... Pascal Hermeler über Abgründe und Poetry Slam
Zu spät Eine Geschichte von Abgründen (Auszug)
Es ist dunkel, kalt, geräuschkarg und einsam hier genau richtig! spricht er in sich hinein und verharrt in Bewegungslosigkeit verfallen hinter den Büschen der einsamen Landstraße... es ist Freitagnacht, in wenigen Minuten blättert die Zeit um und ein neuer Tag beginnt. Es ist nur eine Frage der Geduld. Sie kommen alle hier vorbei sprechen seine Gedanken und er schweigt still... Kälte, Feuchtigkeit, Einsamkeit und Dunkelheit, machen ihm nichts aus denn er schwebt, schwebt höher als jedes andere Individuum und er wartet!
Im Dorf nahe der Landstraße verlässt Marie angetrunken aber dennoch zurechnungsfähig die Disco, sie ist allein - ihr Freund und die anderen sind noch dort -Tränen überschallen ihre Wangen und sie will einfach nur fort, fort von hier, nach Hause oder sonst wohin. Sie kramt den Schlüssel ihres Rades heraus, schließt das Schloss auf packt es in ihre Tasche, stellt diese in den Fahrradkorb, nimmt es aus dem Radständer, setzt sich darauf und fährt los. Du Arschloch, du gnadenloses Arschloch! Du wirst mich nie wieder sehen! sagt sie Aber du wirst von mir hören flucht sie und schwankt ein wenig beim Radfahren, sie gelangt langsam auf die Landstraße, ihr Licht weist ihr den Weg durch die Dunkelheit.
Wie recht sie hat, wenn sie sagt du wirst noch von mir hören und wie naiv sie doch ist zu denken das er sie nie wieder sieht.
Die feinen Ohren der Menschgewordenen Bestie erschnappen das Speichengeräusch der fremden Radfahrerin, seine Augen sind das einzige was in der Dunkelheit aufblitzt. Helle blaue, starrende, kühle Augen.
Sie singt leise ein kleines Lied um Ihre Angst hier in der Dunkelheit zu verdrängen, doch immer wieder nimmt sie Schattenspiele ihrer Phantasie war und fürchtet sich vor dem glucksen des Kreuzchens und vor dem mahnen der Laubbetten, welches wenige Zeit später ihr eigenes werden wird.
Nun sieht er sie, macht sich bereit für einen Sprung aus dem nichts.... aus der Jackentasche holt er ein Tuch und eine Flasche mit einer gefährlichen Flüssigkeit. Er lässt einige Tropfen mit dem Tuch eins werden und wartet auf den passenden Moment.
: Es ist der heftigste Text, den ich habe. Er handelt von Missbrauch und Mord. Das Buch voller Abgründe besteht aus kurzen Texten von maximal 7 Minuten Vortragslänge. Alle Texte handeln von "Abgründen". Es geht um all das, was hinter verschlossenen Türen geschieht - aber nicht ausgesprochen wird.
: Ich habe diesen "Zu Spät"-Text unter Angstzuständen geschrieben, aber ich hatte das Gefühl, dass dieser Text geschrieben gehört. Weil genau das irgendwo geschehen ist, und ich es erzählen muss. Es ist außerdem der einzige Text, den ich bis heute nicht vorgetragen habe, weil ich mich dazu nicht befähigt sehe. Er ist circa ein dreivertel Jahr alt.
: Es ist ein klassisches Poetry Slammer Buch. Alle Texte sind Slamtexte. Daher für einen Vortrag konzipiert und nicht wie z.B. ein Roman geschrieben.
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: Ein Poetry Slam ist ein moderner Dichterwettstreit, bei dem mehrere Autoren selbstgeschriebene Texte innerhalb einer individuellen Zeitvorgabe präsentieren müssen. Jene Texte werden immer von einer Jury, die meist aus dem Publikum besteht, bewertet.
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: Ich bin ein Slammer, weil mich diese Art mit direkter Publikumskonfrontation begeistert. Ich habe die Möglichkeit, direkt mit meinem Publikum zu kommunizieren. Außerdem gibt es ganz tolle Menschen innerhalb dieser "Community".
: Weil ich "bühnengeil" bin. Ich brauche die Bühne und brauche das Publikum. Anders kann ich's nicht erklären. Naja, man hört dir zu was du zu sagen hast und man jubelt dir zu - oder schweigt dich an bzw. buht.
: Etwas über ein Jahr. Ich habe ja 2008 einen Roman veröffentlicht. Und bei einer normalen Lesung auf der Leipziger Buchmesse wurde mir gesagt, dass meine Art vor zu lesen sehr lebendig ist. Und ich mich mal mit Slam Poetry auseinander setzen sollte. Außerdem bin ich in der Alphabetisierung tätig und habe Infoveranstaltungen für den Bundesverband Alphabetisierung gehalten.
: Naja, weil ich neue Städte kennen lernen kann. Weil ich neue Menschen kennen lerne, weil ich mich immer neu ausprobieren kann. Ich habe in einem Jahr circa 110 Slams besucht und an circa 90 Slams teil genommen. Ich verdiene damit, mit Workshops und Webdesign mein Geld.
: Sie sind 1986 in Chicago entstanden. Es gibt in Deutschland eine Szene, die sich über Myslam.net vernetzt und plant. Man findet da alle Termine, teilweise sogar über den großen Ozean hinaus
: Ich bin selber ehemaliger funktionaler Analphabet und konnte bis zu meinem 11 Lebensjahr nicht schreiben. Ich habe eine auditive Wahrnehmungsstörung. Daraus resultierte eine Legasthenie.
: Dass ich darauf achte immer konzentriert zu arbeiten, weil sich sonst wieder heftigste Fehler einmischen. Die Workshops sind zum Thema mit Problemen umgehen und an ihnen wachsen. Ich erzähle Geschichten über mich. Meine Geschichte, was mich gefestigt hat. Ich glaube, dass jeder Mensch gefestigt werden kann... Aber auch warum ich denke, dass in jedem Menschen ein Wesen steckt, das in der falschen Situation etwas falsches tun kann.
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