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... Robin Gates über die »Runlandsaga«, Wolfszeit und Serephim

Robin Gates ... Robin Gates ...
... über die »Runlandsaga«, Wolfszeit und Serephim
 

 Mit »Wolfzeit« ist vor kurzem der dritte Teil von Robin Gates High Fantasy-Epos »Rundlandsaga« erschienen. In seiner ungewöhnlichen Geschichte verbindet der deutsche Autor eine spannende phantastische Handlung mit philosophischen Fragen und erschafft so ein Abenteuer, wie man es in dieser Form nur selten zu Gesicht bekommt. Das Erscheinen des dritten Teils der Saga nahmen wir vom Zauberspiegel zum Anlass, dem Autor einige Fragen zu seiner Erzählung zu stellen.
WolfzeitZauberspiegel: Hallo Robin! Freut mich, dass du pünktlich zum Erscheinen von »Wolfzeit«, dem neuen Band der »Rundlandsaga«, die Zeit findest, dem Zauberspiegel einige Fragen zu beantworten. Legen wir auch ohne Umschweife los!
Bevor wir zum Roman an sich kommen, würde ich gerne ganz am Anfang anfangen, wenn es recht ist. Die »Runlandsaga« ist ja nicht deine erste Fantasyserie, die in der Welt von Runland spielt. Schon die Saga »Der Harfner und der Geschichtenerzähler« spielte in dem von dir geschaffenen Kosmos. Was hat dich dazu veranlasst, diesen erneut zu betreten, statt eine völlig neue Welt zu konzipieren?

Robin Gates: Hallo Jochen! Zuerst hatte ich gar nicht geplant, wieder nach Runland zurückzukehren. Aber ich hatte kaum die ersten Seiten geschrieben, als ich mich bereits erneut in dieser Welt wiederfand. Es hat etwas für sich, mehrere Romane in ein und derselben Welt stattfinden zu lassen – Runland hat in meinen Augen dadurch an Tiefe gewonnen. Die Leser bekommen es mit, dass es eine sehr alte Welt mit einer langen Geschichte ist. So gelangt mehr Fleisch an den Knochen.

Zauberspiegel: Immer wieder spielst du in der Rundlandsaga auf Geschehnisse aus der »Der Harfner und der Geschichtenerzähler«-Trilogie an. Leider ist diese Reihe zurzeit vergriffen. Besteht die Chance, das sie in absehbarer Zeit neu aufgelegt wird?
Robin Gates: Irgendwann möchte ich den »Harfner« noch einmal neu aufgelegt sehen, und zwar dann auch einem Band, denn ursprünglich war er als einzelner Roman geplant gewesen, nicht als Trilogie. Doch ich würde ihn gerne vorher noch einmal überarbeiten, und dazu werde ich in der nächsten Zeit nicht kommen. Dass der »Harfner« aber eines Tages wieder erhältlich sein wird, steht für mich fest.

Zauberspiegel: Bis zu welchem Grad wäre es deiner Ansicht nach wichtig, die Ereignisse aus »Der Harfner und der Geschichtenerzähler« zu kennen, um die »Runlandsaga« in all ihren Facetten zu verstehen? Fehlt dem Leser des neuen Epos viel Hintergrundwissen, wenn er die alte Saga nicht kennt?
Robin Gates: Nein, überhaupt nicht. Das Wenige, was auf die Ereignisse im »Harfner« anspielt, wird in der »Runlandsaga« erwähnt. Man erhält eine zusätzliche Facette, wenn man den ersten Roman kennt, er ist aber nicht notwendig, um die aktuelle Handlung zu verstehen.

Zauberspiegel: Was mich schon immer interessiert hat: Warum hast du erst deine zweite Fantasyreihe »Runlandsaga« getauft und nicht schon deine erste, obwohl diese ja in derselben Welt spielt?
Robin Gates: Runland war im ersten Roman nur der Hintergrund für das große Abenteuer der beiden Hauptfiguren, weshalb ich das Buch auch nach ihnen benannt habe. Jetzt, in der zweiten Erzählung, ist es diese Welt selbst, deren Existenz bedroht wird. Sie ist die heimliche Hauptfigur. Was ich damit meine, wird besonders im letzten Band der Serie mit dem Titel »Die Schicksalsfestung« deutlich werden.

Zauberspiegel: So, kommen wir zur »Runlandsaga«. Als Titel für den dritten Band hast du den Begriff „Wolfzeit“ gewählt, der, soweit ich den Andeutungen aus dem Buch entnehmen konnte, aus der Edda stammt. Kannst du diesen Begriff und den Grund, warum du gerade ihn ausgewählt hast, vielleicht ein wenig näher erläutern?
Robin Gates: Der Begriff „Wolfzeit“, „vargöld“, steht in der Edda als Metapher für eine apokalyptische Endzeit, die sogenannte Götterdämmerung. Auch Runland erlebt im dritten Band seine ganz eigene Endzeit durch den Ansturm der Serephin, von denen die Wächterdrachen, die Grundfesten dieser Welt, einer nach dem anderen vernichtet werden. Gleichzeitig fällt einer Frau, die Wolfsgestalt annehmen kann, die Aufgabe zu, sich jener Wolfzeit entgegen zu stemmen. Mir gefiel dieses Spiel mit dem Bild des Wolfes, der sowohl für den Allverschlinger steht, als auch für die Wildheit der Natur, die gegen ihre Vernichtung aufbegehrt.

Zauberspiegel: Im Roman selbst äußerst ein Protagonist den Begriff „Wolfzeit“ und sagt dazu, dass dieser einer Saga entlehnt ist, die aus einer fernen Welt stammt. Dass Fantasyautoren gerne alte, untergegangene Kulturen ins Spiel bringen, ist allseits bekannt. Dass sie die reale Welt erwähnen, weniger. Was hat dich gerade dazu bewegt? Ausschließlich die Tatsache, dass der Begriff „Wolfzeit“ nun einmal aus der Edda stammt?
Robin Gates: Es sollte eine Erinnerung daran sein, dass die Menschen in meiner Romanserie ursprünglich nicht aus Runland stammten, sondern in längst vergangener Zeit aus ihrer eigenen Welt dorthin flüchteten, als diese unbewohnbar wurde. Fast alle Erinnerungen an ihre Heimatwelt sind inzwischen verloren gegangen, aber einige Bruchstücke ihrer Sagen und Mythen haben die Zeit überdauert, darunter auch jenes Fragment der nordischen Mythologie.

Zauberspiegel: »Wolfzeit« ist nach »Sturm der Serephin« und »Feuer im Norden« der dritte Band der »Runlandsaga«. Wie haben sich dein Verständnis von Runland und von der Geschichte, die du erzählst, im Laufe dieser Zeit entwickelt? Inwiefern hat sich der von dir geschaffene Kosmos erweitert, seit du ihn im ersten Band von »Der Harfner und der Geschichtenerzähler« das erste Mal betreten hast?
Robin Gates: In »Harfner« gab es bereits einige Elemente, die der Welt von Runland Tiefe verleihen sollten. Zum Beispiel tauchte dort schon die bruchstückhafte Erinnerung der Menschen an ihre untergegangene Heimatwelt auf. Aber mein Bild von den Elfen war damals noch stark von klassischer epic fantasy beeinflusst. Erst mit »Sturm der Serephin« wurde Runland von mir tatsächlich in eine komplexe Kosmologie eingebettet, die auch die Geschichte der Elfen und anderer Völker umfasste.
Als ich im November 2003 die ersten Kapitel dieses inzwischen gut sechs Jahre andauernden Projektes in Angriff nahm, hatte ich noch überhaupt keine Vorstellung, in welche Richtung mich diese Geschichte führen würde – außer, dass sie einen Kampf um das Überleben der menschlichen Rasse zum Inhalt hatte. Aber ungefähr zu der Zeit, als ich die Wolfsfrau Neria einführte, stand mir der Showdown am Ende der Saga glasklar vor Augen. Nur, wie ich dorthin gelangen würde – nun, da wies die Landkarte so einige weiße Flecken auf, die erst im Lauf der Jahre verschwanden, als die Geschichte fortschritt.
 
Zauberspiegel: Im Zentrum der »Runlandsaga« steht der Kampf um das Gleichgewicht zwischen Chaos und Ordnung. Das ist überraschend, zum einen deshalb, weil es ein recht philosophisches Grundkonzept darstellt, zum anderen, weil es eben nicht der für Fantasy traditionelle Kampf zwischen Gut und Böse ist, der im Mittelpunkt des Epos steht. Hierzu gleich drei Fragen.
Nummer 1: Was hat dich dazu bewogen, dieses, wie gesagt, recht philosophisch anmutende Thema in den Fokus der Handlung zu stellen? Hat man nicht ein wenig Angst, dass es den Leser ob seiner Komplexität eher abschrecken als anlocken könnte?

Robin Gates: Kein bisschen. Ich traue den Lesern eine Menge zu. Im Mangabereich ist es beispielsweise bereits Gang und Gäbe, dass Charaktere nicht mehr als stereotyp gut bzw. böse dargestellt werden, sondern als komplexe Wesen, die unterschiedliche Ziele verfolgen – und die Leser haben das sehr gut angenommen.
Der Kampf um das Gleichgewicht zwischen Chaos und Ordnung fasziniert mich, weil es ein Konflikt ist, der sich auch in unserer realen Welt in so vielen Bereichen widerspiegelt. Wir selbst sind ein Abbild dieser Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen Polaritäten, ein Kampf um das Finden einer Mitte im Kern dieser ständigen Bewegung, aus der unsere Leben bestehen.  

Zauberspiegel: Nummer 2: Inwiefern, denkst du, lässt sich der Kampf um das Gleichgewicht zwischen Chaos und Ordnung auf den Kampf zwischen Gut und Böse übertragen?
Robin Gates: Beide Kämpfe überschneiden sich, wenn es um die alte Frage geht, ob der Zweck die Mittel heiligt. Es ist wohl deswegen eine so alte Frage, weil es auf sie keine endgültige Antwort gibt. Sie muss in so vielen Situationen immer neu gestellt und beantwortet werden.

Zauberspiegel: Und Nummer 3: Wie stehst du selbst der Tatsache gegenüber, dass in den meisten Fantasyromanen der Kampf Gut gegen Böse im Mittelpunkt steht? Findest du, es sollte mehr Geschichten geben, die von dem Schwarz-Weiß-Grau Prinzip abweichen und komplexere Geschichten erzählen?
Robin Gates: Auf jeden Fall! Wie ich schon geschrieben habe, ist die Zeit längst reif dafür. Spannende Geschichten werden immer wieder bad guys brauchen – aber zumindest sollten es dann keine Abziehbilder sein. Ein großartiges Beispiel für einen gelungenen bad guy ist Ineluki, der Storm King aus Tad Williams´ »Memory, Sorrow and Thorn« [dt. »Das Vermächtnis der Schwerter « bzw. »Die Saga von Osten Ard«, Anm. d. Red.] – Serie, denn man erfährt als Leser Stück für Stück den Grund für seinen verzehrenden Hass. Dadurch erhält er eine Tiefe, die ihn interessant macht.

Zauberspiegel: Neben den Menschen spielt im Wesentlichen ein drachenartiges Volk eine zentrale Rolle in der »Runlandsaga«. Warum gerade Drachen? Was fasziniert dich an diesen Wesen?
Robin Gates: Mich fasziniert an ihnen, dass sie zu unserem globalen mythologischen Erbe gehören. Sie kommen in praktisch jeder Kultur auf dieser Welt vor, von geflügelten oder gehörnten Schlangen bis zum klassischen dungeons & dragons - Ungeheuer. Dieser Facettenreichtum macht sie interessant.

Zauberspiegel: Der Name Serephin lässt ja eher auf Engel schließen als auf Drachen. Wieso hast du gerade diesen Namen für die Drachenartigen in deiner Saga verwendet?
Robin Gates: Etymologisch lässt sich die Engelsbezeichnung „Seraphim“ auf die Wortwurzel „seref“ aus dem Ägyptischen zurückführen. Wörtlich bedeutet der biblische Name „Feuerschlange“. Dieser Name faszinierte mich, seitdem ich ihn zum ersten Mal hörte. Er passte wunderbar zu den Wesen, die mir für meine Romanserie vorschwebten – eine mächtige nichtmenschliche Rasse, deren Schicksal mit dem der Menschen verwoben ist.

Zauberspiegel: Im Nachwort zu »Wolfzeit« erwähnst du, dass die Karte, die du vor vielen Jahren von Rundland gezeichnet hast, eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung deiner Saga gespielt hat. Kannst du das vielleicht ein wenig ausführen? Welche Macht geht, deiner Ansicht nach, von Karten und Zeichnung für die Inspiration eines (Fantasy-)Schriftstellers aus?
Robin Gates: Am Anfang stand tatsächlich eine fiktive Landkarte mit Namen von Gegenden, Bergen, Flüssen und Städten. Sie war eine große Inspiration für mich, weil diese Traumlandschaft meine Neugier weckte. Für Momente vergaß ich völlig, dass ich selbst sie ja gezeichnet hatte, und fragte mich: Welche Geschichten mochten sich hinter diesen Orten und vor allem den Namen verbergen? Welches Volk hatte eines der Waldgebiete „Mondwälder“ genannt, und warum? So begann es...

Zauberspiegel: Kommen wir langsam zum Ende. Kannst du mir vielleicht einen kurzen Ausblick geben auf das, was die Leser im finalen vierten Teil der »Runlandsaga« erwartet?
Robin Gates: Da wir auf den Höhepunkt der Geschichte zumarschieren, wird die Action noch weiter zunehmen. Die Leser werden Zeugen zweier epischer Schlachten werden. Mehr möchte ich im Augenblick noch nicht verraten, außer, dass alle offenen Handlungsstränge letztlich wieder zusammengeführt werden.

Zauberspiegel: Ein letztes: Gibt es schon Pläne für dein schriftstellerisches Schaffen nach Abschluss der aktuellen Saga? Und: Wirst du jemals nach Runland zurückkehren?
Robin Gates: Ich würde gerne als nächstes einen Roman schreiben, der Alltagssprache enthält. Sechs Jahre lang einen ganz bestimmten Sprachstil durchzuhalten – zum Beispiel keine Fremdworte zu verwenden, die auf dem Lateinischen oder Griechischen basieren - war eine immense Herausforderung, aber zu einem guten Teil auch ein Korsett, das ich bald gerne wieder ablegen werde. Vielleicht werde ich eines Tages einmal nach Runland zurück kehren, aber momentan reizt mich Urban Fantasy. Ich habe allerdings noch keine konkreten Pläne. Im Augenblick liegt mein ganzer Fokus auf einem spannenden Ende der »Runlandsaga«.

Zauberspiegel: Vielen Dank, Robin, für deine Zeit, und viel Erfolg auch weiterhin mit der »Runlandsaga«!

Das ist Robin Gates:
Robin Gates, geboren 1967, lebt in der Nähe von Hannover. Er veröffentlichte Essays zu mythologischen Themen in Zeitschriften wie der AHA und beschäftigt sich mit Mythen und Sagen verschiedenster Völker, um sich davon für seine Erzählungen inspirieren zu lassen. Dabei ist er in der Tradition des klassischen mündlichen Geschichterzählers verwurzelt und nimmt gerne Gelegenheiten wahr, aus seinen Büchern vorzulesen - aktuell seinen Beitrag »Schlangenblut« der zweibändigen Kurzgeschichtenanthologie »Dark Ladies«, die im Frühjahr 2009 im Fabylon Verlag herauskam.    
Zwischen 2003 und 2004 wurde sein erster Fantasyroman, »Der Harfner und der Geschichtenerzähler«, in drei Teilen veröffentlicht.    
Die »Runlandsaga« ist sein zweites Werk, dessen Handlung in der von ihm geschaffenen Welt Runland spielt. Bisher erschienen drei Bände dieser auf vier Teile ausgelegten Romanserie im Buchhandel: »Sturm der Serephin«, »Feuer im Norden«, und zuletzt »Wolfzeit«. Der Abschlussband der Runlandsaga mit dem Titel »Die Schicksalsfestung« wird voraussichtlich im Frühjahr 2010 veröffentlicht werden.    
Zu Robin Gates´ Website.

 

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