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... Jutta Wilke über Karrierefrauen, »Rebella« und zukünftige Pläne

Jutta Wilke ... Jutta Wilke ...
... über Karrierefrauen, »Rebella« und zukünftige Pläne

Jutta Wilke wirkt wie eine Frau, die so leicht nichts aus der Ruhe bringt - Ehefrau, Mutter von fünf Kindern, Admin eines Forums für Kinder- und Jugendbuchautoren, Facebookerin - ach ja - und Autorin.Jetzt gehört nicht viel Fantasie dazu sich vorzustellen, dass dies ausgesprochen anstrengend ist.Auf der Buchmesse in Frankfurt fielen Jutta und ich uns geschätzte 46,432mal über die Füße, und hatten dennoch nie wirklich Zeit für ein Gespräch. Mit diesem Interview holen wir das nach.

Zauberspiegel: Jutta, im Moment stolpern wir irgendwie dauernd übereinander ... auf der Buchmesse (Live und in Form der Buchpräsentationen bei Coppenrath, in Bücherregalen, in Schreibforen .... aber über dich weiß ich nicht viel ... wer ist Jutta Wilke eigentlich?
J. Wilke: Gute Frage, manchmal weiß ich das selbst nicht so genau Ich bin 48 Jahre alt, in Hanau am Main geboren, aufgewachsen zu den Füßen der schönen Ronneburg, lebe heute allerdings mit Mann und fünf Kindern wieder in Hanau. 12 Jahre habe ich als Rechtsanwältin gearbeitet, obwohl ich in diesem Beruf nicht besonders glücklich war. Kurz vor der Geburt meines vierten Kindes habe ich die Robe dann endgültig an den Nagel gehängt und beschlossen, Kinder- und Jugendbuchautorin zu werden. Als Kind wollte ich eigentlich Zoodirektor werden, bis mein Großvater mir vorschlug, ich könnte doch einen solchen heiraten. Der Gedanke gefiel mir, denn so käme ich zu einem Zoo und könnte gleichzeitig Schauspielerin werden. Bitte frag mich nicht, wie ich später auf die Idee verfallen bin, Jura zu studieren. Fest steht nur, es war keine besonders gute Idee. Meine Fantasie und meine Fähigkeit immer und überall Geschichten zu "finden", verkümmerte in diesem Beruf immer mehr. Da ich schon immer gerne geschrieben habe und es auch als Anwältin nicht lassen konnte, hatte ich auf meinem Schreibtisch unter den Akten oft eine aufgeschlagene Kladde liegen, in der ich heimlich weitergeschrieben habe, wenn mich gerade keiner beobachtet hat. Für mich ist es ein Geschenk, dass ich heute ganz offiziell meine Geschichten aufschreiben darf.

Zauberspiegel: Es gibt Autorenkollegen und Beobachter der Szene, die in dir eine Art "Karrierefrau" sehen aufgrund deiner Veröffentlichungserfolge. Ich erinnere mich in diesem Jahr an Von Hexen, Zauberern und fliegenden Besen, vor allem natürlich Holundermond. Welche Veröffentlichungen gab (und wird es geben) in diesem Jahr. Und ... bist du wirklich eine "Karrierefrau"?
J. Wilke: In diesem Jahr sind von mir zwei Romane erschienen: Holundermond, für Kinder ab 10 Jahre und Bitte zweimal Wolke 7, ein Rebella-Roman für Mädchen ab 12 Jahre, beide im Coppenrath Verlag. Außerdem erschienen sind ein Erstleser aus dem Haus Duden (Klarer Fall für Anna Blum), sowie insgesamt drei Bilderbücher, ebenfalls im Duden Verlag (Die Zahlenmonster, Die Buchstabenkerle, Die Tierkinder). Ach ja, eine Kurzgeschichte von mir ist noch in einer Anthologie im Esslinger Verlag erschienen (Von Hexen, Zauberern und fliegenden Besen)
Karrierefrau? Es kommt vielleicht ein bisschen darauf an, was man darunter versteht.
Ich habe einen Traum, der heißt: Kinder- und Jugendbuchautorin sein. Für diesen Traum lebe ich jetzt seit etwas über sieben Jahren. Autorin zu sein, heißt in erster Linie "schreiben". Dass das Schreiben in den meisten Fällen harte Arbeit und mit vielen Stunden täglich am Schreibtisch verbunden ist, sehen viele Menschen von außen nicht so. Für meinen ersten Roman Holundermond habe ich über drei Jahre gebraucht, bis ich ihn soweit rund geschliffen hatte, dass ich ihn einer Agentur anbieten konnte. Parallel zur Arbeit an meinem Roman habe ich mich immer wieder um Auftragsarbeiten bemüht. So habe ich ingesamt mehrere hundert Gutenachtgeschichten und Adventskalendergeschichten für Lingoli geschrieben, etliche Kurzgeschichten und kindgerechte Artikel für die sh:z (Schleswigholsteinische Zeitung), für spielen und lernen und für andere Kinderzeitungen, habe an Schreibwettbewerben teilgenommen und auch Schreibseminare belegt. Das, was in diesem Jahr so ein bisschen nach Blitzstart aussieht, ist also eigentlich bereits seit vielen Jahren recht mühsam erarbeitet.
 
Zauberspiegel: Du hast ja als Rechtsanwältin gearbeitet, bist inzwischen Vollzeitmutter und Teilzeitautorin. Wie bringt man das unter einen Küchentisch? Und was war zuerst da: Der Wunsch danach, Autorin zu sein, oder das Mutter sein - und dann die Idee: Ich könnte ja schreiben.
J. Wilke: Der Wunsch, Autorin zu sein, war ganz klar zuerst da. Allerdings musste der natürlich zeitlich an die Bedürfnisse einer Großfamilie angepasst werden. Richtig durchstarten konnte ich demnach erst, als mein jüngster Sohn in den Kindergarten kam. Seit diesem Tag sitze ich morgens ab 7.30 am Schreibtisch bis ca. 12.00 und schreibe (oder gebe Interviews *gg*), dann mache ich Mittagessen, Hausaufgaben mit den Jüngeren, haushalte ein wenig (manchmal zu wenig), spiele mit den Kindern oder fahre das Mama-Taxi durch die Gegend. Am Abend dann einkaufen, kochen, und bei drohende Deadlines dann nochmal schreiben.

Zauberspiegel: Wie finanziert sich deine Familie? Ich nehme an, dass du bisher noch nicht ganz auf dem Stand bist, den Unterhalt allein sichern zu können?
J. Wilke: Den Unterhalt einer 7-köpfigen Familie kann vermutlich kaum jemand alleine sichern. Mein derzeitiges Ziel ist es erstmal, meinen eigenen Unterhalt alleine sichern zu können. Natürlich verdient mein Mann seinen Teil zu unserem Familienunterhalt dazu. Bevor ich mit dem Schreiben anfing, Geld zu verdienen, habe ich mir einen Job als Zeitungsbotin gesucht. Dieser Job brachte mir das gleiche Einkommen, das ich mit einer Halbtagsstelle gehabt hätte und ich konnte ihn morgens zwischen 4.00 und 6.00 erledigen, zu einer Zeit, als bei uns alle noch schliefen. Das verschaffte mir den nötigen Freiraum, an den Vormittagen schreiben zu können, den Kindern eine Mutter, die auch dann zu Hause war, wenn sie krank waren und der Familie das Zusatzeinkommen, das sie so nötig gebraucht hat. Heute bin ich stolz darauf, dieses Zusatzeinkommen mit meiner Autorentätigkeit beisteuern zu können.

Zauberspiegel: Ein Gedanke, der im ersten Moment gemein klingt, aber nicht so gemeint ist. ... Es gibt eine ganze Reihe Autorinnen, die im Grunde genommen nur deshalb schreiben können, da der Ehemann als Ernährer für den Großteil des Familieneinkommens sorgt. Zum einen ist dies eine großartige Sache, denn es gäbe eine ganze Reihe an Büchern nicht, wenn die AutorInnen nicht die Möglichkeit hierzu hätten ... aber macht dies nicht auch deutlich, dass es auf dem Buchmarkt für eine große Anzahl von mehr oder weniger bekannten oder unbekannten Autoren keinerlei Chance dazu gibt, wirklich finanziell unabhängig/erfolgreich zu sein?
J. Wilke: Ich glaube, es gibt in Deutschland nur sehr sehr wenige Autoren, die tatsächlich finanziell so erfolgreich sind, dass sie davon den Unterhalt einer ganzen Familie bestreiten können. Das heißt nicht unbedingt, dass ein berufstätiger Ehepartner im Hintergrund stehen muss. Die meisten Kolleginnen und Kollegen, die ich kenne, üben ihre Tätigkeit als Schriftsteller eben neben ihrem sogenannten "Brotjob" aus. D.h. diese Menschen schreiben nach der Arbeit, am Abend, in der Nacht, an den Wochenenden oder im Urlaub. Ich bewundere jeden, der das macht, zutiefst, weil Schreiben einfach ein sehr sehr anstrengender und erschöpfender Prozess sein kann und weil es schwer ist, auf Kommando innerhalb eines kleinen Zeitfensters dann auch noch kreativ zu werden.

Zauberspiegel: Für Rebella gibt es inzwischen eine sehr professionell gestaltete Website mit einer großen Menge an Merchandising. In welchem Maß hast du Einfluss auf die Angebote? Und als was würdest du dies bezeichnen: Werbung für die Reihe durch "Werbunglaufen", Bindung der LeserInnen ...

J. Wilke: Rebella ist ein Label aus dem Hause Coppenrath, das es meines Wissens schon vor den Romanen gab, die ja ebenfalls unter diesem Label erscheinen. Mir persönlich gefallen die Rebella-Produkte teilweise sehr gut, so dass man mich ab und zu mit dem einen oder anderen Teil aus diesem Fundus sieht. Aber diese Sachen würde ich auch benutzen oder anziehen, wenn ich nie einen Rebella-Roman geschrieben hätte. Wink

Zauberspiegel: Du schreibst im Moment ja Kinder- und Jugendbücher. Was reizt dich daran, für diese Lesergruppe zu schreiben - wobei ich z.B. Holundermond als "All-Age" bezeichnen würde.
J. Wilke: Das hat gleich mehrere Gründe.
Ich sehe mich als Geschichtenerzähler und als solcher möchte ich natürlich einen möglichst großen Kreis von Zuhörern um mich herum versammeln. Also versuche ich, meine Geschichten so zu erzählen, dass sowohl Kinder als auch Erwachsene etwas aus ihnen mitnehmen können.
Für Kinder und Jugendliche schreibe ich aber auch so gerne, weil ich sie für besonders kritische und anspruchsvolle Leser halte. Kindern ist es egal, welcher Name auf dem Cover steht. Wenn sie ein Buch langweilig finden oder es ihnen nicht gefällt, legen sie es gnadenlos weg. Diesen Gedanken empfinde ich als ganz besondere Herausforderung. Ich möchte die Kinder mit meinen Geschichten packen und nicht wieder loslassen, bevor sie das Buch ausgelesen haben.
Der dritte Grund ist ein ganz banaler. Kinder- und Jugendbücher bedienen sich hauptsächlich jugendlicher Protagonisten. Das heißt, in ihnen tummeln sich Personen, die noch mitten in der Entwicklung stecken, alles ist offen, alles ist möglich auf dem Weg zum Erwachsenwerden und dieses "alles geht" ist für mich als Schriftstellerin ein großes Geschenk.
Und der einfachste Grund: Ich schreibe für das Kind in mir.

Zauberspiegel: Gibt es ein Buch, in dem man besonders viel "Jutta Wilke" findet? Eigene Erfahrungen, Erlebnisse, Träume ...
J. Wilke: Im Januar erscheint im Coppenrath-Verlag ein Jugendkrimi von mir, dessen Titel ich leider noch nicht nennen darf. Ich glaube, hier steckt besonders viel von mir drin, zumindest ist mir das Schreiben dieses Romans oft sehr unter die Haut gegangen und ich hatte das Gefühl, immer wieder in einen Spiegel zu gucken.
Im Grunde steckt aber in jedem Buch immer ein Stück des Autors. Denn über was schreibe ich denn? Über das Leben. Ich erfinde ja nichts völlig Neues. Keiner kann völlig Neues erfinden. Jeder kann doch immer nur die Farben oder Bausteine nehmen, die es schon gibt und sie eben immer wieder neu zusammensetzen. Kreativität ist im Grunde nichts anderes, als die Farben, die uns im Leben begegnen, immer neu zu mischen oder anders anzuordnen. Neue Farben entstehen dadurch nicht, nur neue Bilder. Wenn ich aber vom Leben erzähle, kann ich nur die Bausteine verwenden, die mein Leben mir schenkt. Und sie immer wieder neu ordnen. So entstehen meine Geschichten und sind daher im Grunde  immer ein Teil von mir.

Zauberspiegel: Was hast du in nächster Zukunft vor? Was darfst du verraten - und was nicht? Wink
J. Wilke: Es werden im Frühjahr 2012 zwei Romane von mir erscheinen, auf die ich mich schon sehr freue.
Der erste Roman ist für Kinder ab 9 Jahre und wird von einer wunderbaren Freundschaft zwischen zwei sehr unterschiedlichen Jungs handeln, die zusammen ein Schwein retten wollen. Der Roman wurde von Patrick Wirbeleit illustriert und erscheint im Sauerländer Verlag.
Im Coppenrath-Verlag erscheint ebenfalls Anfang 2012 ein Jugendkrimi von mir.
Aktuell schreibe ich an einem weiteren Rebella-Roman, für den sogar von der Zeitschrift "Mädchen" eine Rolle verlost worden ist.
Im nächsten Jahr habe ich weitere Pläne mit meinen Verlagen, über die ich aber leider noch nicht sprechen darf. Nur so viel: Es wird wieder für jeden etwas dabei sein. Von Thriller über Liebe bis hin zu Mystik und etwas Historischem ist alles vertreten.
Wer ein bisschen meine Autorenseite bei Facebook und/oder meinen Blog verfolgt, ist eigentlich immer über meine laufenden Arbeiten informiert.

 

Kommentare  

#1 Marliese Arold 2011-10-23 13:17
Sehr schönes und interessantes Interview! Danke an Bettina und Jutta!

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