Leser fragen ... Dietmar Kuegler zu »Ronco« und »Lobo«
... Dietmar Kuegler ...
... zu »Ronco« und »Lobo«
... zu »Ronco« und »Lobo«
: Ganz grundsätzlich: Manche Dinge sind nicht exakt kalkulierbar. Eine Romanserie wird von Menschen für Menschen gemacht. Man kann zwar aus seiner Erfahrung schöpfen und sich überlegen, was bei den Lesern gut ankommen könnte und welche Elemente man verstärken oder abdämpfen sollte, aber letztlich bleibt ein spekulatives Moment. Man kann mit einer Idee Erfolg haben oder scheitern, und die Gründe sind in keinem Fall genau erkennbar, weil hier auch Emotionen und irrationale Elemente im Spiel sind.
Wir haben damals keine Leseranalysen gemacht wie das heute häufig üblich ist. Wir haben uns nach unseren eigenen Gefühlen und Instinkten entschieden. Wenn wir eine Sache gut fanden, haben wir gehofft, dass andere sie auch gut finden werden.
Das Geheimnis des Erfolgs ist oft, dass man Leserwünsche erahnt und Trends wie mit einem feinen Sensor wahrnimmt und umsetzt. Man liegt nicht immer richtig, aber wenn man eine Trefferquote von 70-80% hat, ist man auf einem guten Weg. Bei Ronco hatten wir das Glück, eine recht aktive Leserkontaktseite zu haben. Durch die Leserpost hatten wir zumindest ansatzweise einen Eindruck, was bei den Lesern besonders gut ankam.
Zum Kern der Frage: Der amerikanische Westen ist im Gegensatz zum Klischee von Familien in Besitz genommen worden. Von daher war die Entwicklung der Person Roncos zum Familienvater in Anlehnung an die Geschichte logisch. Ferner hatte er jahrelang als Geächteter ein Leben auf der Flucht geführt, und wenn man ihn menschlich rüberbringen wollte, musste man ihm die Gefühle zugestehen, die jeder normale Mensch hat: Eine Partnerschaft, die Geborgenheit und Stabilität einer Familie. Diese Dinge geben einem menschlichen Leben Tiefe und Sicherheit. Im Übrigen muss ich bestreiten, dass das thematische Spektrum dadurch stark eingeschränkt wurde, etwa nur auf Bedrohung, Entführung des Sohnes o. ä. Das war nur gelegentlich ein Aspekt.
: Ich habe mit Ausnahme der ersten 20-25 Hefte und mit einer Unterbrechung von etwa einem Dreivierteljahr ALLE Exposés der Serie geschrieben. Diese Phase der Unterbrechung, in der ich andere Aufgaben wahrgenommen habe, fand irgendwann in den dreihunderter Nummern der Serie statt. (Ganz genau weiß ich die Nummern dieser Hefte leider nicht mehr, das müsste ich erst nachschlagen.) Als ich nach dieser Pause wieder eingestiegen bin, kamen ALLE Exposés von mir. Nicht nur für die Tagebuch-Romane (für die sowieso, immer), sondern auch für die normalen. Übrigens meine ich mich zu erinnern, dass ich schon relativ früh nach Beginn der Tagebuch-Geschichten die Romane nicht allein geschrieben habe. Wilhelm Kopp war als Ken Conagher in einem frühen Stadium dabei.
Das war auch immer eine Zeitfrage: Ich habe die Exposés geschrieben, die Leserkontaktseite (das Ronco-Forum) bearbeitet dazu gehörte die Beantwortung sämtlicher Leserpost , und Artikel für das Forum verfasst. Ich habe Sachbücher und Artikel für andere Verlage geschrieben und dann auch noch Romane verfasst. Dabei haben die Lobo-Taschenbücher einen wichtigen Platz eingenommen. Also, ich konnte beim besten Willen nicht jeden Tagebuch-Roman schreiben; aber die Exposés dafür waren natürlich alle von mir.
: Das hätte es zweifellos, aber wie in der vorstehenden Antwort erläutert es gab häufig Zeitprobleme.
: Das ist für mich heute kaum noch exakt nachzuvollziehen. Ich erinnere mich, dass Kurt Bernhardt Ronco einen Freund zur Seite stellen wollte. Auch das sollte eine Außenseiterfigur sein, ein Mann, der sich ständig im Leben durchbeißen musste, sodass es zwischen Ronco und ihm Bezugspunkte gab. Es sollte symbolisch ein einsamer Wolf sein, daher Lobo. Wer dann letztlich die Idee hatte, daraus ein Halbblut zu machen, weiß ich wirklich nicht mehr. Ich erinnere mich aber, dass Günter König mit Bildentwürfen kam, auf denen Charles Bronson zu sehen war. Da wussten wir das ist das Vorbild für unsere Lobo-Gestalt. Lobo wurde dann systematisch als zweiter Mann aufgebaut und kam wie die Leserpost belegte so gut an, dass sich die Idee einer eigenen Serie förmlich aufdrängte. Das Konzept eines Halbindianers, eines Menschen zwischen zwei Kulturen, der trotz Anfeindungen aufrecht seinen Weg geht, hat wohl niemand so konsequent durchgezogen wie wir damals. Während reine Indianerromane merkwürdigerweise nie ein richtiger Erfolg waren, konnte Lobo sich etablieren.
: Ja, das war absolut bitter. In diesem Moment wurde einem die Machtlosigkeit demonstriert, die man als Redakteur oder Autor gegenüber der Verlagsführung hat. Wir also Rainer Delfs, Müller-Reymann und ich sind von der Einstellung sehr kurzfristig informiert worden. Ich musste soweit ich mich erinnere noch 4, 5 Exposés schreiben. Dann war es vorbei. Unter so einem Druck schafft man kein logisches Ende einer so langen, komplexen Romanserie. Das wäre garantiert schiefgegangen. Nach so vielen Jahren der sorgfältigen Gestaltung der Geschichten hätte es unglaubwürdig gewirkt, alles innerhalb weniger Romane abzuwürgen. Dann lieber mit open end, so wie es war.
: Das ist heute, nach ca. 40 Jahren, schwer zu sagen, aber ich denke eher nicht. Vielleicht hätte ich die Linien, die ich nach Übernahme der Exposé-Redaktion gezogen habe, früher begonnen. Es wäre von Anfang an ein roter Faden dagewesen, der die Figur geführt hätte, weil diese Intention schon früh bei mir vorhanden war.
Man sollte aber auch nicht nachträglich Legenden spinnen oder sich spekulative Leistungen ans Revers heften: Ich war damals ein sehr junger Mann, 21 Jahre alt. Ich hatte zwar Erfahrungen im Heftgeschäft, aber ich war noch kein ausgebuffter Routinier und bin nicht mit fertigen Vorstellungen an die Serie herangegangen. Als ich in Ronco eingestiegen bin, lagen die ersten 4 Romane vor, die ohne Grundlinie geschrieben worden waren. Hans Gamber hat dann versucht, eine Richtung vorzugeben, die aber ziemlich diffus war. Er hat Einzelromane skizziert, die sich durch möglichst bizarre Ideen auszeichneten (eben Italo-Western). Ich habe eigentlich erst während der Arbeit an der Serie die Ideen entwickelt, die ich als Exposé-Autor umsetzen konnte, als die Figur des Ronco in mir gedankliche Prozesse ausgelöst hat, mir näher gekommen ist und ich überlegt habe, wie man sie verbessern kann. Es war ein bisschen wie das Stochern mit einer Stange im Nebel. Nicht nur Ronco musste eine Linie haben ich selbst musste eine Linie für meine Arbeit finden. Das ist mir durch learning by doing, also während der Arbeit gelungen. Während ich die Romane und die ersten Exposés schrieb, hat sich in meinem Kopf die neue Konstruktion geformt, die ich dann Schritt für Schritt umgesetzt habe. Man muss ehrlich zu sich selbst sein: Ich denke also nicht, dass ich von Nr. 1 an gleich den richtigen Weg gegangen wäre. Dafür fehlte mir in dieser Phase das Knowhow.
: Das war manchmal in der Tat dramatisch. Ich habe ja die Exposés immer auf Vorrat geschrieben, damit ich auch Freiraum für eigene Romane hatte. Also nicht 1 Exposé pro Woche, sondern manchmal 5, 6 Exposés in einer Woche. In der Regel immer in Viererzyklen.
Ich habe also häufig 8 oder 10 Tage lang nur Exposés geschrieben, bis ein Vorrat von 8 bis 12 Wochen vorlag. Dann habe ich meine Romane verfasst und dazwischen die Leserseiten bearbeitet.
In der Anfangsphase war das überhaupt kein Problem. Meine Fantasie ist mit mir durchgegangen. Ich musste mich manchmal selber bremsen. Die Geschichten kamen einfach so aus mir heraus, wenn ich mich in die Situation Roncos versetzt habe.
Das hielt etwa zwei, drei Jahre an. Dann wurde es schwerer. Ich habe Westernfilm-Lexika durchforstet und nach Inspirationen gesucht, um etwas Neues zu schaffen. Ich habe in der tatsächlichen Pioniergeschichte nach Themen Ausschau gehalten, die serien- und romangeeignet waren. Ich habe Tageszeitungen nach Anregungen durchgelesen. Irgendwie sind mir dann immer wieder Ideen gekommen.
Beispiel: Ich glaube, die Idee der kindlichen Hobobande, die in dem Exposé umgesetzt wurde, das mal im Zauberspiegel veröffentlicht war, ist mir nach dem Lesen eines Artikels über Kinderbanden in Südamerika gekommen. Wenn solche Grundideen oder Geistesblitze auftauchten, ging es dann darum, sie der authentischen Westernkulisse und Roncos Leben anzupassen und starke Personen zu integrieren. Die Personen mussten die Handlungsstränge tragen. Wenn ich dieses Netz geknüpft hatte, lag es an den Autoren, die Geschichten mit Leben zu erfüllen.
: Wie schon in einem vorherigen Interview angedeutet, habe ich mich weitgehend aus der Einteilung der Autoren herausgehalten. Das war das Metier von Rainer Delfs. Aber wenn ich wusste, dass z. B. Walter Appel für eine bestimmte Staffel vorgesehen war, habe ich mir die eine oder andere Variante einfallen lassen, für die er besonders begabt war. Ich mochte seine Romane und seinen Stil und wusste bald ziemlich genau, aus welchen Themen er ein Optimum herausholen konnte. So war es auch mit Wilhelm Kopp, der besonders gut humorvolle Wendungen einbauen konnte und sehr dialogstark war. Bei manchen anderen war es schwieriger. Insgesamt aber habe ich mich einfach darauf konzentriert, handlungsstarke Geschichten zu entwickeln, überraschende Wendungen zu integrieren und dann jeweils ein Gerüst zu schaffen, auf dem der Autor aufbauen konnte.
: Das ist sehr schwer zu beantworten, eigentlich gar nicht. Weil sich meine Situation total verändert hat und auch die Situation der Western-Unterhaltung in Deutschland grundsätzlich anders geworden ist.
Wenn ich darüber nachdenke, komme ich zu dem Schluss, dass ich vermutlich nicht so viel anders handeln würde als damals. Ich wollte gute, spannende Unterhaltung mit einem gehörigen Schuss Realismus und historische Authentizität in den Romanen. Das könnte heute ein noch stärkeres Element sein, weil ich inzwischen viel, viel mehr über den Ablauf der Pioniergeschichte weiß als damals und durch Recherchen vor Ort, durch wochenlange Aufenthalte im amerikanischen Westen und intensiven Kontakt mit Amerikanern der alten Frontier-Regionen mein Verständnis von dieser Zeit sehr vertieft habe. Andererseits: Ein Roman ist in erster Linie Unterhaltung. Mein Anspruch ist eine stimmige Geschichte, gute Charaktere, mit denen der Leser sich identifizieren, mit denen er leiden und sich freuen kann, eine logische, nachvollziehbare Handlung mit starken Spannungselementen. Wenn dann auch noch die authentische Kulisse stimmt und alles glaubwürdig rüberkommt, ist der Idealzustand erreicht. Wer sich nur über Tatsachen informieren will, wird ein Sachbuch lesen.
Ich denke noch immer, dass wir damals in Ronco eine gute Mischung geschaffen haben, die in gewisser Weise zeitlos war. Vielleicht wäre ich heute bei den Beschreibungen der Landschaft, der Orte, der Kleidung und Ausrüstung der Personen ein bisschen exakter. Ansonsten aber wären die Unterschiede gering.
: Die Antwort darauf habe ich weiter oben schon gegeben. Allgemein gesagt es war mal schwer und mal weniger schwer. So wie jeder andere Mensch auch, ist ein Autor nicht immer in derselben Stimmung. Gerade wenn man kreativ arbeitet, ist man häufig Schwankungen in der Gemütslage unterworfen. Es hat Zeiten gegeben auch nach jahrelanger Arbeit da sind mir die Exposé-Handlungen einfach aus dem Kopf geflossen. Ich habe gar nicht so schnell schreiben können, wie die Ideen sprudelten. Dann wieder gab es Tage, da habe ich mich mit jedem Satz gequält, bin mit Handlungssträngen in Sackgassen geraten, habe diese Tätigkeit verflucht, war mit dem Ergebnis zunächst gar nicht zufrieden und habe mich ausgebrannt gefühlt. Ich denke, das geht jedem so: Manchmal fällt die Arbeit leicht, dann wieder hängt sie einem zum Halse raus.
Bei aller Kreativität und Fantasie auch Schreiben ist ein Handwerk und erfordert solide Arbeit, Disziplin und Rationalität. Als Autor von Heftromanen kann man nicht immer warten, bis einen die Muse küsst. Man hat seine Aufträge, man hat seine Termine, und man muss akzeptable Ergebnisse abliefern, und zwar pünktlich. Diese Schilderung nimmt dem Dasein eines Schriftstellers vielleicht ein bisschen die romantische Aura, aber wir müssen alle unsere Arbeit tun, und die besten Ergebnisse erzielt man oft gerade dann, wenn man sich plagt und abmüht oder unter Druck steht..
: Ich müsste mich erst einmal wieder in die Geschichte einlesen und ein Gefühl für die Person bekommen. So etwas ist mir vor 30, 40 Jahren ziemlich leicht gefallen, weil ich tagtäglich in dieser Tretmühle steckte; sonst hätte ich nach dem Ende von Ronco auch nicht so leicht innerhalb einer Woche Serienaufträge für Marken erfüllen können. Ich denke aber, dass ich heute mehr Zeit benötigen würde, weil ich meinen letzten Roman wohl vor ca. 25 Jahren geschrieben habe und meine Arbeitsweise sich seither stark verändert hat.
Wenn ich die Zeit hätte, würde ich es für den Zauberspiegel versuchen. Aber ich bin so sehr mit Arbeit eingedeckt, dass schon dieses Interview für mich ein Opfer ist. Ich habe den eigenen Verlag zu verwalten, leite die Produktion des vierteljährlichen MAGAZIN FÜR AMERIKANISTIK, für das ich nicht nur schreibe, die redaktionelle Zusammenstellung mache, die Autoren heranhole, sondern auch selbst das gesamte Layout gestalte, sowie verschiedener Buchprojekte habe gerade selbst wieder ein eigenes Buch veröffentlicht und schreibe ständig aufwendige Artikel mit wissenschaftlichem Anspruch für Magazine wie den Pallasch in Österreich oder die RWM-Depesche. Im Augenblick gerade größere Arbeiten über den amerikanisch-spanischen Krieg auf Kuba 1898. Hinzu kommen noch meine Vorträge in diesem Jahr habe ich nur 2 Termine angenommen. Für die Familie müssen auch ein paar Stunden abfallen. Das Zeitproblem ist wirklich unlösbar.
: Meine Lieblingsfigur war natürlich Ronco selbst. Ab und zu mag es mal einen Charakter gegeben haben, der besonders hervorstach und von dem ich glaubte, dass er mir gut gelungen sei, aber Ronco war die tragende Gestalt. Auf ihn habe ich daher meine ganze Kraft und Energie konzentriert. Ich fürchte fast, dass sich irgendwann in Ronco auch Elemente, Denkweisen, Vorlieben und Abneigungen meiner eigenen Person wiedergefunden haben. Aber das will ich nicht tiefenpsychologisch analysieren. Es wäre nur natürlich, wenn es so gewesen ist.
Was die Themen anging, war eigentlich jeweils die neueste, die letzte Idee für mich immer die beste, die ich optimal umsetzen wollte. Wenn ich einen Viererzyklus begonnen habe, waren diese vier Geschichten für mich das Zentrum allen Denkens. Ich wollte den Autoren die bestmögliche Grundlage für tolle Romane bieten. Dabei habe ich nie darüber nachgedacht, für mich selbst etwas Besonderes zu schaffen. Die Romane selbst sind im Team entstanden. Ein Heft griff ins andere über. Die Exposés waren die Grundlage, und die Autoren haben sich mit der Übertragung der Ideen in den Romanen jeweils den Ball zugespielt. Es wäre mir nicht im Traum eingefallen, irgendeinem Autor oder mir selbst mehr Action, mehr Gags, stärkere Personen o. ä. zuzuteilen als einem anderen. Es zählte immer das Gesamtbild.
Über einen längeren Zeitraum gesehen hat mein Herz natürlich sehr an den Tagebuchromanen gehangen. Hier konnte ich mich besonders entfalten. Aber auch hier habe ich mir keine Themen reserviert. Ich habe ja ohnehin die meisten Tagebücher geschrieben; und wenn ich die Zeit für den Roman nicht hatte, bekam eben ein anderer Autor das Exposé, das genauso gut oder schlecht war, wie ich es für mich selbst gemacht hätte. Es ging immer nur um das Gesamtergebnis, nicht um die eigene Eitelkeit. Die Serie musste als Ganzes Erfolg haben, nicht nur bestimmte Themen oder die Romane eines bestimmten Autors. Grundlage dafür ist eine professionelle Einstellung, hinter der die eigene Person zurücktritt.
Leser fragen Dietmar Kügler zu ...
Wilden Westen und US-Geschichte (25. April 2012)
Kommentare
Es wäre natürlich schön gewesen nochmals einen Abschlussband für die Serie zu bekommen, selbst über ein Expose für diesen hätte ich mich tierisch gefreut.
Aber wer weiß, vielleicht eines Tages...