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... der Medienhure über Bashing, Kettenhunde und exklusive Nummern

Die Medienhure ... der Medienhure ...
... über Bashing, Kettenhunde und exklusive Nummern

Es ist lange her, dass wir das letzte Mal etwas von ihr hörten. In "Aus dem Leben einer Medienhure" berichtet sie über die Probleme einer Dame des (Medien-)Gewerbes. Seitdem war von ihr nichts mehr zu lesen, bis sie sich jetzt plötzlich bei uns meldete. Es gäbe etwas Neues zu erzählen, ob wir nicht Lust auf ein Interview mit ihr hätten.Nach einem kurzen Abstimmungsgespräch in der Redaktion kamen wir zu dem Ergebnis, dass wir erneut dieser "Kollegin", die gleichzeitig natürlich "Konkurrentin" ist, die Möglichkeit geben wollten, sich hier zu präsentieren.


So eigenartig wie das Interview selbst war auch der Weg, wie dieses Treffen zustande kam. Wir wurden von der Medienhure angerufen, machten uns auf den Weg, warteten an der vereinbarten Stelle ... nur um festzustellen, dass sie nicht da war. Ein erneuter Telefonanruf, ein neuer Treffpunkt. Ein Café, dort trafen wir sie endlich an.

Zauberspiegel: Hallo und vielen Dank für deine Bereitschaft zu diesem Interview, wenn es auch auf sehr seltsame Art und Weise zustande kam. Was ist los?
Medienhure: Naja, da übertreibst du jetzt aber etwas. Man muss in der Szene, in der ich unterwegs bin, einfach ein bisschen vorsichtig sein. Aber ich bin nicht übermäßig neurotisch, würde ich mal sagen.
 
Zauberspiegel: Also, wenn ich dich so sehe hier, mit Sonnenbrille mit verspiegelten Gläsern, dann die seltsame Art und Weise, wie du mich hierher gelotst hast. ... Das macht schon den Eindruck als würdest du dich verbergen wollen vor zu viel Aufmerksamkeit.
Medienhure:  (lacht) Nein nein. Das klingt ja schon fast krankhaft, so wie du das beschreibst. Das sind Sicherheitsmaßnahmen, noch nicht einmal besonders außergewöhnliche. Du musst das so sehen: Ich bin eine Person der Öffentlichkeit geworden. Man kennt mich, und wenn ich irgendwo auftauche, werde ich als die wahrgenommen, die ich bin: Die da von dort da. Ich bin durch mein Gewerbe aus der Gruppe der großen Menge von Menschen hervor getreten. Darauf bilde ich mir nicht unbedingt etwas ein, ich stelle das nur fest. Es ist der Stil zu leben, den ich gewählt habe. Und damit, ob es mir gefällt oder nicht, erregt man Aufmerksamkeit.
 
Zauberspiegel: Und wenn ich dich richtig verstehe, versuchst du im Moment, das Licht der Aufmerksamkeit zu vermeiden? 
Medienhure:  Nein, das ist ab einem gewissen Level nicht mehr möglich. Es kommt der Moment, da wird alles, was man tut, mit Aufmerksamkeit beobachtet und kommentiert. Und alles, was man im Rahmen seines Gewerbes tut, ist von besonderem Interesse. Da ist es egal, was man tut. 

Zauberspiegel: Du tust gerade so als wärst du ein Superstar, der so interessant ist, dass man sich mit ihm beschäftigt. Ich kann mir kaum vorstellen, dass du so interessant bist.
Medienhure:
Ein Superstar bin ich in keinem Fall. Das wäre vermessen. Wenn ich in dieser Situation wäre, dann hätte ich Medienpreise, goldene Schallplatten und so weiter in meinem Regal stehen. Dem ist bei Weitem nicht so. Aber immerhin habe ich es so weit gebracht, dass ich inzwischen einen persönlichen Basher habe, oder ist es ein Stalker? Der Übergang ist teilweise ja fließend.

Zauberspiegel: Das klingt ja fast, als wärest du stolz darauf.
Medienhure: Nein, davon kann nicht die Rede sein. Mit Stolz hat das nichts zu tun. Es ist eher störend, nervig, absolut unsinnig.

Zauberspiegel: Aber ist das nicht etwas, mit dem man rechnen muss, wenn man sich - so wie du - in die Öffentlichkeit begibt, sich Freier anlacht und ... im wahrsten Sinne des Wortes ... auf die Straße geht?
Medienhure: Ja, da hast du Recht. Das ist zweifellos richtig. Man muss immer damit rechnen, dass man angegriffen, gebasht wird. Schnell mal holt man sich eine blutige Nase in dem Business. Umso wichtiger ist es, nicht die Nerven zu verlieren.

Zauberspiegel: Bashing. Das ist doch dieses "Online-Neo-Deutsch". Was bedeutet das?
Medienhure: Der Begriff stammt aus dem Onlinegamingbereich. Dort beschreibt er im Wesentlichen das Verhalten von Spielern, die ihren Mitspielern willentlich und in voller Absicht unentwegt in deren Spiel hineinfunken. Ziel ist es, diese am Aufbau ihres Spiels zu hindern, eine Strategie im Spiel zu zerstören. 

Zauberspiegel: Aha, gut. Aber das ist doch in einem Spiel normal. Man versucht zu gewinnen, den Gegner zu schlagen. Angefangen von Spielen wie "Mensch ärgere dich nicht", wo man die Spielfigur des anderen versucht vom Spielfeld zu fegen, "Risiko", wo man tatsächlich Armeen vernichtet, bis hin zu Spielen wie "Diplomacy", wo man strategische Koalitionen eingeht, nur um diese zwei Spielzüge später wieder zu brechen, wenn es einem ins Konzept passt.
Medienhure: (beugt sich vor) Siehst du, das ist einer der elementaren Fehler. Es geht in diesem Geschäft doch nicht darum, den anderen zu besiegen. Ich stehe an der Ecke, die andere Medienhure steht drei Straßen weiter und bietet ihre Dienste an. Die eine hat ein Zimmer, von dem aus sie arbeitet, die andere einen Wohnwagen. Während die eine Fotos ihres Hurenlohns mitsamt des Umschlages macht und zur Rezension online stellt, featured die nächste ein Buch in Form eines Artikels, und wieder eine andere klebt auf jeden Artikel, den sie nicht aus einem Klappentext abgeschrieben hat, einen großen blinkenden Aufkleber "EXKLUSIV".

Zauberspiegel: Und das heißt was?
Medienhure: Jede einzelne Nummer, die wir Medienhuren schieben, ist per se exklusiv, wenn der Kunde sie nicht mit mehreren von uns hintereinander oder gleichzeitig in der gleichen Form macht. Wenn die einen sich gerne mit Prominenten auf Fotos präsentieren, ist das deren Sache. Wenn eine von uns meint, Musik habe etwas über die Geschichte ihrer Zeit zu erzählen, mag jemand anderes das vielleicht albern finden ... na und?   

Zauberspiegel: Und das sehen offenbar nicht alle so? Welche Ziele verfolgen diese Menschen denn deiner Meinung nach, die das anders sehen? 
Medienhure: Ziel? Warum sollte ich mir Gedanken über das Ziel machen?

Zauberspiegel: Vielleicht, weil diese Personen gar nicht so Unrecht haben? Ist es nicht ein bisschen arrogant, wenn du dir keine Gedanken über deren Ziele machst?
Medienhure: Darum geht es nicht. Es geht nicht um Fehler, um irgendwelche hehren Ziele. Es geht um persönliche Ziele. Ich bin die letzte, die behauptet, mir unterliefen keine Fehler. Aber, und das ist meiner Meinung nach entscheidend: Keine Fehler gibt es nur um den Preis des Nichts-Tuns. Dies ist keine Entschuldigung, und macht Fehler nicht irrelevant. Aber ich kann nicht meine Klappe aufreißen, und selbst dabei bis zu den Knien ... ich schweife ab (lächelt).

Zauberspiegel: Also lassen diese Attacken dich nicht kalt.
Medienhure: Natürlich nicht. Hm (zögert) ich würde lügen, wenn ich behaupte, es ist mir egal. Wem gefällt es schon, wenn ständig jemand in seinem Vorgarten seine Notdurft hinterlässt. Aber auf solche Dinge zu reagieren, zu kommentieren, etwas dagegen zu unternehmen, das ist in etwa so, als würde man einen kläffenden Kettenhund weiter reizen. Wozu? Es bringt nichts. Der Hund wird seine Meinung nicht ändern, was er ja auch gar nicht muss, sein Verhalten erst recht nicht.

Zauberspiegel: Genießt du es?
Medienhure: Nein, das keineswegs. Wie kann man dies genießen? Eine Auseinandersetzung ist schön, wenn man danach noch zusammen ein Bier trinken kann, oder nen Kaffee. Also, wenn es um die Sache geht. Aber das ist in diesem Bereich nicht möglich. Wie kann man ein solches Verhalten genießen? Die Tatsache, dass solche Personen sich selbst beginnen lächerlich zu machen, gibt eine gewisse Genugtuung, aber an sich mit einem schalen Nachgeschmack. 

Zauberspiegel: Ich greife nochmal etwas auf, das ich vorhin schon mal gesagt habe. Du wirst doch nicht bestreiten können, dass die Attacken gerechtfertigt sind.
Medienhure: Sind sie das? Ich habe oben schon gesagt, teilweise sind sie das zweifellos. Ich bin dick - im Geschäft. Ich habe viele Kunden, ich sag mal: Wo gehobelt wird, fallen Späne. Aber dies passiert allen, die in meinem Geschäft sind. Es geht nicht um die Auseinandersetzung, es geht um das "Wie". Es kommt im Verlauf einer solchen Auseinandersetzung zu einem Kreislauf: Egal, ob man reagiert oder nicht, der Versuch, einen zu schädigen, geht weiter. Dies ist im Netz natürlich wesentlich leichter als beispielsweise in einem Betrieb, wo der Begriff analog dazu mit "Mobbing" umschrieben werden könnte. Und je primitiver, desto besser. Mit der Zeit sinkt das Niveau, auf dem der Angreifer kämpft, immer weiter. Denn er muss ja immer mehr einsetzen, um die erwünschte Aufmerksamkeit zu errreichen.

Zauberspiegel: Bis?
Medienhure: Bis ... keine Ahnung. Vielleicht, bis der andere die Lust verliert? Bis er sich ein anderes Objekt der Begierde sucht?

Zauberspiegel: Und was ist das Fazit?
Medienhure: Muss es ein Fazit geben? Es ist eine Beschreibung eines Ist-Zustandes, und da ich mein Geschäft nicht aufgeben werde, wird sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit daran nichts ändern. Allenfalls, wenn man so sagen möchte: Augen zu und durch! 

Zauberspiegel: Ist das das Ende des Gesprächs für heute?
Medienhure: Ich nehme an. Den Kreislauf zu durchbrechen ist kaum möglich. Außerdem sehe ich gerade, dass ich in Kürze noch einen Termin bei einem meiner Freier habe. Er ist sehr anspruchsvoll, und ich muss mich richtig anstrengen. Ich muss noch etwas Gleitgel besorgen. Also, dann bis zu einem anderen Mal ...

Kommentare  

#1 Laurin 2011-09-25 11:40
Einfach köstlich der Artikel und trifft den Nagel auf den Kopf. :P :lol:

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