Rainer Erler ist einer derjenigen deutschen Filmregisseure, die den Spagat von Anspruch und Unterhaltung gemeistert haben. Die Serie »Das blaue Palais« oder Filme wie »Fleisch« oder »Operation Ganymed« sind Highlights des deutschen Fernsehens. Jetzt erscheinen viele seiner Filme auf DVD und eine Sammlung von Kurzgeschichten unter dem Titel Bekenntnisse eines Voyeurs. Grund genug, ihm ein paar Fragen zu stellen ...
Zauberspiegel: Sie haben TV-Geschichte geschrieben. Sie haben mit großen Schauspielern gearbeitet. Sie haben Romane und Storys geschrieben. Was ist Ihnen lieber, die Arbeit hinter der Kamera oder die Arbeit an der Tastatur?
Rainer Erler: Schon mit 12 Jahren – da war der Krieg gerade vorbei und überall, in Wirtshaus-Sälen und Turnhallen entstanden Kinos – war mir klar: ich werde später Filme machen. Ich bin also Regisseur. Genauer: Autorenfilmer. Ich schreibe mir meine Geschichten selbst, die ich dann verfilme. Ein Film beginnt also mit Schreiben.
Zauberspiegel: Als ich die – gerade auch von den Spezialeffekten her sehr gelungene - Verfilmung des Herrn der Ringe sah, kam diese aber nicht gegen das (durch die Lektüre des Buches entstandene) jahrzehntealte Kino in meinem Kopf an. Was ich schon immer mal einen Regisseur fragen wollte: Wie ist es, wenn die Phantasien (in diesem Fall sogar) aus dem eigenen Kopf mit Hilfe der Kamera und von Schauspielern lebendig wird? Fällt da der Film nicht gegen das (eigene) Kopfkino ab? Kann man die eigene Phantasie 1:1 in Bilder umsetzen?
Rainer Erler: Wenn ich einen Film konzipiert habe, also die Story, das Drehbuch im Kopf habe, dann realisiere ich das. Meistens sehr kompromisslos.
Zauberspiegel: Bevor wir zu einzelnen Werken kommen und den großen TV-Events, die Sie in Szene gesetzt haben, möchte ich als großer Fan von Hanns Lothar, sie fragen wie eben dieser Hanns Lothar, einer der großen Stars des frühen Fernsehens und des Nachkriegskinos (1,2,3), im Umgang war. Sie haben mit ihm in Seelenwanderung (1962) gearbeitet. Er war ein herausragender Schauspieler, der aber von Alkohol, Depressionen und seiner ihm eigenen Selbstkritik getrieben wurde. Wie haben sie Lothar erlebt und wie war die Zusammenarbeit mit ihm? War bei der täglich Arbeit seine Probleme spürbar oder veränderte sich mit Arbeit auch der Mensch zur professionellen ‚Maschine’, die den Menschen abschüttelt?
Rainer Erler: Es ist sehr, sehr lange her. SEELENWANDERUNG (gerade auf DVD erschienen!)war mein erster Film (nach diversen Kurzfilmen, gewissermaßen "Fingerübungen).
Hanns Lothar war ein großer Schauspieler, der ständig mit seinen Problemen in Konflikt lag. Schon aus Respekt vor ihm möchte ich nicht in Details gehen. Die Zusammenarbeit war nicht immer problemlos. Aber am Ende doch sehr harmonisch und erfolgreich.
Zauberspiegel: Für den deutschen SF-, Horror und Fantasyfan gibt es eigentlich in der Erinnerung zwei deutsche Serien, die einen bleibenden Eindruck hinterließen. Die eine war die Raumpatrouille des schnellen Raumkreuzers Orion. Die andere war „Das blaue Palais“. Wie ist diese Serie entstanden? Gab es Vorbilder?
Rainer Erler: Von dieser Sekunde an findet der Rest unseres Lebens in der Zukunft statt.
Mich interessiert bei allen Prognosen nur eines: Was betrifft uns hier und heute? Daher habe ich für DAS BLAUE PALAIS den Begriff "Science Thriller" erfunden. Um mich gegen Science Fiction abzugrenzen.
Zauberspiegel: Die Besetzung der des ›Palais‹ war exquisit. Haben Sie selbst – wie es neudeutsch so schön heißt - ›gecastet‹?
Rainer Erler: Die deutschen Darsteller waren mir natürlich alle gut bekannt. Da das "Palais" eine internationale Co-Produktion war, kam Loumi Jacobescu aus Frankreich und Salvano Tranquilli aus Italien, Andras Fricsay aus der Schweiz und Eric P. Caspar aus Österreich.
Zauberspiegel: Generell mal die Frage. Wenn Sie einen Filmcharakter entwerfen, schwebt Ihnen da ein bestimmtes Gesicht vor (also schon ein Schauspieler/eine Schauspielerin) oder entsteht dieser Charakter gesichtslos und sie suchen hinterher das passende Gesicht dazu?
Rainer Erler: Wenn man schreibt, hat jeder Charkter ein Gesicht. Welches Gesicht dann im Film die Rolle übernimmt, das wird sich noch herausstellen.
Zauberspiegel: Zurück zum Palais. Dort standen Parakräfte im Mittelpunkt. Geheimdienst wie die CIA und der KGB forschten in dieser Richtung, konnten aber im Endeffekt keine verwertbaren Ergebnisse vorzeigen. Wieviel Science (sprich Forschungen der Geheimdienste) haben Sie in der Serie untergebracht?
Rainer Erler: Ich musste für diese fünf Filme sehr viel lernen. Trotzdem habe ich dann Fachwissenschftler hinzugezogen, wie z,B. Prof. Dr. Dr. Heinz Hora, einen Spezialisten für Laser-Forschung, der jetzt in Sydney lebt, in Cern arbeitet, und mit dem ich immer noch freundschaftlich verbunden bin.
Zauberspiegel: Heute könnten Sie aus dem Computer unglaubliche Spezialeffekte erzeugen. Man könnte aus dem ›Palais‹ heutzutage eine Effektorgie machen? Wie würden Sie heutzutage eine Neuauflage oder eine Fortsetzung der Serie angehen? Würden Sie es ›krachen‹ lassen?
Rainer Erler: Es ging mir immer um die Themen – nicht um Spezial-Effekte.
Zauberspiegel: Warum ging die Serie nach nur fünf Folgen zu Ende. Stoff zum Erzählen wäre doch sicherlich noch reichlich vorhanden gewesen? Wer hat also die Serie wie beendet?
Rainer Erler: Ich habe am BLAUEN PALAIS fünf Jahre gearbeitet. Ich fand, das sei genug. Es gab inzwischen andere, mindestens ebenso wichtige Themen.
Zauberspiegel: Dann kamen ihre großen Eventfilme wie Plutonium und Fleisch. Dass was in den späten 90igern dann Dieter Wedel mit seinem ›Bellheim‹ und ›Schattenmann‹ wurde, waren Sie mit ihren Filmen in den Achtzigern. Danach wurde es ruhiger um Sie. Da gab es zu letzt nur noch »Zucker« (1989) und den Zweiteiler »Die Kaltenbach-Papiere« (1991)
Haben sie privatisiert, war die Zeit für ihre Filme abgelaufen oder was ist passiert? Und: Womit haben Sie sich die Zeit vertrieben?
Rainer Erler: Grundsätzlich: "Zeit" ist ein zu wertvolles Gut um "vertrieben" zu werden.
Ich habe mich nach den KALTENBACH PAPIEREN entschlossen, keine Filme mehr zu machen. Das waren vielfältige Gründe. Ich habe mich stattdessen aufs Schreiben konzentriert.
Zauberspiegel: Jetzt sind 13 (12 bereits erschienene und eine bisher unveröffentlichte) Geschichten unter dem Titel »Bekenntnisse eines Voyeurs« erschienen. Was sind das für Geschichten? Wie würden Sie als Autor die beschreiben? Weshalb soll jemand diese Geschichten lesen wollen?
Rainer Erler: Die Geschichten sind alle "unverfilmbar" – das hat für einen Filmemacher, der keine Filme mehr macht, einen großen Vorteil. Es zählt nur noch das Spiel mit der Sprache – ohne Hintergedanken.
Zauberspiegel: Unser Rezensent – Uwe Weiher – kommt zu dem Schluss, dass ihm die der Band gefallen hat, sagt aber auch, die Storys seien keine leichte Kost. Wie schwer sollen die einzelnen Stücke dem Leser im Magen liegen?
Rainer Erler: Es sind – wie ich sie sicher zu Recht nenne – "lästerliche" Geschichten. Wenn ich vom Vatikan eine einstweilige Verfügung bekäme, wäre ich glücklich.
Zauberspiegel: Was ist für Sie eine gute Kurzgeschichte? Wie gehen Sie ans Schreiben heran?
Rainer Erler: Man hat mir bestätigt, ich hätte sehr gute Kurzgeschichten geschrieben. Es gab gab schon ein paar Jahre vorher "Dreizehn phantastische Liebesgeschichten". Es geht mir um den Einfall, die Story, erzählt mit Witz und Ironie und mit tieferer Bedeutung.
Zauberspiegel: Besten dank für das Interview …
Rainer Erler: Es war mir ein Vergnügen.
PS: worauf ich stolz bin: Mehr als die Hälfte meiner Filme sind aktuell auf dem
Videomarkt erhältlich:
- Die 7 Filme in der KULTFILMBOX (auch einzeln)
Fleisch
Die letzten Ferien
Operation Ganymed
Plutonium
Das schöne Ende dieser Welt
Der Spot oder Fast Eine Karriere
Die Delegation
Das Genie
Das Medium
Der Verräter
Unsterblichkeit
Der Gigant
Seelenwanderung
Orden für die Wunderkinder
Lydia muss sterben
Fast ein Held
Ein Guru kommt
Reise in eine strahlende Zukunft
Die Quelle
Zucker
Die Halde
Die Kaltenbach Papiere
Kommentare
Immerhin: "Das Blaue Palais" hat mein Vater, erklärter SF-Hasser, als "die einzige genießbare Science Fiction-Serie" bezeichnet. Was seltsam war, da ihm die Vergleiche fehlten.
Herr Erler ist sich seiner Leistungen zweifellos sehr bewusst.