereiteten Sach- und Fachliteratur. Zum Glück ist diese Welle in den vergangenen Jahren auch nach Deutschland übergeschwappt.
Und genau hierin sieht auch Karfunkel seine Rolle bei dieser Entwicklung: Wir möchten Geschichte für die breite Bevölkerung erlebbar machen, das Interesse an der Vergangenheit wecken und unsere eigene Faszination an diesem Thema rüberbringen. Dabei arbeiten wir streng an den historischen Quellen orientiert (unsere Autoren sind alle Historiker, Archäologen, Museumspädagogen u.a. entsprechende Fachleute), bemühen uns aber, so viel wie möglich aus dem Bereich des "qualitativ hochwertigen Reenactments", wie Sie es so schön bezeichneten, mit einzubeziehen.

 

Karfunkel Musica - Eine weitere SonderreiheZauberspiegel: Wie schätzt Karfunkel die Entwicklung ein? Wird dieser Trend weiter gehen oder nutzt sich die Zugkraft langsam ab?
Claudia Beckers-Dohlen: Wir glauben natürlich, daß der Trend weitergehen wird, denn das ist schließlich unsere Existenzbasis. Wenn wir nicht davon überzeugt wären, würden wir außerdem unser Verlagsprogramm nicht ständig ausbauen. Wie die fernere Zukunft aber aussehen wird, ist sehr schwer vorherzusagen. Sicherlich spielen Modeerscheinungen eine Rolle - man denke nur an den Schottland-Boom, den der Film "Braveheart" ausgelöst hat. Und seit "Der Herr der Ringe" in die Kinos kam, wurde eine wahre Fantasy-Welle losgetreten, die sich auch auf den historischen Veranstaltungen bemerkbar macht, so daß sich inzwischen oft historische Märkte mit Fantasy-Darstellung mischen. Wichtig für das Weitergehen des Trends ist auch die Einbeziehung der Kinder und Jugendlichen bei den Veranstaltungen, denn sie sind die Besucher von Morgen, und wenn man ihr Interesse an Geschichte weckt, geht die Entwicklung auch in den nächsten Generationen weiter. Wir hoffen, daß die Ernsthaftigkeit auf Dauer erhalten bleibt, daß die Geschichtsvermittlung seriös weiterbetrieben wird und der Kommerz das Ganze zwar voranbringt, aber nicht bestimmt.

Zauberspiegel: Seit einiger Zeit gibt es verschiedene zweite Sparten von Karfunkel: Karfunkel Codex, Combat, Musica ... Warum hat man diese Sparten eröffnet und welche Ziele verfolgt man damit?
Claudia Beckers-Dohlen: Entstanden sind die einzelnen Sonderhefte durch zahlreiche Zuschriften unserer Leser, die den Wunsch nach einer ausführlichen Behandlung bestimmter Themen geäußert haben. Und zwar nicht in teurer Buchform, sondern als preisgünstigere Sonder-Zeitschrift. Die Codex-Reihe war unser erstes Experiment, mit dem wir testen wollten, ob das Interesse nur bei Einzelnen oder bei einem größeren Teil unserer Leserschaft vorhanden war. Daß der Wikinger Codex (Codex Nr. 1) schon nach wenigen Monaten vergriffen war, hat uns gezeigt, daß es  durchaus Bedarf nach mehr gab.
Die beiden Leserumfragen, die wir daraufhin gestartet haben, gaben uns einen aussagekräftigen Überblick, in welche Richtung wir weitergehen sollten. Die Leser wünschten nicht eine monatliche Ercheinungsweise, sondern lieber mehr Sonderhefte zu speziellen Themen, die uns auch explizit genannt wurden. Daraus entstand dann zuerst unsere Reihe "Combat" rund um die Militärgeschichte mit jährlicher Erscheinungsweise wie der Codex (allerdings zum 1. März), gefolgt von "Kraut und Hexe" und "Küche", die in Zukunft in jährlichem Wechsel am 1. November herauskommen werden. Unser zusätzliches Special jährlich zum 1. Mai befaßt sich immer mit Themen, die in der regulären Zeitschrift kaum Berücksichtigung finden (bisher: Piraten, Ägypten). Weitere "Karfunkel-Ableger" sind in Planung.
Der Grund für die Eröffnung der neuen Sparten lag also in den Wünschen und Anregungen der Leser, und wir verfolgen das Ziel, Wissen zu den gewünschten Themen in fundierter, ausführlicher Form zu einem günstigen Preis den Lesern anzubieten.

 

Heft 78 erscheint übrigens am 1. Oktober 2008 - dieses Mal unter anderem mit den Themen "Räuberbanden im 18. Jahrhundert" oder einem Artikel über das Stift Quedlinburg.

Quellen:
1 http://www.karfunkel.de

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