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... Alfred Wallon über Cowboys, Indianer und historische Wahrheit im Westernroman

Al Wallon ... Alfred Wallon ...
... über Cowboys, Indianer und historische Wahrheit im Westernroman

Seit 2008 erscheint im Mohlberg-Verlag Alfred Wallons historische Westernserie „Rio Concho“. Bisher sind sieben Bände erschienen. Weitere werden folgen. In loser Folge werden die Romane im Zauberspiegel besprochen.

Aus diesem Anlass hat sich Alfred Wallon etwas Zeit genommen, und im E-Mail-Interview ein paar Fragen zu seiner Person, zu Rio Concho und zum historischen Western im Allgemeinen beantwortet.

Alfred WallonZauberspiegel: Wer ist Alfred Wallon? Bitte stellen Sie sich den Lesern des Zauberspiegels vor.
Alfred Wallon: Ich bin Jahrgang 1957 und lebe in der Gemeinde Ebsdorfergrund zwischen Marburg und Gießen – also mitten in Hessen. Ich interessiere mich nicht nur für Western, sondern auch für Country-Music und bin in letzter Zeit etwas öfter „on the road“. Sowohl mit Lesungen als auch weiteren PR-Terminen.

Zauberspiegel: Wie kamen Sie zum Schreiben?
Alfred Wallon: Ich wollte das wahrscheinlich schon immer, nur war mir das nie so bewusst klar. Dass ich schon lesen konnte, bevor ich die Grundschule betrat, hat vermutlich auch frühzeitig mein Interesse an den Western-Heftromanen meines Vaters geweckt, die er gerne las. Die habe ich dann zwangsläufig auch gelesen und kam dadurch in Berührung mit dem Western-Genre. Ich habe sehr viele Heftromane gelesen und kenne fast jede Serie, die seit Anfang der 70er-Jahre auf dem Markt war.

Zauberspiegel: Wie kamen Sie zum historischen Western?
Alfred Wallon: Irgendwann will man natürlich wissen, was Fiktion und was Wahrheit ist. Deshalb habe ich mehr herauszufinden versucht. Anhand von Sachbüchern, die in den 70er-Jahren noch sehr spärlich gesät waren. Und das Internet war noch in weiter Ferne. Demzufolge musste man noch in Antiquariaten nach passender Sekundärliteratur suchen. Nachdem ich mir dann ein bescheidenes, aber sehr nützliches Archiv angelegt hatte, war der Grundstock vorhanden, um mich jederzeit informieren zu können.

Zauberspiegel: Wer sind Ihre literarischen und / oder cineastischen Vorbilder?
Alfred Wallon: Mein Vorbild unter den deutschen Autoren ist der 2001 verstorbene Autor Peter Dubina, der unter den Westernautoren auch heutzutage immer noch eine Ausnahme ist. Seine Romane sind gezeichnet von düsteren und zerrissenen Charakteren, und meistens gibt es kein Happy-End. Das hat mich schon damals fasziniert. Bei den amerikanischen Autoren sind es Elmer Kelton für sein Lebenswerk, Terry C. Johnston für seine akkurat recherchierten historischen Romane und William W. Johnstone für seine mittlerweile knapp 150 Western, die inhaltlich alle mit einem roten Faden verbunden sind und ein in sich geschlossenes Universum darstellen.

Zauberspiegel: Für Ihre Western ist sicherlich eine intensive Recherche nötig. Wie gehen Sie dabei vor? Was sind Ihre Quellen?
Alfred Wallon: Ich habe schon so viel über die amerikanische Geschichte gelesen, dass ich im Grunde genommen schon vorher weiß, welchen Zeitraum bzw. welches Ereignis ich auswählen möchte. Sobald dies feststeht, recherchiere ich mehr über die Zeit, den Hintergrund und alle darin verwickelten historischen Persönlichkeiten. Die Library of Congress in den USA ist z. B. frei zugänglich per Internet und liefert mir z. B. aus der Civil War-Epoche unzähliges Bild- und Textmaterial. Wenn ich dann noch weiter ins Detail gehen möchte, gibt es amerikanische Fachbücher, die über Amazon nur einen Mausklick entfernt sind und die ich dann lese, bevor ich den Roman beginne.

Zauberspiegel: Wie ist die Idee zu „Rio Concho“ in den 1980er-Jahren entstanden?
Alfred Wallon: Schuld daran ist die TV-Serie HIGH CHAPARRAL, die ich Mitte der 70er-Jahre sehr gerne gesehen habe. Mir schwebte eine Ranchwesternserie in Form eines historischen Unterbaus vor, mit möglichst differenzierten Charakteren und einer großen Bandbreite. Den eigentlichen Anstoß gab aber ein Roman namens RANCHO BRAVO von einem gewissen Thorne Douglas, der 1973 als Band 1 der STAR WESTERN-Taschenbuchreihe des Pabel-Verlages erschien. Thorne Douglas war ein Pseudonym des Autors Benjamin Haas. Er schrieb auch unter dem Namen John Benteen die Serien SUNDANCE und FARGO. Ich nannte die Ranch in meinen Romanen ebenfalls Rancho Bravo und wählte den gleichen Schauplatz, nur eben mit anderen Figuren.

Zauberspiegel: Rio Concho ist eine breit angelegte Westernserie mit vielen Haupt- und Nebendarstellern und wechselnden Schauplätzen. Bitte erläutern Sie uns Ihr Konzept.
Alfred Wallon: Es sind die Personen und deren Vielfalt. Zum einen wären da Tom Calhoun und seine beiden Söhne John und Billy, die in West-Texas eine Ranch an der Grenze zum Comanchenland aufbauen. Toms Frau wird bei einem Überfall getötet, und sein jüngster Sohn Billy später von Comanchen entführt.
Toms Bruder Amos ist Colonel bei den Texas-Rangers und dessen Sohn Jess ebenfalls. Der Neffe Larry Calhoun und dessen Bruder Will sind für die Pinkerton-Detektei tätig und ein weiterer Verwandter namens Ezekiel Calhoun erzählt einige Kapitel aus seiner Zeit als Trapper und Mountain Man. Der Abenteurer Roy Catlin brachte die Calhoun-Familie seinerzeit nach Texas, zog weiter nach Mexiko und wurde dann sowohl in die Revolution als auch in die Apachenkriege verwickelt. Jay Durango, der Vormann von Tom Calhouns Ranch, war früher Lieutenant in der konföderierten Armee und erlebt zur Zeit seine Soloabenteuer in der Serie CIVIL WAR CHRONICLES. Und wenn der Bürgerkrieg zu Ende ist, wird er dann irgendwann auf Rancho Bravo auftauchen. Dieses Konzept steht schon seit 30 Jahren so fest – und ich nähere mich allmählich der „Vollendung“, wenn man so will. Ich denke, dass man mit diesem Personenpotenzial nahezu alle Bereiche der amerikanischen Pioniergeschichte abdecken kann. Das genau ist das Besondere an RIO CONCHO.

Alfred Wallon im FeldlagerZauberspiegel: Was erwartet den Neuleser der Westernreihe?
Alfred Wallon: Ein epischer historischer Bilderbogen, den es in dieser Konzeption sonst nirgendwo mehr gibt.

Zauberspiegel: Was darf der Fan, der die Serie bereits kennt, erwarten?
Alfred Wallon: Einige Überraschungen, denn die ersten beiden Bände der neuen Serie aus dem Mohlberg-Verlag beinhalten meine ersten vier Western, die ich 1981 und 1982 für den Kelter Verlag geschrieben habe. Das waren ebenfalls Rio Concho-Romane ...

Zauberspiegel: Schon in „Die Cowboys von Rancho Bravo“ lassen Sie historische Persönlichkeiten auftreten, die mit den fiktiven Helden Ihrer Serie zusammentreffen; wie z. B. Bear River Tom Smith, den Sheriff von Abilene und in „Aufstand der Verzweifelten“ General Sherman. Wie passt das zusammen?
Alfred Wallon: Das ist eine der leichtesten Übungen, wenn man historische Romane schreiben will. Man muss nur die fiktiven Figuren an die Seite der historischen Figuren stellen, ohne dass diese den Lauf der historischen Handlung verändern. Dazu bedarf es natürlich eines größeren Aufwandes, aber es macht Spaß ...

Zauberspiegel: Sie beschreiben Städte und Orte sehr detailreich. Bei Städten wie Abilene stelle ich es mir leicht vor, historisch genaue Informationen zu erhalten. Aber bei Orten wie Fort Sill ist es bestimmt schwieriger. Wie historisch korrekt sind Ihre Angaben? Wie oft müssen Sie spekulieren bzw. logisch herleiten?
Alfred Wallon: Wie schon gesagt, kann man heutzutage fast alles im Internet recherchieren. Auch alte Fotos und Landkarten. Ich kann aufgrund dieser Kenntnisse schon ein recht genaues Bild schildern, allerdings halte ich mich da im Rahmen des Üblichen. Es wäre sicher zu viel verlangt, wenn ich erwähne, wie viele Häuser auf der linken Straßenseite standen und wie viele auf der rechten. Das ist für den Verlauf der Handlung nicht so wichtig. Die Anwesenheit von historischen Persönlichkeiten aber umso mehr.

Zauberspiegel: Die amerikanische Geschichtswissenschaft schreitet stetig voran, fördert neue Erkenntnisse auch über den Wilden Westen zu Tage. Wie halten Sie sich auf dem Laufenden? Und welche möglichen Auswirkungen hat das auf Ihre 30 Jahre alte Serie „Rio Concho“?
Alfred Wallon: Ich versuche mich immer auf dem Laufenden zu halten, mal etwas mehr, mal etwas weniger. RIO CONCHO ist zwar eine ältere Serie, aber da ich in den bisher erschienenen sieben Bänden auch schon neue und erweiterte Handlungsszenarien mit eingebaut habe, ist immer etwas in Bewegung. Und wie schon gesagt, das Personenpotenzial lässt jede Menge an zusätzlichen Entwicklungen zu.

Zauberspiegel: Sie sind Mitglied bei den „Western Writers of America“, einer der wenigen Europäer. Was ist das für eine Organisation? Wie kam es zu Ihrer Mitgliedschaft?
Alfred Wallon: Die Western Writers of America ist der Verband der amerikanischen Westernautoren. Alles, was Rang und Namen in den USA hat, ist dort vertreten. Ich habe mich dafür interessiert und mir die Aufnahmebedingungen angefordert. Wenn man so will, ist es eine Vereinsmitgliedschaft. Aber seit ich dort mit dabei bin, hat mir das ganz viele Türen geöffnet, von deren Existenz ich zuvor gar nichts wusste. So kam ich z. B. in Kontakt mit meinem englischen Kollegen David Whitehead, der im übrigen auch eine Vorliebe für John Benteens Romane hat. Dies resultierte in einer Zusammenarbeit. David und ich haben unter dem Pseudonym Doug Thorne zwei englische Western geschrieben, die 2008 und 2010 beim Verlag Robert Hale in London als Hardcover erschienen sind.
Und das werden nicht die letzten gemeinsamen Aktivitäten sein ...

Zauberspiegel: Der klassische Western ist aus den Programmen der großen Publikumsverlage verschwunden. Was glauben Sie, sind die Gründe dafür?
Alfred Wallon: Ganz einfach: die Entscheider an den betreffenden Stellen und die Vertriebsleute glauben nicht mehr daran. Oder was ich noch für viel schlimmer halte: Sie haben keine Ahnung von diesem Genre. Weil sie entweder nur Karl May mit Western verbinden oder gewisse Sex- und Action-Western eines anderen Verlages. Dass ein historischer Western auch hierzulande noch seine Leser findet, stellen meine Verlage seit vier Jahren unter Beweis und haben erfreulicherweise im Barsortiment diese Lücke geschlossen. Wer historische Western sucht, weiß mittlerweile, wo man sie findet.

Alfred und die IndianerinZauberspiegel: Der Markt für Western beschränkt sich heute hauptsächlich auf Kleinverlage und Heftromane. Welche Gründe gab es für eine Neuauflage von „Rio Concho“?
Alfred Wallon: Mein Verleger Heinz Mohlberg war der festen Überzeugung, dass man auch heutzutage noch eine klassische Western-Serie publizieren und verkaufen kann. Er selbst kannte die Romane aus früheren Zeiten und war daran interessiert, eine Paperbackausgabe zu starten. Die positive Resonanz der Leser und des Barsortiments bestätigen diese Entscheidung.

Zauberspiegel: Wie sieht die Zukunft des Westernautors Alfred Wallon aus? Was sind Ihre Pläne?
Alfred Wallon: Der 2004 verstorbene amerikanische Westernautor William W. Johnstone hat einmal gesagt „...the West lives on. And as long as I live, it always will...“ Genau so sehe ich das auch. Oder konkret ausgedrückt: RIO CONCHO läuft so lange, wie der Leser das durch seine Kaufentscheidung unterstützt. Die ebenfalls bei Heinz Mohlberg erscheinende Serie CIVIL WAR CHRONICLES war ursprünglich nur auf 6 Bände angelegt. Die Resonanz ist aber so gut, dass mich der Verleger gebeten hat, weitere Bände zu schreiben.
Im Persimplex-Verlag sind ebenfalls bisher vier historische Western- und Indianerromane von mir als Hardcover erschienen. Im Herbst dieses Jahres startet dort die von mir konzipierte Buchreihe PATHFINDERS – alles Romane um Mountain-Men, Trapper und Entdecker. Den Auftakt bildet der Roman JEDEDIAH SMITH, es folgt im kommenden Frühjahr ein Roman über DANIEL BOONE. Und im BLITZ-Verlag erscheint im kommenden Jahr ebenfalls eine Westernreihe mit historischen Einzelromanen, zu der ich auch meinen Beitrag leiste. Darüber hinaus sind zwei Regionalkrimis für den BLITZ-Verlag ebenfalls noch in Planung. Oder anders gesagt: Ich bin bis Anfang 2013 mit Buchaufträgen ausgebucht. Das ist ein schönes Gefühl, wenn man weiß, dass die Verlage hinter einem stehen und von dem überzeugt sind, was sie publizieren.

Zauberspiegel: VIELEN DANK FÜR IHRE ZEIT, HERR WALLON.



DIE FOTOS STAMMEN VON ALFRED WALLONS HOMEPAGE, ENTSTANDEN IM MAI 2011 IN PULLMAN CITY IM HARZ.

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