... Birgit Böckli über ihren Debüt-Roman »Friesensturm«, Kommissar Berg und zukünftige Projekte
... über ihren Debüt-Roman »Friesensturm«, Kommissar Berg und zukünftige Projekte
Ich bin 1972 Mönchengladbach-Rheydt geboren, lebe aber inzwischen seit vielen Jahren in Hockenheim bei Heidelberg. Hier habe ich auch das örtliche Gymnasium besucht und später eine Ausbildung zur Englischen Wirtschaftskorrespondentin gemacht. Ich habe schon viele unterschiedliche Tätigkeiten ausgeübt, das ging von einem Praktikum in einer psychiatrischen Station über die Arbeit in einem Großraumbüro bis zum Verkauf von Wurst oder Gardinen. Im Moment bin ich aber zuhause.
So genau weiß ich das gar nicht. Ich hab schon im Kindergarten Geschichten geliebt, nicht nur Bilderbücher. Meine Mutter musste mir abends immer Balladen vorlesen, und ich habe sie auswendig gelernt. In der Zeit hab ich wohl auch angefangen, mir erste eigene Texte auszudenken. Meine früheste Erinnerung reicht da an die gemeinsamen Mittagessen, als mein Vater uns Kindern Redeverbot erteilen musste, weil ich vor lauter Geschichten-Erzählen nicht zum Essen kam. So mit sieben oder acht Jahren hab ich dann angefangen, meine Geschichten aufzuschreiben. Später gab es an meiner Schule eine AG Kreatives Schreiben, dort habe ich mich erstmals mit der handwerklichen Seite befasst. Das war eine sehr interessante Erfahrung, die mich bis heute geprägt hat.
Direkte Vorbilder eigentlich weniger. Ich habe immer die Vielfalt der unterschiedlichen Schreibstile bewundert und auch regelrecht zu analysieren versucht. Wie hört sich diese Passage aus Buch A an, wenn ich sie mit der Erzählerstimme aus Buch B schreibe? Es war ein Spiel, aber gleichzeitig auch eine gute Übung. Natürlich gab und gibt es Autoren, deren Bücher ich besonders gerne lese. Stephen King gehört auf jeden Fall dazu, aber auch Michael Ende und neuerdings Sebastian Fitzek.
Hm, wenn ich die Geschichte dazu hier erzähle, müsste ich die Auflösung verraten. Nur soviel, ich habe als Teenager eine Zeitlang Comicbücher gesammelt. Und in einem davon gab es eine Episode, die mir über die Jahre nie ganz aus dem Kopf gegangen ist, weil ich sie so ungewöhnlich fand. Das brachte mich auf die Idee, den Grundgedanken weiterzuspinnen. Heraus kam etwas völlig anderes, eine ganz unglaubliche Geschichte, die ich als große Herausforderung betrachtete.
Eigentlich hatte ich überhaupt nicht vor, einen Krimi zu schreiben. Ich hatte bis dahin nur sehr wenige Krimis gelesen, aber dieser Gedanke ließ mich nicht mehr los. Das war die Geburtsstunde des Friesensturm.
Der junge Kommissar Thomas Berg lässt sich nach einem schweren Schicksalsschlag von Berlin in eine einsame Gegend versetzen und landet auf der Nordseeinsel Spiekeroog. Doch die Ruhe, die er sich so sehnlich wünscht, findet er auch dort nicht. Der bisherige Revierleiter, mit dem er von nun an zusammenarbeiten soll, lehnt ihn vom ersten Tag an ab. Es kommt zu unschönen Reibereien, dann wird ein Toter gefunden. Zur Verstärkung reisen einige Polizisten vom Festland an, darunter Kommissarin Freda Althuis, die Berg anfangs mit ihrer ruppigen Art ziemlich auf die Nerven geht. Gemeinsam beginnen die beiden mit den Ermittlungen und stoßen immer wieder auf Ungereimtheiten.
Und damit nicht genug, wird nur wenig später die nächste Leiche entdeckt. Zwar spricht alles für einen unglücklichen Unfall, aber Berg hat seine Zweifel. Trotz mehrerer Verdachtsmomente fehlen den beiden Polizisten jegliche Beweise. Doch damit reißt die Kette der Ereignisse keineswegs ab. Das kleine Inseldorf kommt nicht zur Ruhe. Zudem verschlechtert sich das Wetter, ein Sturm zieht auf, der den Beamten die Arbeit zusätzlich erschwert. Als Berg und seine Kollegin endlich die Zusammenhänge begreifen, ist es fast schon zu spät.
http://www.birgit-boeckli.dewww.neobooks.com
Das war in der Tat eine sehr spannende Geschichte. Als ich anfing, meinen Krimi zu schreiben, überlegte ich mir, wo ich die Handlung am besten ansiedeln sollte. Eine Nordseeinsel erschien mir dafür am passendsten. Da ich aber zuvor noch nie auf einer Insel gewesen war, beschloss ich, einfach eine zu erfinden. So entstand die Insel Skütje, nach der das Manuskript auch ursprünglich benannt war.
Ich schickte es an ein paar Verlage und stieß auch mehrmals auf Interesse. Trotzdem scheiterte es immer an der Insel. Als die Internetplattform Neobooks ihre Pforten öffnete, stellte ich dort eine Leseprobe ein, die bei den Lesern ziemlich gut ankam. Dann schrieb mich eines Tages die Lektorin von Neobooks an. Sie hatte meinen Text gelesen und bot mir einen Ebook Vertrag an.
Gemeinsam besprachen wir die geplanten Änderungen. Auch sie sah ein Problem in dem fiktiven Schauplatz, und ich beschloss, die Handlung nach Spiekeroog zu verlegen. Kurz darauf erhielt ich einen Anruf, in dem man mir mitteilte, dass mein Krimi nicht nur als Ebook sondern auch als Taschenbuch verlegt werden solle. Die Freude war riesig, aber natürlich auch die Aufregung. Auf einmal gab es Verträge und Abmachungen, alles, worauf ich seit Jahren hingearbeitet hatte, war von heute auf morgen eingetreten. Kurz darauf saß ich schon im Zug an die Nordsee, um meine erste Recherchereise anzutreten.
Immer wieder scheitert er an seinen eigenen Ansprüchen, aber er gibt niemals auf. Als Polizist, und auch, wenn es darum geht, sein eigenes Leben wieder auf die Reihe zu kriegen. Die ganzen Konflikte, mit denen er auf der Insel konfrontiert wird, vom unleidigen Revierleiter bis zu einem schier unlösbaren Fall, der ihn körperlich wie seelisch an seine Grenzen treibt, verändern auch seine Sicht auf die Menschen und auf sein eigenes Schicksal.
Ist er zunächst nur darum bemüht, seine Pflicht zu tun, so wird er nach und nach immer stärker in die Ereignisse involviert. Er muss den Mörder finden, um wieder vor sich selbst bestehen zu können.
Oh, sie wurde nicht ermordet. Es war ein Unfall, und der Verursacher kam ebenfalls ums Leben.
Er ist ein guter Ermittler. Auch wenn ihn immer wieder Zweifel überkommen, steht er voll und ganz hinter dem, was er tut, und er tut es mit Hingabe. Aber die neue Umgebung, die internen Probleme und schließlich der Fall, mit dem er es auf Spiekeroog zu tun bekommt, übersteigen zeitweise seine Kräfte.
Ob Berg ein typischer Ermittler ist, kann ich schwer beurteilen. Die Polizisten, die ich im Verlauf meiner Recherchen kennengelernt habe, sind sicherlich nicht weniger engagiert. Aber jeder Mensch hat eben einen anderen Hintergrund, eine andere Vergangenheit, und gerade bei Berg spielt diese Vergangenheit eine wichtige Rolle für sein Verhalten.
Ich sehe Herrlich als einen Menschen, der mit starken Minderwertigkeitsgefühlen zu kämpfen hat. Er gibt sich großspurig und rechthaberisch, lässt keine andere Meinung gelten, und all das nur, damit man nicht merkt, was für ein unsicherer Typ er im Grunde ist.
Er lebt quasi in einer Seifenblase. Dass er beruflich wie privat nicht viel erreicht hat, kann er sich nicht eingestehen, weil er damit nicht umgehen könnte. Also spielt er die Rolle des souveränen Sheriffs, der alles voll im Griff hat, und er spielt sie schon so lange, dass er selbst daran glaubt. Aber plötzlich treten Probleme auf, immer öfter muss er spüren, dass er allein nicht mehr gut zurecht kommt, dann erleidet er eine Herzattacke, und schließlich taucht noch jemand zu seiner Verstärkung auf.
Natürlich hat Herrlich Angst, aber auch die lässt er bewusst nicht an sich herankommen, stattdessen betrachtet er Berg als unqualifizierten Störenfried, der alles durcheinander bringt. Das kann nur schief gehen.
Auf jeden Fall, auch wenn er das erst im Nachhinein erkennt. Anfangs lenkt ihn die Arbeit lediglich von seinen Gedanken ab. Er funktioniert nur, reagiert häufig genervt und unausgeglichen und zweifelt an seinen Fähigkeiten.
Doch je tiefer er auch persönlich in den Fall verstrickt wird, desto verbissener setzt er sich ein - bis zur völligen Erschöpfung. Aber all diese Ereignisse helfen ihm auch, sich selbst aus einer anderen Perspektive zu betrachten und etwas Abstand zu seiner Vergangenheit zu gewinnen.
Auch Althuis hat es im Leben nicht immer leicht gehabt, aber sie besitzt ein sonniges Gemüt und eine herzliche, pragmatische Art. Sie geht nicht immer so feinfühlig mit ihren Mitmenschen um, wie man es vielleicht von einer Polizistin erwarten würde. Manchmal neigt sie zu voreiligen Schlüssen, aber im Gegensatz zu Herrlich ist sie in der Lage, ihre Fehler einzugestehen. Gerade Berg hat anfangs seine Probleme mit der neuen Kollegin, doch nach und nach wachsen die beiden zu einem richtig guten Team zusammen.
An der Ermittlung zu einem Mordfall sind in der Realität meist ziemlich viele Beamte beteiligt, oft weit über zehn Personen. Damit wäre das kleine Inselteam auf jeden Fall überfordert. Außerdem reist natürlich die Spurensicherung an, und es ist auf jeden Fall Eile geboten, um möglichst schnell die ersten Ergebnisse zu erzielen.
Dazu kann ich im Augenblick noch nichts sagen. Vorstellen könnte ich es mir aber sehr gut.
Nein, ich glaube, wenn es eine Fortsetzung gibt, werden die beiden den Fall wieder gemeinsam angehen. Ich finde, sie machen sich sehr gut zusammen.
Die meisten meiner bisher veröffentlichten Kurzromane und KG-Sammlungen sind vom Genre her irgendwo zwischen Horror und Psychothriller angesiedelt. Allerdings entwickelt sich das düstere Szenario eher langsam, und die Beweggründe der Protagonisten spielen immer eine wichtige Rolle.
Auch wenn übernatürliche Wesen oder Phänomene darin eine Rolle spielen, ist es doch die Skrupellosigkeit von Menschen, durch die das eigentliche Unheil seinen Lauf nimmt. Wunschlos tot, Sonnenthal, Den Tod im Herzen und auch mein neuestes Ebook Nacht der Verdammten gehören dieser Gattung an.
Darüber hinaus gibt es noch mehrere Kurzgeschichtensammlungen von mir, teilweise heitere, aber auch sehr nachdenkliche Texte. Diesen Blick auf das Dahinter, das Warum haben sie jedoch alle gemeinsam, weil das einfach eine Ebene ist, die mir beim Schreiben grundsätzlich am Herzen liegt.
Das ist schon ein erheblicher Unterschied. Ein Roman gibt dem Autor natürlich die Gelegenheit, dem Leser die Figuren auf eine viel ausführlichere Weise nahezubringen, eine breit angelegte Landschaft, mitunter ganze Welten zu entwerfen.
Die Kurzgeschichte gibt nur das essentielle wider, sie zwingt den Autor, Inhalt und Sprache auf genau das richtige Maß zu verdichten. Während der Leser in einem ansonsten spannenden Buch auch mal eine kleine Länge verzeiht, muss bei einer Kurzgeschichte jedes Wort sitzen, sonst verliert sie schnell ihren Glanz. Ein Kurzthriller ist so ein Mittelding, schon dem Roman recht ähnlich, aber eben doch noch ein wenig auf das Wesentliche reduziert.
Das ist schwer zu sagen, weil ich wahnsinnig gern experimentiere. Jede dieser Gattungen bietet beim Schreiben ganz bestimmte Vorteile. Da möchte ich mich nicht festlegen.
Wie gesagt könnte ich mir eine Fortsetzung des Friesensturm gut vorstellen. Außerdem arbeite ich im Augenblick an einem längeren Horrorthriller, eventuell soll eine ganze Reihe daraus entstehen. Es geht um einen Mann, der über Nacht aus seinem ruhigen Dasein herausgerissen wird. Plötzlich gibt es da eine Gruppe von Menschen, die ihm nach dem Leben trachten. Auf der Flucht muss er erkennen, dass seine ganze Vergangenheit auf Lügen basiert.
Ich habe zu danken.
Kommentare
Gerne gelesen!