... Robin Gates über die »Runlandsaga«, Wolfszeit und Serephim
: Hallo Jochen! Zuerst hatte ich gar nicht geplant, wieder nach Runland zurückzukehren. Aber ich hatte kaum die ersten Seiten geschrieben, als ich mich bereits erneut in dieser Welt wiederfand. Es hat etwas für sich, mehrere Romane in ein und derselben Welt stattfinden zu lassen Runland hat in meinen Augen dadurch an Tiefe gewonnen. Die Leser bekommen es mit, dass es eine sehr alte Welt mit einer langen Geschichte ist. So gelangt mehr Fleisch an den Knochen.
: Irgendwann möchte ich den »Harfner« noch einmal neu aufgelegt sehen, und zwar dann auch einem Band, denn ursprünglich war er als einzelner Roman geplant gewesen, nicht als Trilogie. Doch ich würde ihn gerne vorher noch einmal überarbeiten, und dazu werde ich in der nächsten Zeit nicht kommen. Dass der »Harfner« aber eines Tages wieder erhältlich sein wird, steht für mich fest.
: Nein, überhaupt nicht. Das Wenige, was auf die Ereignisse im »Harfner« anspielt, wird in der »Runlandsaga« erwähnt. Man erhält eine zusätzliche Facette, wenn man den ersten Roman kennt, er ist aber nicht notwendig, um die aktuelle Handlung zu verstehen.
: Runland war im ersten Roman nur der Hintergrund für das große Abenteuer der beiden Hauptfiguren, weshalb ich das Buch auch nach ihnen benannt habe. Jetzt, in der zweiten Erzählung, ist es diese Welt selbst, deren Existenz bedroht wird. Sie ist die heimliche Hauptfigur. Was ich damit meine, wird besonders im letzten Band der Serie mit dem Titel »Die Schicksalsfestung« deutlich werden.
: Der Begriff Wolfzeit, vargöld, steht in der Edda als Metapher für eine apokalyptische Endzeit, die sogenannte Götterdämmerung. Auch Runland erlebt im dritten Band seine ganz eigene Endzeit durch den Ansturm der Serephin, von denen die Wächterdrachen, die Grundfesten dieser Welt, einer nach dem anderen vernichtet werden. Gleichzeitig fällt einer Frau, die Wolfsgestalt annehmen kann, die Aufgabe zu, sich jener Wolfzeit entgegen zu stemmen. Mir gefiel dieses Spiel mit dem Bild des Wolfes, der sowohl für den Allverschlinger steht, als auch für die Wildheit der Natur, die gegen ihre Vernichtung aufbegehrt.
: Es sollte eine Erinnerung daran sein, dass die Menschen in meiner Romanserie ursprünglich nicht aus Runland stammten, sondern in längst vergangener Zeit aus ihrer eigenen Welt dorthin flüchteten, als diese unbewohnbar wurde. Fast alle Erinnerungen an ihre Heimatwelt sind inzwischen verloren gegangen, aber einige Bruchstücke ihrer Sagen und Mythen haben die Zeit überdauert, darunter auch jenes Fragment der nordischen Mythologie.
: In »Harfner« gab es bereits einige Elemente, die der Welt von Runland Tiefe verleihen sollten. Zum Beispiel tauchte dort schon die bruchstückhafte Erinnerung der Menschen an ihre untergegangene Heimatwelt auf. Aber mein Bild von den Elfen war damals noch stark von klassischer epic fantasy beeinflusst. Erst mit »Sturm der Serephin« wurde Runland von mir tatsächlich in eine komplexe Kosmologie eingebettet, die auch die Geschichte der Elfen und anderer Völker umfasste.
Als ich im November 2003 die ersten Kapitel dieses inzwischen gut sechs Jahre andauernden Projektes in Angriff nahm, hatte ich noch überhaupt keine Vorstellung, in welche Richtung mich diese Geschichte führen würde außer, dass sie einen Kampf um das Überleben der menschlichen Rasse zum Inhalt hatte. Aber ungefähr zu der Zeit, als ich die Wolfsfrau Neria einführte, stand mir der Showdown am Ende der Saga glasklar vor Augen. Nur, wie ich dorthin gelangen würde nun, da wies die Landkarte so einige weiße Flecken auf, die erst im Lauf der Jahre verschwanden, als die Geschichte fortschritt.
: Kein bisschen. Ich traue den Lesern eine Menge zu. Im Mangabereich ist es beispielsweise bereits Gang und Gäbe, dass Charaktere nicht mehr als stereotyp gut bzw. böse dargestellt werden, sondern als komplexe Wesen, die unterschiedliche Ziele verfolgen und die Leser haben das sehr gut angenommen.
Der Kampf um das Gleichgewicht zwischen Chaos und Ordnung fasziniert mich, weil es ein Konflikt ist, der sich auch in unserer realen Welt in so vielen Bereichen widerspiegelt. Wir selbst sind ein Abbild dieser Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen Polaritäten, ein Kampf um das Finden einer Mitte im Kern dieser ständigen Bewegung, aus der unsere Leben bestehen.
: Beide Kämpfe überschneiden sich, wenn es um die alte Frage geht, ob der Zweck die Mittel heiligt. Es ist wohl deswegen eine so alte Frage, weil es auf sie keine endgültige Antwort gibt. Sie muss in so vielen Situationen immer neu gestellt und beantwortet werden.
: Auf jeden Fall! Wie ich schon geschrieben habe, ist die Zeit längst reif dafür. Spannende Geschichten werden immer wieder bad guys brauchen aber zumindest sollten es dann keine Abziehbilder sein. Ein großartiges Beispiel für einen gelungenen bad guy ist Ineluki, der Storm King aus Tad Williams´ »Memory, Sorrow and Thorn« [dt. »Das Vermächtnis der Schwerter « bzw. »Die Saga von Osten Ard«, Anm. d. Red.] Serie, denn man erfährt als Leser Stück für Stück den Grund für seinen verzehrenden Hass. Dadurch erhält er eine Tiefe, die ihn interessant macht.
: Mich fasziniert an ihnen, dass sie zu unserem globalen mythologischen Erbe gehören. Sie kommen in praktisch jeder Kultur auf dieser Welt vor, von geflügelten oder gehörnten Schlangen bis zum klassischen dungeons & dragons - Ungeheuer. Dieser Facettenreichtum macht sie interessant.
: Etymologisch lässt sich die Engelsbezeichnung Seraphim auf die Wortwurzel seref aus dem Ägyptischen zurückführen. Wörtlich bedeutet der biblische Name Feuerschlange. Dieser Name faszinierte mich, seitdem ich ihn zum ersten Mal hörte. Er passte wunderbar zu den Wesen, die mir für meine Romanserie vorschwebten eine mächtige nichtmenschliche Rasse, deren Schicksal mit dem der Menschen verwoben ist.
: Am Anfang stand tatsächlich eine fiktive Landkarte mit Namen von Gegenden, Bergen, Flüssen und Städten. Sie war eine große Inspiration für mich, weil diese Traumlandschaft meine Neugier weckte. Für Momente vergaß ich völlig, dass ich selbst sie ja gezeichnet hatte, und fragte mich: Welche Geschichten mochten sich hinter diesen Orten und vor allem den Namen verbergen? Welches Volk hatte eines der Waldgebiete Mondwälder genannt, und warum? So begann es...
: Da wir auf den Höhepunkt der Geschichte zumarschieren, wird die Action noch weiter zunehmen. Die Leser werden Zeugen zweier epischer Schlachten werden. Mehr möchte ich im Augenblick noch nicht verraten, außer, dass alle offenen Handlungsstränge letztlich wieder zusammengeführt werden.
: Ich würde gerne als nächstes einen Roman schreiben, der Alltagssprache enthält. Sechs Jahre lang einen ganz bestimmten Sprachstil durchzuhalten zum Beispiel keine Fremdworte zu verwenden, die auf dem Lateinischen oder Griechischen basieren - war eine immense Herausforderung, aber zu einem guten Teil auch ein Korsett, das ich bald gerne wieder ablegen werde. Vielleicht werde ich eines Tages einmal nach Runland zurück kehren, aber momentan reizt mich Urban Fantasy. Ich habe allerdings noch keine konkreten Pläne. Im Augenblick liegt mein ganzer Fokus auf einem spannenden Ende der »Runlandsaga«.