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... Scott Perkins übers Bücher verkaufen und einen sich wandelnden Markt

Scott Perkins ... Scott Perkins ...
... übers Bücher verkaufen und einen sich wandelnden Markt

Scott Perkins zu beschreiben ist eine Herausforderung. Er ist unglaublich vielseitig (baut Masken aus Leder, taucht bei Renaissance-Märkten als Narr auf, zwei Wochen später auf einem Con in Steampunk-Manier), und arbeitet als Autor und Seminarleiter im "TCC Writing & Tutoring Center", einer Art Volkshochschule. Er bezeichnet sich selbst als "Optimist. Realist. Cynical Idealist." - und das alles ist er auch. In seiner "Dreifachqualifikation" als Autor, Seminarleiter und Buchhändler haben wir ihn angesichts der Pleite eines der größten US-Buchhandels-Ketten zum Thema befragt.


Scott PerkinsZauberspiegel: Scott, du bist Autor, Buchhändler, Blogger, Künstler ... Besonders gut gefällt mir dein Humor und die Person, die ich bisher kennen gelernt habe ... Wer ist Scott Perkins und was bedeutet für dich Lesen und Schreiben?
Scott Perkins: Ich bin in einem Haus voller Bücher aufgewachsen - sie waren nicht nur in den Regalen, sondern auch in der Garage, auf dem Dachboden, im Keller oder in freien Zimmern gestapelt ... sie umringten mich, als ich aufwuchs. Meine beiden Eltern sind Leser, mein Vater aber war einfach unglaublich belesen und machte deutlich, dass es der einzige Weg sei, wie man ein Mann werden könne.
Es half, dass wir keine Videospiel-Systeme zu Hause hatten und nur selten Fernsehen schauten. So waren es Bücher, die ich zur Hand nahm, wenn ich träumen wollte.
Es dauerte nicht lange, dann begann ich damit, über das Schreiben mit der Welt um mich herum umzugehen. Dies ist der Weg, wie ich die Welt filtere, wie ich sie organisiere und mit ihr zurecht komme. Ich denke in Geschichten.
Du hast meinen Sinn für Humor erwähnt. Das kommt auch von meinem Vater. Er hatte einen sehr trockenen Humor. Er setzte mich vor ein Radio und ließ mich diese großen alten amerikanischen Radio-Shows aus den 1930er und 1940er Jahren hören. Ich war das einzige Kind in meiner Schule, das tatsächlich alle Witze in Bugs Bunny Cartoons verstand. Dinge, die ich höre, kann ich mir sehr leicht merken, und im Alter von vierzehn Jahren konnte ich ganze Monologe von Groucho und Jack Benny zitieren – Komiker, von denen meine Altergenossen noch nie gehört hatten.
Diese Art von Humor übersetzt sich sehr gut in das Schreiben, da sich alles um Wortspiele und Metrik handelt. Es ist auch moralisch sehr sauber, aber es gibt einen tiefen Unterton, den des Dummen und sogar Subversiven, da es darauf beruht, dass man diese Realität, die ich durch nichts anderes als Worte schaffe, akzeptiert.

Zauberspiegel: In der Zeit unseres Kontaktes kommentierst du oft die Situation des amerikanischen Buchmarktes. Als Buchhändler und Schriftsteller weißt du eine Menge über das Geschäft der Verlage und den Verkauf von Büchern. Die neuesten Nachrichten über den Niedergang der Buchhandlungen ist die Schließung von Borders. Für jene unserer Leser, die mit dem Buchmarkt in den USA nicht so vertraut sind: Beschreibst du bitte mal die Situation, wie du sie siehst?
Scott Perkins: Ich habe für Borders neun Jahre oder so gearbeitet und zu hören, dass das Unternehmen letzten Endes doch aufgibt, war herzzerreißend. Es war als würde einem gesagt, deine alte Schule sei niedergebrannt. Sicher, es war ein Geschäft, und nicht alles, was dort geschah, hat Spaß gemacht, aber die Freundschaften und Kontakte, die ich dort gemacht habe, die Lektionen, die ich über das Schreiben und das Geschäft gelernt habe, wird mir immer bleiben.
Ich denke, das Geschäft der physischen Buchhandlungen ist nur deshalb so zum Scheitern verurteilt, da alles durch die Linse der großen Scheunen wie Borders und B&N gesehen wird. Und ja, sie sind ein riesiger Prozentsatz der Präsentation der Bücher, auf die Autoren und Verlage sich immer verlassen haben. Und das wird sich ändern müssen, kein Zweifel. Aber ich denke, ein Hybrid-Modell entsteht in den unabhängigen Läden - mit ein wenig Hilfe von Google und deren eBookstores – klein, nachhaltig und auf die Gemeinschaft ausgerichtet.
Das war es, wo es bei Borders begann schief zu gehen, Man behandelte Bücher wie Lebensmittel. Ich war dort, als es begann, als der CEO zu Besuch kam und sagte uns, Bücher seien "einfach das Gleiche wie Kaugummi". Buchkäufer verlangen mehr. Sie fordern Wert, ja, und wenn man diesen Kampf mit dem Online-Rivalen schon verliert, kann man den Rest nicht vernachlässigen. Buchhandel ist ein seltsames Spiel, und man muss es wie eine Buchhandlung spielen, denn wenn man es wie ein Lebensmittelhändler spielt, wird man verlieren.
Aber im Großen und Ganzen verändern sich der Buchhandel und das Verlagswesen, aber sie sind nicht dem Untergang geweiht. Etwas Neues wird entstehen und jeder wird Wege zu mehr Effizienz und mehr Diversifizierung finden, und der größte Teil der Last der Vermarktung des Buches wird (und  ist schon) auf den Schultern des Schriftstellers zu finden sein. Und das ist in Ordnung.
Meiner Meinung nach sind Schriftsteller verwöhnt worden und es ist an der Zeit für uns, uns zu dem Rest der Künstler der Welt zu gesellen, und der lauteste Befürworter unserer Arbeit zu sein.

Zauberspiegel: Hm ..., du erwähnst einige Fakten, die ich gerne kommentieren möchte, und zu denen ich weitere Fragen habe. Nach dem, was du gesagt hast, scheinst du der Meinung zu sein, dass die großen Buchhandlungen eher den Bach runtergehen werden, während kleine Buchhandlungen eine faire Chance haben zu überleben. Habe ich Recht? Ich hatte eher das Gefühl, die kleinen Läden waren die ersten, die gehen und immer noch sterben ... Es macht nur nicht so viel Lärm, wenn die Kleinen sterben.
Scott Perkins: Ich denke, dass jeder Buchhändler, der darum kämpft seine Türen offen zu halten und eine Buchhandlung in der Größe eines Flugzeughangars hat, geschweige denn, wenn es 300 von ihnen sind, seinen Plan überdenken muss. Es gibt tausend traurige Geschichten über geliebte unabhängige Buchhandlungen, die in der Schlacht verloren gegangen sind. Und ich fürchte, bevor dies vorbei ist, werden Buchhändler auf allen Ebenen ihre Geschäfte schließen.
Abgesehen von den großen Jungs gibt es eine Hierarchie von unabhängigen Buchhändlern, die nur anhand des Geschäftssinns der Inhaber nach Erfolg beurteilt werden können. Die "Blue-Chip" genannten unabhängigen Buchhändler wie Powell in Portland, Tattered Cover in Denver, The Strand in New York City, Elliot Bay hier in Seattle und ein paar andere sind Modelle für die Suche nach Möglichkeiten, angesichts des aggressiven Wettbewerbs bestehen zu können. Sie überlebten die Invasion von Barnes & Noble und Borders in ihre Städte, indem sie intelligenter waren, agiler, schneller auf Trends reagierten, tiefer mit ihren Gemeinden verbunden waren.

Zauberspiegel: Zum besseren Verständnis: Was ist "Blue-Chip"?
Scott Perkins: Oh, entschuldige. "Blue Chip" ist ein Ausdruck, der von der Börse übernommen wurde. Eine Blue-Chip-Aktie ist eine, die sehr gefragt ist, ein ständiger Performer. Eine „blue-chip“-unabhängige Buchhandlung ist also eine unabhängige Buchhandlung, die die gleichen Eigenschaften hat.

Zauberspiegel: Ah, ok. Ich verstehe. Was macht – deiner Meinung nach - eine Buchhandlung aus, die dazu in der Lage ist, zu überleben? Was ist es, das Powell, Elliott Bay und so weiter richtig machen?
Scott Perkins: Nun, da spreche ich ganz als Kunde, da ich nie für einen von ihnen gearbeitet habe ... Eines der Dinge, die große Ketten nie ganz verstanden haben, war die Befriedigung des lokalen Geschmacks. Was sich in Maine gut verkauft, das wird in Oregon oft auf dem Regal sitzen bleiben und Spinnweben sammeln. Lokale Geschäfte wie Powells und The Strand können ihre Angebote auf diese Kaufgewohnheiten passend zuschneiden. Auch haben die unabhängigen Buchhandlungen so lange den Geschmack beeinflusst, dass es schwer ist, sich eine blühende Buch-Szene ohne sie vorzustellen. Lokale Buchliebhaber verlassen sich stark auf die Empfehlung des Buchhändlers ihrer unabhängigen Buchhandlung vor Ort. Ich habe die Bekanntschaft von Autoren wie Michael Chabon, Dave Eggers, Stieg Larsson, Michael Connelly, Dennis Lehane und Eoin Colfer vor allem deshalb gemacht, da mir dir Bücher von einem lokalen Buchhändler in die Hand gedrückt wurden.
Das ist schwer zu ersetzen. Selbst mit der blühenden Gemeinde an Buch Blogger da draußen, mit Rezensionen und Empfehlungen, ist es schwer, die persönliche Empfehlung von jemandem, dessen Geschmack und Gelehrsamkeit man nach vielen Jahren vertraut, zu ersetzen.
Es hilft auch, wenn die Empfehlung damit gekoppelt ist, dass einem tatsächlich jemand das Buch in der Hand legt. Es hat etwas Magisches an sich.

Zauberspiegel: Heißt das: Wenn Borders jetzt schließt, ist das ein nächstes Kapitel eines kompletten Zusammenbruchs des Büchermarktes? Zuerst sterben die Kleinen unter dem Druck der großen Ketten, jetzt sterben die großen Ketten unter dem Druck des Internetmarktes?
Scott Perkins: Ich denke, es ist eine Katastrophe für dieses Modell des Einzelhandels, und wenn die anderen großen Ketten nicht lernen, die richtigen Lehren aus dem Ableben von Borders zu ziehen, dann fürchte ich, sie werden ihnen auf dem Weg nach unten folgen.
In gewisser Weise, denke ich, sind die Internet-Märkte die Befreiung der unabhängigen Buchhandlungen von der Konkurrenz mit den großen Jungs. Ich hätte nie gedacht, dass das passieren würde, aber Google erstellte seine eBook-Plattform und jetzt kann zudem jede Buchhandlung, die eBooks verkaufen möchte, ihren eigenen Online-Buchladen schaffen.
Nur die Zeit wird zeigen, ob das Spielfeld für die kleineren Anbieter genug eingeebnet wurde um zu überleben, aber zum ersten Mal seit einer ganzen Weile bin ich optimistisch, was ihre Chancen angeht.
Es ist alles ein bisschen darwinistisch, nicht wahr? Es gibt immer einen größeren Fisch da draußen, und früher oder später bekommen sie Hunger ...

Zauberspiegel: Du scheinest über diese Entwicklung nicht allzu traurig sein, oder siehst du das mehr oder weniger emotionslos?
Scott Perkins: Es gibt ein Beispiel, das ich manchmal nenne, wenn ich über das Thema spreche. Seattle ist die Heimat eines Einzelhandels-Riesen namens REI. REI vertreibt Wander-, Camping- und Bergsteiger-Ausrüstung, und sie tun das besser als so ziemlich jeder andere. Niemand kann ihre Kaufkraft schlagen und sie haben die Fähigkeit, zu niedrigeren Preisen als alle anderen zu liefern. Ihr Hauptgeschäft ist enorm, eine Kathedrale der Natur.
Auf der anderen Straßenseite von REI ist ein kleines Geschäft für Camping-Ausrüstung namens Feathered Friends. Ihr großes Ding sind handgefertigte Daunenmäntel und -schlafsäcke, aber sie verkaufen auch Rucksäcke und andere Geräte, die alle Qualitätswaren sind und deutlich höhere Preise haben als bei den großen Jungs auf der anderen Straßenseite. Jedes ihrer 38 Jahre im Geschäft haben sie haargenau auf der gegenüber liegenden Straßenseite des größten Outdoor-Händler im Land verbracht.
Als REI dann eingepackt hat und mit ihren Laden an einen neuen Standort zog, haben es Feathered Friends ihnen gleich getan. Und sie gedeihen im Schatten des Riesen.

Zauberspiegel: So ist das Geheimnis, ... sich mit den großen Fischen zu vermischen? Um mit ihnen zu gehen und - wenn man so sagen kann – von den Nebenverkäufen des Riesen zu leben?
Scott Perkins: Ich denke, die Zukunft des unabhängigen Buchhandels wird so aussehen. Wege zu finden, in den Schatten der Riesen zu gedeihen. Es ist auf keinen Fall eine perfekte Metapher. Das Buchgeschäft ist nicht wie jedes andere Handelsunternehmen. Feathered Friends können andere Produktgruppen verkaufen, während das Exemplar des neuesten Stephen King ist das gleiche wie  es das in dem Regal über die Straße hinweg ist. Aber wenn sie unterschiedlich genug sind, eine Umgebung schaffen, die für Buch-Liebhaber angenehm ist und einladend für die Gemeinschaft, können die blühenden unabhängigen Buchhandlungen dennoch das tun, was Feathered Friends in erstaunlichem Ausmaß getan hat.

Zauberspiegel: Also sozusagen: Biete ein Plus an Kundenbetreuung, Persönlichkeit, Auswahl, z.B. vielleicht "Crossover-Konzepte".
Scott Perkins: Das Problem dabei ist, dass die USA ein Land mit mindestens fünfzig verschiedenen Kulturen ist. Ich denke, jede Buchhandlung in jeder Stadt wird einen etwas anderen Weg finden, zu überleben.
 

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