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... Ulrich Pleitgen über Edgar Allan Poe, Literatur und das Kino im Kopf

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... über Edgar Allan Poe, Literatur und das Kino im Kopf
 
Ulrich Pleitgen wurde am 1. November 1946 in Hannover geboren. Er absolvierte eine Schauspielausbildung an der Hochschule für Musik und Theater in seiner Geburtsstadt.
 
Zunächst spielte er auf der Bühne in unterschiedlichen Schauspielhäusern. Einem beiteren Publikum wurde er durchs Fernsehen bekannt. Für die Familienserie "Nicht von schlechten Eltern" erhielt er für die Rolle des Kapitän Schefer einen Bambi. Daneben war er unter anderem in der Krimiserie "K3" zu sehen, und spielt auch in der Serie "Familie Dr. Kleist". Fernseh- und Spielfilme gehören ebenfalls zu seinem Schaffen.
 
Auch als Hörbuchsprecher ist Ulrich Pleitgen sehr beschäftigt. Er las zum Beispiel "Assassini", aber auch andere große Literatur.

Seit 2003 spricht die Rolle des Edgar Allan Poe in der gleichnamigen Hörspielserie von Lübbe Audio, neben Iris Berben. Eine Serie, die mittlerweile auf über 30 Folgen kommt.
 
Ich durfte mit Herrn Pleitgen über die große Literatur und die Kunst des Schauspielens sprechen.


Zauberspiegel: Herr Pleitgen, Sie sind den Hörern von Hörspielen durch Edgar Allan Poe bekannt. Eine Rolle, in der man Sie sehr schätzt. Wie stehen Sie zur Literatur von Edgar Allan Poe?
Ulrich Pleitgen: Ich habe den immer schon gemocht. Ich bin ein großer Fan von Poe. Poe wollte mit seinen Geschichten seine Leser aufrütteln. Bei Lübbe hat man mir, als wir die Serie gemacht haben, ein Bild suggeriert. Von einer Säule die einen Schatten wirft, und man steht dahinter. Die Sonne hat keine Chance den Schatten auszustrahlen. Und dieses Bild ist eigentlich das Bild für Poes Geschichten. Er hat Angst gemacht mit seinen Geschichten, ganz bewusst. Er hat Szenen entwickelt, wo zum Beispiel an einem Sommertag ein Gewitter losbricht und das ganze schöne Bild zerstört.
Die Angst der Menschen im Alltag, die wird in vielen Poe-Geschichten Realität. Vom Alptraum zur Wahrheit.
 
Zauberspiegel: Und wie stehen Sie zur Phantastik im Allgemeinen. Lesen Sie privat?
Ulrich Pleitgen: Ja, ich mag auch Fantasy. Und ich mag die ruhigen Erzählungen, wie bei Poe. Darum bin ich ein Fan von ihm. Dieses immer höher, schneller und weiter – das ist Sache der Amerikaner. Den amerikanischen Traum sollen die Amerikaner ruhig weiter träumen. Ich bin Europäer und ich mag Geschichten wie sie unter anderem Edgar Allan Poe geschrieben hat. Und Poe ist ja eigentlich auch sehr englisch (lacht)

Zauberspiegel: Und dieses Bild von der Sonne, dem Schatten und der Säule, welches Sie eben beschrieben haben, dass versuchen Sie auch in den Hörspielen umzusetzen?
Ulrich Pleitgen: Ja, genauso ist es. Ich habe da als Schauspieler ja auch die Aufgabe mir ein Bild von der Geschichte zu machen um glaubwürdig in die Rolle hinein finden zu können.

Zauberspiegel: Haben Sie alle Poe- Folgen selber in ihrem privaten Regal stehen?
Ulrich Pleitgen: Ja ich habe dir bei mir stehen, und ich höre die auch ab und zu. Vor allem wenn sie neu kommen, weil ich gerne hören möchte, wie die Leute von STIL das Ganze dann atmosphärisch umgesetzt haben. Und ich finde die machen das wirklich schön mit der Musik, den Geräuschen, den Räumen – das ist wirklich Kino im Kopf.

Zauberspiegel: Man hört Sie über Poe hinaus eher selten in Hörspielen. Zu nennen wären noch Gastrollen wie zum Beispiel in John Sinclair, beim gleichen Verlag, aber doch recht wenig in anderen Produktionen. Ist das einfach Zeitmangel, oder kommt man da weniger auf Sie zu?
Ulrich Pleitgen: Aber ich habe schon sehr viele Hörspiele gemacht. Allerdings in allererster Linie für den Rundfunk. Das Radio verkauft die dann an irgendeinen Hörbuchverlag und der bringt die dann raus. Ich habe eine Menge Hörspiele gemacht, zum Beispiel beim MDR. Da habe ich von Mankell den Wallander gesprochen in „Die fünfte Frau“. Also ich habe ganz viel gemacht, aber Hörspiele eher für den Rundfunk und für die Verlage dann mehr Hörbücher. Aber natürlich bin auch viel beschäftigt. Hörbücher und Hörspiele mache ich jedoch meistens im Winter. Und zwar deshalb, weil dann weniger gedreht wird. Und deshalb verteilt sich alles etwas. Aber ich mache sehr viel. Ich habe drei Regalbretter voll mit Hörbüchern von mir. Das ist eine ganze Menge. Aber ich kann wenn ich drehe nicht noch Hörbücher machen. Ich muss ja auch vorbereiten und die Aufnahmen selbst, dauern mindestens 3 Tage. Wenn wir ein Hörbuch mit 22 CD´s machen wie bei „Madame Bovary“ dann braucht so etwas seine Vorbereitung. Ich habe schon von Kollegen gehört, die unvorbereitet in die Studios kamen. Die holen nach jeden halben Satz Luft, weil sie nicht wissen, wie es weitergeht. Und ich kann das nicht. Ich kann nicht drehen und gleichzeitig Hörbücher machen. Darum schiebe ich das immer auf Ende , bzw. Anfang des Jahres.

Zauberspiegel: In Edgar Allan Poe sprechen Sie die Hauptrolle neben Iris Berben. Sind Sie beide bei den Aufnahmen immer  zusammen im Studio, und wie ist die Zusammenarbeit?
Ulrich Pleitgen: Wir sind nie zusammen im Studio, nein. Das geht nicht, denn wir sind, wie viele andere Kollegen auch, viel beschäftigte Schauspieler. Da ist es schwer gemeinsame Termine zu bekommen. Nein, wir kommen einzeln ins Studio und später werden die einzelnen Aufnahmen zusammengemixt. Wir nennen das ixen. Die Produktion hat dann dabei allerhand Möglichkeiten und viel Freiraum. Man kann später viel Einfluss nehmen auf die Aufnahmen, die man hat.
Man spricht da den Text auch in unterschiedlichen Tonlagen, mal stärker, mal weniger stark, lauter und leiser. Und nachher suchen sich die Macher das Beste daraus aus.
 
Zauberspiegel: Ja, das sagten auch schon Kollegen von Ihnen, und ich weiß es mittlerweile auch, das dieses so genannte ixen, Gang und Gebe ist….
Ulrich Pleitgen: Natürlich, weil da ja auch immense Kosten eine Rolle spielen. Man kann die Schauspieler nicht alle gemeinsam im Studio haben.
Die Sender können das. Der MDR, der WDR, die haben die großen Studios. Als ich dort einmal den Wallander gemacht habe, da hat das eine Woche gedauert. Ich war täglich im Studio, und da kamen die Kollegen. Da hat man das Ganze dann im Dialog gemacht.
Aber die Hörbuchverlage, die können und wollen sich das nicht leisten. Das geht auch nicht. Man kann nicht Iris Berben und mich zusammen aufnehmen. Das geht nicht.
Ich mache zum Beispiel 4 Folgen Edgar Allan Poe an zwei Tagen im Studio.


Zauberspiegel: Lesen Sie die Rezensionen zu ihren Hörspielen und Hörbüchern?
Ulrich Pleitgen: Ja, Lübbe Audio druckt die aus und schickt Sie immer zu. Ich bin erfreut wie gut die Edgar Allan Poe- Hörspiele dabei abschneiden. Klar gibt es hin und wieder auch Kritik und nicht jede Folge ist mit der anderen qualitativ gleich. Mal ist der Plot anders und manches gelingt dann weniger gut, manches besser, weil auch die Vorlage besser war. Der Poe hat ja sehr viel geschrieben, man könnte die Serie endlos fortsetzen. Die meisten Geschichten sind sehr gut, nur manchmal kippt eine Folge so ein bisschen heraus.
Auch bei der Fernsehserie „Nicht von schlechten Eltern“, wo ich in etwa 39 Folgen den Kapitän zur See, Schefer gespielt habe, da gibt es Folgen, wo mich die Leute auf der Straße angesprochen haben, und meinten „Heute, die Folge war aber nicht so gut“ (lacht). Das eben so, man kann eine gleich bleibende Qualität nicht konsequent durchhalten über einen langen Zeitraum.
Aber das meiste ist immer sehr gut gemacht, und das was nicht gut ist, hat auch literarische Gründe.


Zauberspiegel: Auch ich bin ein Fan dieser Hörspiele und finden sie sehr gut gelungen.
Ulrich Pleitgen: Das finde ich auch. Und wenn man sich das ganze Technische dabei wegdenkt, die Musik und Geräusche, dann ist das längst nicht so gut.
Aber ich begreife meinen Beruf auch von einer sehr emotionalen Seite. Ich habe ja jahrelang mit Klaus Palmer gearbeitet, und wir spielten gerade etwas auf der Bühne, wir probten, langweilten uns aber irgendwie auf der Bühne. Das kam nicht so recht in Fahrt. Und da sagte er plötzlich, wenn Ihr da oben nichts erlebt, dann erlebe ich hier unten auch nichts.
Das heißt, ich versuche mich bei meinen Filmen und auch Hörbüchern in die Stimmung der Figuren zu versetzen. Ob das Angst ist, oder Freude, oder Hoffnungslosigkeit, ich versuche das in mir zu erzeugen. Sie müssen an meiner Stimme, an meiner Vibration hören, dass da eigentlich wenig künstlich hergestellt ist. Ich versuche das sehr identifiziert zu spielen.
Wenn ich mich in einer Filmrolle aufregen muss, dann versuche ich mich richtig aufzuregen. Wenn ich trauern muss, versuche ich diese Trauer zu erzeugen. Es gibt Leute, die machen das anders, die machen das technisch. Ich mache das über Emotionen.
Das ist auch die Freude an meinem Beruf. Ich spiele gerne Rollen, die weit von mir entfernt sind. Ich war gerade auf einer Drehbuchbesprechung zu einem Film, der gerade geschrieben wird. Dort soll ich einen knallharten Manager der Autoindustrie spielen. Etwas was ich überhaupt nicht bin. Und das reizt mich, so einen Typen zu spielen, der im Verlauf des Films vom harten Kerl zum weichen Menschen wird. Und so was kann ich auch, weil es weit entfernt von mir ist.
Und im Januar freue ich mich auch schon darauf, wenn wir die nächsten vier Poes machen.


Zauberspiegel: Wie erklären Sie sich die Faszination die derzeit von Hörspielen und Hörbüchern ausgeht?
Ulrich Pleitgen:Erstmal ist es was Neues, und dann ist es auch so, dass sich die Menschen immer gerne etwas vorlesen haben lassen. Das fing ja schon als Kind an.
Ich habe jetzt letztens auch wieder eine Lesung gehabt. Ich sagte ja, dass ich so was immer im Winter mache. Da habe ich über Engel gelesen. Ich hatte ein Paket zusammen gestellt mit Gedichten und Erzählungen. Nicht Engelsgeschichten im Sinne von Gläubig, sondern Geschichten wo der Engel mehr symbolisch ist.
Diese Lesung, hier in einem Theater in Hamburg war mit 500 Leuten ausverkauft. Also, die Leute lassen sich gerne etwas vorlesen.
Das Hörspiel im Auto anzuhören, das wird auch gern gemacht. Und es gab ja auch schon früher viele Lesungen. Der Hörfunk hatte da viel gebracht. Und jetzt kam natürlich die CD dazu, und ich denke die hat den Markt auch noch mal richtig in Gang gebracht.


Zauberspiegel: Von Hörspielen abgesehen sind Sie in Hörbüchern doch recht präsent. Sie haben da in der Vergangenheit einige Preise bekommen. U.a. goldene Schallplatte. Gibt es vielleicht irgendein Buch, welches Sie einmal gerne einlesen möchten, doch bisher ist noch niemand damit an Sie herangetreten?
Ulrich Pleitgen:Habe ich schon gehabt. Ich habe von Flaubert, Madame Bovary eingelesen, und werde jetzt „Die Haut“ machen. Also die Wünsche sind eigentlich alle erfüllt. Manchmal werde ich auch gefragt, welchen Film ich einmal gerne machen würde. Aber im Moment ist nichts unerfüllt. Meine großen Wünschen waren „Madame Bovary“ und „Von Mäusen und Menschen“, die sind fertig, und eben „Die Haut“ von Malapartes. Und das machen wir jetzt auch. Das Werk halte ich sowieso für einen Wahnsinnsroman.
Aber es ist eben so, das sich diese gute Literatur so schlecht verkauft. Die Besteller, die verkaufen sich gut. Und die goldene Schallplatte ist inzwischen Platin, und die bekam ich für „Assasini“, wieder ein guter Roman.
Die Besteller habe ich übrigens nicht abgelehnt, weil sie schlechte Literatur sind. Besteller sind ja nicht automatisch auch schlechte Literatur. Aber es ist eben sehr durchschnittliche Actionliteratur. Und ich bin jemand der gerne liest. Und für jemanden der gerne liest, für den ist die große Literatur wertvoll. Also ich bin auch kein Hörbuchhörer. Ich produziere die Dinger ja nur.
Ich schaue mir auch nicht meine eigenen Filme an, außer ich will einem Regisseur einen Gefallen tun. Ich höre mich auch nicht gerne. Es kommt einem einfach komisch vor, wenn man sich selbst sieht oder hört.


Zauberspiegel: Das sagen auch viele Kollegen von Ihnen.
Ulrich Pleitgen: Ja es ist auch so, weil man vorher was anderes tendiert hat, als dann dabei heraus kommt.
 
Zauberspiegel: Herr Pleitgen, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben.

Kommentare  

#1 zeitkugel 2008-12-24 01:46
Klasse Interview, großes Lob! Ich hoffe, dass die Poe-Hörspiel-Reihe noch lange fortgeführt wird.

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