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... Karen Wenborn über klassische Literatur, Comics und "The Tipping Point"

Karen Wenborn neben Dr. Who ... Karen Wenborn ...
... über klassische Literatur, Comics und "The Tipping Point"

 Klassische Literatur, die in moderner und visueller Art und Weise präsentiert wird, dabei beim Medium Print bleibt und den klassischen Text anbietet - das ist eine Herausforderung. "Classical Comics", ein Verlag aus England, hat sich auf dieses Abenteuer eingelassen und damit begonnen, Shakespeare, Bronte, Shelley als Comic herauszubringen. Dies interessierte uns und wir haben Kontakt mit Karen Wenborn aufgenommen, der Geschäftsführerin von Classical Comics. 


Classical ComicsZauberspiegel: Karen, ich bin auf der Buchmesse in Frankfurt dieses Jahr auf euch gestoßen und war begeistert von der Idee, klassische Literatur in ein modernes Medium wie Comics zu verwandeln, und gleichzeitig den klassischen Text mit anzubieten. Bitte erzähle mir doch mehr von eurer Firma. Wie lange gibt es euch, wer ist der Eigentümer?
Karen Wenborn: Die Firma besteht inzwischen seit zwei Jahren. Unser erste Buch war Heinrich V., der vor einem Jahr erschienen ist. Der Firmengründer und Präsident ist Clive Bryant, der die Idee für die Serie hatte. Um mit Clive zu sprechen: „Weder Karen noch ich haben einen Verlagshintergrund, aber wir sind beide starke Geschäftsleute, und wahrscheinlich haben wir etwas zu viele Enthusiasmus für Bücher, der Fähigkeit zu lesen und zu schreiben und Erziehung. Jo hat einen druckbezogenen Berufshintergrund, also verlassen wir uns auf sie wenn es darum geht sicher zu stellen, dass das Endprodukt in Ordnung ist.

Zauberspiegel: Ihr spezialisiert euch auf Comics mit klassischen Themen, die im Stil der “Graphic Novels” veröffentlicht werden. Es scheint ein ziemlich abenteuerliches Unterfangen zu sein einen Verlag mit einem solchen Spezialthema zu gründen. Wie kam der Verlagsgründer auf die Idee, sich auf dieses Thema zu konzentrieren?
Karen Wenborn:  Es war im Oktober 2006 in einer Bar, irgendwo in London. Dort hat Clive Bryant einem Freunde eine neue Geschäftsidee erzählt. Er war mit dem Zug auf dem Weg in die Stadt gewesen und hatte „The Tipping Point“ von Malcolm Gladwell gelesen. Die Tatsache, die dort beschrieben wurde, dass das Prinzip der „Null Toleranz“ gegenüber Verbrechen eine dramatisch positive Auswirkung auf das Verbrechen in den Straßen New Yorks hatte, beeindruckte ihn da sehr. Während er das las, kam ihm in die Frage in den Sinn „Würden sich Menschen antisozial benehmen, wenn sie gute/hohe Literatur zu schätzen wüssten?“ Das ist eine Frage nach der Henne oder dem Ei, einige Menschen würde solche Literatur missachten, ungeachtet der Umstände. Wie auch immer, „The Tipping Point“ geht davon aus, dass die Balance ins Kippen kommt sobald ein kritischer Punkt erreicht ist. Es ist nicht notwendig alle zu „bekehren“, es müssen nur genug Leute überzeugt werden, und der Rest wird ihnen nachfolgen.
Wie also sollte man diese Wertschätzung (für Literatur) erreichen? Sicher müsste man in der Schule damit beginnen?
Frage (englische) Teenager mal nach ihrer Meinung zu Shakespeare, Dickens und Bronte, und der größte Teil von ihnen wird mit dem Begriff „langweilig“ in allen Variation antworten. Das ist das große Hindernis: „langweilig“ in „cool“ zu verwandeln.
Noch mehr zu diesem Thema findet sich auf unserer Verlagsseite (Link zur Verlagsseite von Classical Comics).

Zauberspiegel: Vielleicht ist es eine seltsame Frage, aber wen wollt ihr als Käufer und Leser ansprechen? Wenn ich mich recht erinnere, bietet ihr auch Material für den Schulunterricht an – also gibt es auch hier den Bildungsfokus.
Karen Wenborn:  Tatsächlich ist es im Moment so, dass etwa 50% “normale” Verkäufe sind, die anderen 50% sind Bildungskäufe. Aufgrund des experimentellen Ansatzes der Bücher, drei Versionen für Shakespeare (zwei für andere Klassiker), kann man die Bücher sehr gut im Klassenzimmer einsetzen. Wir bieten auch Materialien für Lehrer an, die sie direkt im Unterricht einsetzen können und eine große Bandbreite der Lehrplanthemen abdecken. Diese sind SEHR beliebt bei Lehrern. Es ist großartig, dass jedes Kind, egal welches Leseniveau es im Moment hat, auf diese Weise an Klassiker herangeführt werden kann.

Zauberspiegel: Warum stellt ihr eure Bücher in Vollfarben her?
Karen Wenborn: Wir haben unser Format an einigen Lesern (und vielen Kindern) erst einmal getestet. Jedes Kind sagte, die Bücher MÜSSEN einfach vollfarbig sein. Das Fernsehen ist es, Videospiele ebenfalls – warum sollten sie also ein Buch in Schwarz-Weiß lesen? Wir haben uns ihrer Meinung angeschlossen!

Zauberspiegel: Was ich am Interessantesten fand war die Tatsache, dass ihr nicht nur eine Version der Bücher herausgebt sondern eben verschiedene, darunter die “moderne” Version, und teilweise auch den “Quick read”. Was ist der Unterschied zwischen "modern" und "quick", und warum teilt ihr das auf?
Karen Wenborn:  Nun ja, das Englisch von Shakespeare bewegt sich außerhalb der Lesekompetenzen der meisten 10jährigen, zumindest war es so als wir damit begannen „The Bard“ in den Schulen zu unterrichten. Auch sehr viele Erwachsene lassen sich durch die Tatsache, dass sie die Originaltexte nicht nur „übersetzen“ sondern sich auch in die Geschichte selbst hineindenken müssen, abschrecken. Wir bieten die Möglichkeit mit dem Quick Text zu beginnen (der in einfachem Englisch gehalten ist und etwa die Hälfte der Textlänge des Original und Plaintext umfasst), um die Geschichte erst einmal zu verstehen. Danach können die Leser zum Originaltext wechseln um die ganze Schönheit der Sprache Shakespeares zu erleben. Bei anderen Klassikern wie zum Beispiel bei Dickens oder Shelly hatten wir das Gefühl, dass das Englisch nahe genug am heutigen Sprachgebrauch ist und damit für die meisten Menschen gut verständlich. Also haben wir hier zwei Versionen gemacht, Original und Quick Text.

Zauberspiegel: Wir haben bei euch großartige Klassiker der Literatur entdeckt: A Christmas Carol (unser besonderes Adventsbuch für heute), Jane Eyre und Frankenstein (darüber werden wir noch schreiben), Shakespeare und schließlich noch Canterbury Ghost (noch nicht erschienen). Was plant ihr noch zu veröffentlichen?
Karen Wenborn: Oh, unsere Liste ist voll! Wir würden gerne alle schon veröffentlicht haben, aber da wir für jeden Titel zwischen 15 und 26 Monaten benötigen, ist es ein langwieriger Prozess. Nächstes Jahr wird „Great Expectations“ erscheinen, danach „The Tempest“, „Romeo and Juliet”, “Dracula” und „The Canterville Ghost“. In Vorbereitung sind “Wuthering Heights”, “An Inspector Calls”, “Richard III”, “Hamlet”, “Julius Caesar”, “Sweeney Todd” und “Importance of Being Earnest”.

Zauberspiegel:  "Graphic Novels" – dazu würde ich gerne nochmal etwas fragen: Was ist eurer Definition nach eine Graphic Novel? Gibt es eine Geschichte von „Graphic Novels“? Und was ist der Unterschied zwischen Comics und der Graphic Novel?
Karen Wenborn: Oh! Ich bin in der Welt der Comics und Graphic Novels noch ein Frischling, deshalb bin ich kaum dazu qualifiziert eine wirkliche Antwort dazu zu geben! Aber zur Geschichte – Ja, der Einsatz von Zeichnung zur Illustration von Texten ist so alt wie Bücher selbst. Es ist sogar so, dass wir damit begonnen haben Geschichten mit Hilfe von Bildern „nieder zu schreiben“ bevor wir das Alphabet hatten. Ich kann jedem nur empfehlen sich diese Seite näher anzuschauen: http://inventors.about.com/od/cstartinventions/a/comics.htm (Link zur englischsprachigen Seite About.com zum Thema Graphic Novels)

 

Kommentare  

#1 Norbert 2008-12-25 20:14
Ein grossartiges Interview über einen sehr interessanten Verlag. Ich hoffe, Ihr behaltet den im Auge. Ich bin vor allem gespannt auf die Veröffentlichung von "Wuthering Heights", da ich es für das beste Buch halte, das je geschrieben wurde. Wie kann man Bronte langweilig finden? Nee, ich verstehe schon, was Karen Wenborn damit sagen will.
Obwohl ich kein begeisterter Comic-Leser bin, werde ich mich um diese Ausgaben bemühen.

Vielen Dank

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