... Arno Baumgärtel über Nummer 6, McGoohan und Portmeirion in Wales
... Arno Baumgärtel ...
... über Nummer 6, McGoohan und Portmeirion in Wales
: Die PRISONER-Conventions oder PortmeiriCons werden seit Jahrzehnten von den britischen Freunden von "Six of One - The Prisoner Appreciation Society" veranstaltet. Nicht immer und alle haben sie am Drehschauplatz in Portmeirion stattgefunden, oft in London oder Birmingham, je nachdem, welche lokale Gruppe was ausgerichtet hat. Im Village einigermaßen regelmäßig erst seit den 1990er Jahren. Der erste Tagesbesuch von Interessierten fand 1977, kurz nach Gründung des Fanclubs, statt, da hat Portmeirions Erbauer Sir Clough Williams-Ellis noch gelebt. Die typische Convention geht über drei Tage und beginnt Freitagabend mit der Eröffnung in der Hercules Hall, in der Serie "Town Hall" genannt. Samstags und sonntags stehen Aktivitäten draußen auf dem Programm, die Inszenierung des Wahlkampfs aus "Free For All" und dem sehr ikonischen Schachspiel mit menschlichen Figuren aus "Checkmate". Besonders diese beiden haben sich über die Jahrzehnte gehalten. Oft gibt es auch andere kleine szenischen Darbietungen vom "Touring Theatre". Dazu kommen Indoor- Veranstaltungen mit Gästeinterviews, Schauspieler und andere an der Produktion Beteiligte, von denen es nun immer weniger gibt, gelegentlich Dokumentationen und kleinere Aufführungen, eine Tombola und eine Abschlussparty am Sonntagabend. Nicht zu vergessen, Dave Barries äußerst kundige und beliebte Führungen durch Portmeirion. Dave Barrie ist der Begründer von "Six of One". Es gibt mit dem Rechteinhaber an der Serie und dem Hotel Portmeirion eine Vereinbarung, dass nur "Six of One" die PRISONER-Convention am Ort ausrichtet kann.
: Mival war anwesend, oh ja. Wir als deutsche Gruppe hatten ausgiebig Gelegenheit, mit ihm zu sprechen. Gleich am Freitagabend hatten wir ihn zum Abendessen in unserer Unterkunft. Es ergab sich so. Eric ist ein äußerst freundlicher und umgänglicher Mensch. 'Was immer ihr wollt, ich bin dabei', war seine Devise. Und er spricht auch etwas Deutsch. Er hat von seiner Arbeit als Musikredakteur erzählt, was er dort konkret gemacht hat. Nämlich Musikstücke, aus der so genannten Chappell Library, finden und bestimmten Szenen zuordnen und dabei an die erforderliche Länge anpassen. Er hatte auch als Filmcutter gearbeitet und kannte daher die Arbeitsschritte und worauf es ankam. Natürlich wurde er gefragt, warum gerade dies und jenes Musikstück? Und nicht immer hatte er eine in dem Sinn "aufschlussreiche" oder zufriedenstellende Antwort, sondern nur 'es schien mir am besten zu passen.' So ist das. Besonders in Augenschein genommen wurde seine Arbeit bei der letzten Folge "Fall Out", mit Live-Kommentaren von Eric und Dave.
: Was mich betrifft, war es wahrscheinlich die Mischung aus Surrealismus und "utopischer" Serie bzw. Science Fiction, eine Portion Mystery wie in der amerikanischen TWILIGHT ZONE, verbunden mit der Figur John Drake aus Patrick McGoohans vorheriger Serie GEHEIMAUFTRAG FÜR JOHN DRAKE, was mich gefesselt hat. Und die surrealen Momente sind es auch, die ich am meisten schätze. Die Sache beginnt irgendwann ein Eigenleben, der Aufbau der Website, wie mit der elektrischen Eisenbahn. Und obwohl die Serie nur kurz ist, 17 Episoden, sprechen wir immer noch darüber, 50 Jahre später. Es gibt sehr viele Zugangsmöglichkeiten zu den Themen und Motiven darin.
: In der Episode "Die Glocken von Big Ben" spricht der großartige Leo McKern als Nummer Zwei vom Ort/Village als Modell einer neuen Weltordnung. Es geht nur oberflächlich um geheimdienstliche Machenschaften. Patrick McGoohan hat die Serie, die eigentlich nur eine Miniserie sein sollte, als "Versuchsanordnung" angelegt, wo er Aspekte rund um das Spannungsfeld Individuum und Gesellschaft gegeneinander ins Spiel bringt. Die Figur Nummer Sechs ist keinesfalls nur der standhafte Held, der sich gegen allerhand politische und soziale Widrigkeiten zur Wehr setzt. McGoohan sagt im Interview mit Alain Carrazé, dass es aber genauso aussehen sollte. In Wahrheit führt er einen Diskurs über diese Themen. West und Ort, die "freie Welt" und der Kommunismus, was an Zwangssystemen haben sie gemeinsam usw.? Er wollte die Auseinandersetzung. Eine andere Sache ist, was George Markstein, der Script-editor war, über die Serie gesagt hat. Für ihn war das eine sich aus dem Zeitgeist des Kalten Krieges speisende Agentenserie, kaum mehr oder weniger.
: Wir als deutsche Fans, als Interessierte und Förderer der Serie, und vielleicht ich als in grauer Vorzeit ausgebildeter Germanist im Besonderen, wollen natürlich McGoohans Werk als solches würdigen. Warum ist die Serie heute noch zeitgemäß? Und dabei die Besoderheiten der deutschen Fassung hervorstellen. Denn die Arbeit von Dialogregisseur Joachim Brinkmann ist mindestes so interessant wie die Serie selbst. Er hat das Mysteriöse, das Geheimnisvolle durch seine Synchronfassung weitergetrieben und NUMMER 6 ein Stückcken weit mehr verrätselt als das Original vorgibt. Die berühmteste Stelle ist die gleich im Prolog des Vorspanns, wo es heißt: "Where am I?" Und die Antwort auf Deutsch lautet: "Sie sind da." Nicht etwa "In the Village" - also "Im Dorf" oder "Im Ort" oder sonstwo als konkrete Ortsangabe. "Sind sind da" - so viel wie: "Sie existieren. Das muss reichen." Auf meiner Website gibt es viel mehr dazu. Außerdem gibt es alles Mögliche an Informationen, ein selbst inszeniertes Theaterstück, eine kleine Ausstellung sowie einen Ehrengast aus England. Die Zusage haben wir, aber es ist noch Zeit bis dahin.
: "Die Ankunft", "Free For All", "Once Upon A Time". Aber auch "The Schizoid Man" und "Many Happy Returns" gehören dazu.
: Ja, ARTE hat bekanntgegeben, dass man nicht vorhat, NUMMER 6 in näherer Zukunft zu senden. Man wolle sich auf neuere Serien konzentrieren. Muss man akzeptieren, auch wenn es ein Stück weit unverständlich ist, gerade jetzt beim 50. Jubiläum. Und schließlich haben sie für die Synchronisation der vier Folgen 2010 Geld bezahlt. Aber na ja,
: Wir sind kein Club, kein Verein, nur eine Ansammlung von Individuen. Das Rückgrat bildet sicher meine Website als Kristallisationspunkt. So hat es sich ergeben, dass wir seit 2011 immer in einer Gruppe zur Convention gefahren sind. Die Jahre vorher waren das nur Einzelpersonen. Nicht alle sind an den philosophischen und politischen Themen interessiert, sondern am Schauspieler McGoohan und dem Ort Portmeirion als Schauplatz. Oder auch, weil sie dadurch Wales kennen gelernt haben.
: 2007, 2008, 2009 und 2010 haben wir Treffen mit mehr Aufwand organisiert. Aber das Thema NUMMER 6 ist in Deutschland leider nur eine Nische. In den 60er Jahren war das anders, als McGoohan durch die Drake-Rolle auch hier viel bekannter und beliebt war. Man hat auf die neue Serie gewartet. Wir treffen uns seither gewöhnlich zweimal im Jahr im kleinen Kreis, schauen die Bilder und Videos von der letzten Convention an, besprechen, was ansteht usw. Und dann gehen wir essen. Entspannt. Wer dazukommen will, kann das gern tun.
: Kaum. Kaum noch. Selbst als das sogenannte Remake neu herauskam, 2009, hat es von denen, die ich kenne, nicht viele interessiert. Ich habe ausführlich darüber geschrieben, auf meiner Website. Für mich ein interessanter Fehlschlag. Es gibt Qualitäten, aber die liegen nicht in der Handlung, sondern im Design und im Setting.
: Du liebe Güte... Es wäre schön, wenn das hier Gesagte der Serie NUMMER 6 in Deutschland ein paar weitere Zugeneigte oder gar Fans bescheren würde. Menschen, die sich dann bei mir melden und die vielleicht mit nach Portmeirion fahren würden. Oder die es sogar am 12. Oktober zu unserer Veranstaltung nach Gießen schaffen. Damit wäre ich schon zufrieden. Und ja, natürlich: Wir sehen uns!
Kommentare
Da kann ich zumindest schon einmal sagen, das diese Serie sich irgendwie nicht wirklich dazu eignet, einfach mal lose quer einzusteigen. In dem Punkt empfehle ich eben auch sehr die entsprechende DVD-Box mit allen 17 Episoden. Dann kann man auch direkt vom Anfang aus einsteigen, was die Sache mit dem Verständnis schon etwas erleichtert.
Ja, ja, ein alter Zausel bin ich, schon wahr. Ich gräme mich nicht dafür. Sie haben aber auch recht, man muss mehr als ein, zwei Episoden von Nummer 6 gesehen haben. Vielleicht, nein, bestimmt sogar ist es ein Spezifikum dieser Serie, dass die Rezeption untrennbar mit der Etablierung des Fernsehens in Deutschland zusammenhängt. Binse: Es waren andere Fernsehzeiten. Aber Nummer 6 hat uns heute noch was zu sagen, Stichwort Informationsgesellschaft. Denken Sie an die Zeile im Prolog: "Wir wollen Informationen, Informationen..." Viele televisionäre Nachfolger wie die Truman Show, Twin Peaks, Wild Palms, auch Lost (obwohl ich's in dem Fall kaum glaube), tragen das Etikett "prisoneresk" und sind ohne Nummer 6 nicht vorstellbar. Und dass der Drehschauplatz keine Kulisse ist, sondern eine (wenn auch künstlich erstellte) handfeste Sache, einer Ortschaft, Portmeirion, die man besuchen kann, die aber durch ihre architektonischen Wirrwarr wie eine bizarre Kulisee wirkt, das deutet die Richtung an, wie das Surreale unseren Alltag durchzieht. Aber ich schweife ab. Sehen Sie sich's an und vielleicht am 12. Oktober auf unserer Veranstaltung. Wir sehen uns!