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... Wolfhart Luther über Bastei, Lübbe, Außendienst und Verlagsleitung

Wolfahrt Luther ... Wolfhart Luther über Bastei, Lübbe, Außendienst und Verlagsleitung

Wolfhart  Luther war in drei Jahrzehnten als eine Art Schlüsselfigur mit dem Verlegen von Heftromanen befasst. Zunächst war er im Außendienst bei Bastei, avancierte in Bergisch Gladbach dann zum Verlagsleiter. 1968 wechselte er dann zu Pabel, um auch dort für Erich Pabel den Verlag zu leiten, bis er dann zusammen mit seiner Frau den Luther und den Erber-Verlag aufbaute. In dem erschien der legendäre »Dr. Morton«.

Grund genug, ein mehrteiliges Interview mit dem inzwischen 83jährigen zu führen. Trotz Stress machte er begeistert mit und steuerte aus seinem Archiv Fotomaterial bei.

 

Zauberspiegel:  Hallo Herr Luther, sie haben unter Gründgens als Intendant den Beruf des Schauspielers in Düsseldorf erlernt. Wie kommt man von den ›Brettern, die die Welt bedeuten‹ zu Gustav H. Lübbe und den Bastei Verlag?
Wolfhart Luther (1947) Wolfhart Luther: Mit 10 Jahren als Knappe mit Erna Schlüter und Josef Greindl in PARSIFAL von Richard Wagner im Opernhaus Düsseldorf. Dann als Schüler Beleuchter, Gesangsunterricht bei Helmuth Fehn (Bass Bariton), Franz Reinhardt und Maria Alex Sprechtechnik und Schauspielunterricht.
Einrichtung der neuen Bücherei im HJ-Bann 39 Düsseldorf, Gründung der HJ-Laienspielschar. Schreiben des Trauerspiels "Andreas Hofer". Sehr gute Kontakte zu Herbert Eulenberg, unserem jahrzehntelangen Chefdramaturg in Düsseldorf.
Im zweiten Weltkrieg Rettungseinsätze während alliierter Bombenangriffe: Frauen, Kinder, Greise zu Tausenden schwer verletzt oder tot geborgen. Mehrfach Organisation und Gedichtvortrag zur Beerdigung von vielen tausend Bombenopfern auf dem Nordfriedhof Düsseldorf.
HJ-Haupt-Lagermannschaftsführer mit 3000 Schülern aus Düsseldorf  (in Bad Wörishofen) in Landsberg/Lech beim ersten Düsenjäger-Testflug mit General Galland ("Du glaubst, dich schiebt ein Engel"). Da war ich schon Luftwaffen-Offiziersbewerber. Zuvor Reichsarbeitsdienst.
Auf Wunsch vom Vater Ausbildung zum Steuerinspektor, Berufung ins Beamtenverhältnis zum 1.4.1944. Bombenwache im Finanzamt Düsseldorf-Süd bei Luftangriff und Rettung vor Brandbomben mit Kameraden. Dafür nach dem Luftschutzorden noch das Kriegsverdienstkreuz.
Wir unterhielten gute Beziehungen zu Reichsfinanzminister Graf Schwerin von Krosigk . Aber als mein Vater nach Kriegsende entlassen wurde, schenkte ich meinem damaligen Chef im Finanzamt Düsseldorf-Nord meinen Beamten-Status per 1.6.1946 und trat am selben Tag bereits als Schauspieler im Theater des Westens auf. (siehe Zusatzinfo: Wolfhard Luthers Rollen).
In Wohnung der Schwiegereltern waren zwei beschlagnahmte Zimmer an eine fremde Familie vermietet, deren Ehemann die Abonnenten vom WOCHEND (Olympia-Verlag) betreute, jedoch die Abogelder falsch oder gar nicht abrechnete. In meiner Abwesenheit fragte ein Kontrolleur aus Nürnberg meine Frau, ob sie jemand wisse, der einspringen könne. Sie schlug mich vor. Ich stieg ein, wurde kurz darauf Vertreter für NRW und anliegende Gebiete. Dazu kam das SPORT-MAGAZIN (heute KICKER) mit Samstag und Sonntagsarbeit auf den Plätzen der Oberliga West. Nach sechs Jahren wurde der Außendienst eingestellt.
Ich ging zum LIBELLE-Verlag, Chefredakteur Heinz van Buggenum. Der holländische Verlag verkaufte nach drei Jahren an IHRE FREUNDIN, Karlsruhe.
Van Buggenum kannte Lübbe von der Osnabrücker Zeitung und wusste von dem kleinen Verlag, den er von seinem Schwager übernommen hatte. Wir fuhren nach Bergisch-Gladbach und schlossen beide die Verträge ab.

Zauberspiegel:  Was war Gustav Lübbe für ein Mensch? Was zeichnete ihn aus? Wie hat er seinen Verlag geführt?
Wolfhart Luther: Lübbe war ein Mann, der das Können seiner Leute erkannte und sie richtig einsetzte. Nur so gelang der rasante Aufstieg. Gustav Lübbe ließ Mitarbeiter selbständig handeln, wenn diese ihn begriffen und er mit ihnen einig war. Privat trafen wir uns in den Restaurants in Altenberg, in der Bastei Köln, oder in der Bar gegenüber Madaus-Pharma, wo der Pianist bei unserem Eintreten sofort den Jerry-Cotton-Marsch spielte. 

Zauberspiegel: Sie sind im Vertrieb bei Bastei angefangen und waren als Reisender tätig. Horst Hübner erzählte immer, dass dieser Vertriebs-Außendienst das Erfolgsgeheimnis des Verlages war. Stimmt das? Und wenn es stimmt: Worin bestand das Geheimnis des Bastei-Außendienstes?
Wolfhart Luther: Die Romane waren gut verkäuflich, weshalb der Außendienst voll zuschlagen konnte. Erst waren es drei Vertreter, dann acht. Mein Bezirk reichte von NRW über Rheinland-Pfalz bis zu ganz Südwest, Schweiz, Südtirol und Italien.
Das ganze Geheimnis bestand in unermüdlicher Arbeit. Natürlich kannten wir die Daten von Grossisten und Bahnhofsbuchhändlern, mit fast allen war man persönlich bekannt. Ich traf mich mit mehreren öfter privat oder in ihren Ferienhäusern.

Zauberspiegel: Gab es auch den Fall, dass es eine Art Ideenaustausch zwischen Außendienst und den Romanredaktion gab. Brachten also Sie als Außendienstler Anregungen mit in den Verlag?
Wolfhart Luther: Anregungen von Außen gab es massenhaft. Die Wichtigste: das Herauslösen der JERRY-COTTON-Romane aus der BASTEI-Kriminalroman-Reihe, der Kontakt zum Autor  Kaufmann. Dann das Reinpauken der Auflage ins Grosso, in die Babus usw.

Zauberspiegel
: Dann kam die Zeit, da sie Verlagsleiter wurden. Wie sind Sie das geworden? Welche Aufgaben hatte der Verlagsleiter bei Bastei? Haben Sie auch in redaktionelle Belange eingegriffen? Gab es neben Chef Lübbe denn überhaupt Platz, um zu gestalten?
Gustav Lübbe stehen, Wolfhart Luther (sitzend links von Lübbe) Wolfhart Luther: Verlagsleiter wurde ich nach einem Gespräch mit Herrn Lübbe beim Urlaubs-Spaziergang am Murtensee CH, als ich ihm sagte, dass es für mich im Außendienst langweilig ist und ich eine neue Herausforderung brauche. Da reagierte er schnell – das war eben Lübbe. Verantwortlich für den Vertrieb war neben den drei Vertriebsleitern Süd, Nord und Ausland der Hauptvertriebsleiter Helmuth Gutowski (ehemaliger Waffen-SS-Hauptsturmführer), womit die unglaubliche Schlagkraft des Vertriebs ausreichend erklärt ist.
Als Verlagsleiter verantwortete ich die Titelkonferenzen, koordinierte die Arbeiten der einzelnen Abteilungen, die Herstellungsfragen, Anzeigenverwaltung, Kostenkontrolle, Postbearbeitung, soziale Einrichtungen und eine Reihe von Sonderaufgaben, für die ein spezieller Impuls notwendig war. Wichtig war die Installation Datenverarbeitungsanlage, Fotolabor und Fernschreiber. Außerdem beaufsichtigte ich die Erstellung eines Neubaus und den Betriebsablauf. Herr Lübbe beauftragte mich mit den Kontakten zu unserem Rechtsanwalt und der Erledigung der anfallenden Rechtsfragen. Die Durchführung von Betriebsausflügen und Betriebsfesten, Straffung der Hausverwaltung, alle Kontakte zu Kollegenverlagen und v.a. erledigte ich im Sinne von Herrn Lübbe

Zauberspiegel: Was waren zu ihrer kompletten Zeit bei Bastei die Bestseller? Fragen wir mal nicht konkret nach Auflagen. Aber Gerüchten zu Folge waren verkaufte Auflagen von 100.000 nichts Ungewöhnliches. Stimmt das?
Wolfhart Luther: Bestseller wurden SILVIA, JERRY COTTON und BASTEI-Rätsel, nachdem das Team zwei bis drei Jahre voll im Einsatz war.

Zauberspiegel: Wurde zu Ihrer Zeit bei Bastei Marketing und PR betrieben? Wenn ja, wie sah das aus?
Wolfhart Luther und Lou van Burg (Der goldene Schuss) Wolfhart Luther: Marketing, PR = Werbung: Unermüdlicher Einsatz. z.B. ich ließ per Hubschrauber zum Anpfiff von Bundesligaspielen den JERRY-COTTON-Ball abwerfen, Einsatz von TV-Prominenten wie Lou Van Burg usw. Die kamen in den Verlag und dann nicht mehr aus dem Staunen raus.

Zauberspiegel: Jerry Cotton ist das Erfolgsmodell Basteis. Zu Ihrer Zeit in der Verlagsleitung entstanden zum Beispiel die acht Kinofile mit George Nader in der Titelrolle und Heinz Weiss in der Rolle des Phil Decker. War der Verlag (vielleicht gar Sie) in die Dreharbeiten eingebunden? War der Verlag auch in die Entwicklung der Drehbücher eingebunden?
Wolfhart Luther: Die Kinofilme JERRY COTTON. Produktion (Heinz Willeg) und Regie (Fritz Umgelter, Harald Philipp, Helmut Ashley u.a.) waren neben dem Verleih (Constantin-Film, Bartels)) und den erstklassigen Darstellern Garanten für Erfolg. Das Titelbild vom Filmtaschenbuch 1 „Schüsse aus dem Geigenkasten“ mit Hans.E. Schons stammt von Wolfhart Luther. Regisseur Fritz Umgelter hatte zuvor den erfolgreichen TV-Mehrteiler „Soweit die Füße tragen“ mit Heinz Weiss gedreht. Meine Aufgabe bestand in Unterstützung der Aufnahmen (Berlin, Bavaria München,  Studio Hamburg Gyula Trebitsch und Claus Kühn), Promotion in mehreren Städten unter Einbeziehung von Darstellern in den wichtigsten Kinos. Kontrolle der Drehbücher gehörte dazu. Am Set musste aufgepasste werden, dass G. Nader als Nichtraucher wenigstens immer eine Zigarette zwischen den Fingern hatte.

Zauberspiegel
: Jerry Cotton gab es ja nicht nur im Heft. Es gab Piccolos, die so genannten »Schokokrimis« und andere Sonderauflagen. Es gab die Suche via »Bravo« nach einem Hauptdarsteller. Inwieweit waren Sie der Taktgeber für solche Aktionen?
Helga Schon, George Nader, Frau Lauer, Wolfhard Luther Wolfhart Luther: JERRY COTTON-“Schokokrimis“ und die wenigen Fehlschläge kamen nach meiner Zeit.
Die Jerry-Cotton-Darstellersuche war Sache der Produktion Heinz Willeg, bei der wir auch Vorschläge machten. Aber z. B. beim Hauptdarsteller habe ich alle deutschen Darsteller abgelehnt. Es sollte auf alle Fälle ein Amerikaner sein. Mit Heinz Willeg hatte ich einen sehr guten Partner mit Ideen zum Einsatz von Darstellern und Szenengestaltung, dazu die Regisseure Umgelter, Philipp.
Übrigens: mit Helga Schlack, die später Hans E. Schons heiratete, habe ich im Ruhrgebiet mal Promotion gemacht. Schons habe ich sein kurz gebrauchtes BORGWARD-ISABELLA-Coupe abgekauft. Er hat mich  auf der Fahrt zum Dreh in Berlin vor einem Zugriff der Ost-Polizei bewahrt, weil ich eine Pistole im Handschuhfach hatte.

Zauberspiegel: Unter Ihrer Verantwortung, wie hat sich der Verlag vom Umsatz her entwickelt?
Wolfhart Luther: Der Umsatz hat sich in meiner Zeit um das 28-fache erhöht.


Wolfhart Luther als Eilers in Des Teufelks Grneral Rollen (Auswahl):
Bühne
Stück: »Don Carlos« von Friedrich Schiller
Rolle: Don Carlos

Stück: »Hamlet« von William Shakespeare
Rolle: Hamlet

Stück: »Romeo und Julia« von William Shakespeare
Rolle: Romeo

Stück: »Was ihr wollt« von William Shakespeare
Rolle: Bleichenwang

Stück: »Iphigenie auf Tauris« von Johann W. Goethe
Rolle: Orest / Pylades

Stück: »Egmont« von Johann W. Goethe
Rolle: Ferdinand / Brakenburg

Stück: »Weh dem, der lügt« von Franz Grillparzer
Rolle: Atalus

Stück: »Marai Magdalene« von Friedrich Hebbel
Rolle: Sekretär

Stück: »Ratten« von Gerhard Hauptmann
Rolle: Spitta

Stück: »Des Teufels General« von Carl Zuckmayer
Rolle: Eilers



...und viele weitere mehr

Film
Nebenrolle in der Operretten-Verfilmung "Hochzeit mit Erika" (D 1950)
Regie: Eduard von Borsody
nach: Eduard Künnecke
mit: Marianne Schönauer und Wolfgang Lukschy


Weitere Gespräche mit Wolfhart Luther
... Wolfhart Luther über Wechsel, Übernahmen und Beobachtung

... Wolfhart Luther über viel Arbeit, Reisen nach England und Grenzüberschreitungen

... Wolfhart Luther über Gründgens, Verleger und Grundsatzfragen

Kommentare  

#1 Postman 2010-08-18 02:03
Sehr interessant aus alten Tagen zu hören.
Als Leser merkt man jedoch an den knappen wohl unzensierten Antworten deutlich die militärische Vergangenheit und den Stolz des deutschen Wirtschaftswunders.

Nur den Spruch mit dem Waffen-SS-Hauptsturmführer fand ich persönlich etwas daneben, da kann sich jeder wohl seine eigenen Gedanken darauf machen wie dies wohl gemeint sein könnte...
#2 c.r.hays 2010-08-18 02:23
Na, das wäre doch jetzt einmal eine gute Gelegenheit, die Identität der 'Dr. Morton'-Autoren zu erfragen...
#3 Harantor 2010-08-18 02:29
Da darf ich auf den kommenden Mittwoch verweisen. Da kommt das Interview zum Thema Erber-/Luther Verlag und eben auch Dr. Morton, das Uwe Schnabel und ich führten. Ob wir den Namen bekommen haben? - You have to wait with baited breath...
#4 G. Walt 2010-08-18 15:51
Ohhhh, das werden ja noch interessante Fortsetzungen. Dr. Morotn interessiert sich nicht nur mich besonders.
#5 Loxagon 2010-09-01 10:37
Fragt lieber wann der Doktor mal neu aufgelegt wird. Hier würde sich eine 1:1 Zweitauflage doch anbieten. Natürlich mit Abschluss der Saga wo Morton am Ende des "Der Lord" Zyklus gekillt oder verhaftet wird. Er gehört zumindest hart bestraft, seine Helfer ebenso.

Sicher, die Reihe ist Trash, aber ich fand viele Ideen ganz nett und die Romane die ich kenne (zu wenige, leider) lesen sich alle sehr flott. Aber die Index-Romane sind allesamt, die ich kenne, harmlos. Da sind "Non-Index" Romane dabei die wirklich brutaler und blutiger sind!
#6 Billy the Pig 2010-10-31 18:11
Wenn schon eine Dr. Morton-Zweitauflage, dann bitte auch mit den herrlich trashigen Coverillustrationen von damals, für die ein gewisser "Thomas" verantwortlich zeichnete.

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