Cassens, Ina-Marie - Die Heilerin von Salerno (Broschiert)

Buchcover Cassens, Heilerin von SalernoDie Heilerin von Salerno

von Ina-Marie Cassens

erschienen: Februar 2007

573 Seiten, 8,95 Euro
ISBN: 978-3426633380

Droemer/Knaur

 

Salerno, 11. Jahrhundert: Eine besondere Welt muss das gewesen sein. Ein "Melting Pot" an Kultur, Religion und Wissenschaft.

 

Hier trafen sich Welten, existierten nebeneinander, in gewissem Sinn auch miteinander. Kreuzfahrerschiffe legen an und lassen ihre Verwundeten versorgen, Schiffe aus dem Morgenland bringen Handelswaren, einfache Handwerker, Adelige und Bettler, Nonnen und Dirnen, reiche Händler und Leprakranke. (siehe auch den Artikel über die "Schule von Salerno").

Und mittendrin Trota, die als erste Gynäkologin der westlichen Welt gilt.

Es ist diese beständige Spannung der unterschiedlichen, und teilweise auch unvereinbar(en / wirkenden) Welten, aus der das Buch einen Teil seines Reizes bezieht. Eine Frau als Ärztin? Als Hebamme, vielleicht, aber "wirklich" Heilen? Das kann eigentlich nur das Vorrecht der männlichen Ärzte oder des Klerus sein.

Das medizinische Wissen der westlichen Welt beruht unter anderem auf der Lehre der "4 Säfte", die im menschlichen Körper in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen müssen. Wo dies nicht der Fall ist, wird der Mensch krank. Das bis heute bekannteste (und berüchtigste) Mittel dieses Ungleichgewicht zu beheben war der Aderlass, der bis in die Neuzeit hinein weit gestreut praktiziert wurde.

Während in Europa das Hochmittelalter beginnt, kommt es 1095 als Nachwirkung des Konzils von Clermont zu den ersten Kreuzzugsbewegungen. 1099 erobern die "Helden" des ersten Kreuzzuges Jerusalem und die Normannen setzen sich in England fest.

In dieser Zeit arbeitet, lehrt und forscht Trota in der Schule von Salerno, in der auch Adelia Aguilar, Hauptfigur im historischen Krimi "Die Totenleserin" (nicht historisch verbürgt) ihre Ausbildung erhalten hat. Spannend war es, diese beiden Romane in so kurzer Zeit hintereinander zu lesen.

Zwei Traktate, die Trota von Salerno zugeschrieben werden (anhand verschiedener Forschungen unterstützt), beschäftigen sich mit Frauenkrankheiten und gynäkologischen Themen, ebenso Hautkrankheiten und kosmetischen Themen.

Die Heilerin Trota ist angreifbar: Sie hat eine ausgesprochen exponierte Rolle, hält nicht einfach den Mund, wird schwarzer Magie beschuldigt. Sie hat einen Sohn, der unter einer schweren Krankheit leidet, die damals als eine Strafe Gottes gesehen wird. Auch dieser "Schatten der Strafe" fällt auf sie.

Nach der strengen Lehre, gestützt durch Kirchenväter wie Hiernoymus oder Augustinus, galten Schmerz und Leid als Teil der Schöpfung Gottes und waren nicht verwerflich. Sie dienten der Läuterung der Seele oder waren Spiegel und damit die Strafe für ein sündiges Leben. ("Die Heilerin von Salerno", S. 103-104)

Trota lebt in vielen Zwiespalten. Sie sieht die Nöte der Frauen (ungewollte Schwangerschaften, sexuelle Übergriffe etc.) und fühlt sich genötigt zu handeln - in dem Wissen, dass beispielsweise eine Abtreibung ein schweres Verbrechen ist.

Die Verwicklungen lassen nicht lange auf sich warten: Trota gerät zwischen die Fronten einer Revolte, eines Mordes und muss fliehen. Nun ist sie nicht nur auf der Suche nach einer geheimnisvollen Arznei um ihrem Sohn zu helfen, sondern sie droht auch alles zu verlieren. Schließlich begegnet sie sogar dem muslimischen Händler und Gelehrten Halifa wieder, ihrern ersten großen und geheimen Liebe. 

Mit viel Akribie hat die Autorin Ina-Marie Cassens, hinter der sich niemand anderes als die Autorin Katryn Berlinger verbirgt (u.a. 2004 "Das Schokoladenmädchen"), sich an die Geschichte um diese besondere Frau gemacht.

Das Buch ist voll von Informationen, die am Rand einfließen und einem ein Bild zeichnen der Welt, in der Trota sich bewegt hat. Beschreibungen des Spitals, Szenen am Hafen, die Gelehrten der Schule, man nimmt Ina-Marie Cassens bedenkenlos ab, dass sie hervorragend recherchiert hat. Diese "Kleinigkeiten" sind es, die das Buch farbig machen und einem einen Eindruck einer Welt vermitteln, der man sich auf so interessante Weise nah und fern zugleich fühlt.

Allerdings hat sich meiner Ansicht nach aus dieser Fülle auch eines der Probleme ergeben: Die vielen Eindrücke wirken teilweise unverbunden und enden szenenhaft wie nach einer "Abarbeitung". Man taucht gerade noch in der einen Szene (und deren historischen oder medizinischen Informationen) und wird in eine neue gerissen. Etwas unzufrieden war ich dann auch von der plötzlichen radikalen Wandlung der Handlung ab etwa der Mitte des Buches nach Trotas unfreiwilligem Aufbruch. Ein ganzes Buch "lediglich" mit der in Salerno lebenden und agiernden Trota zu füllen wäre aus dramaturgischen Gründen wohl kaum machbar gewesen - wenn es auch der Tatsache des Lebens selbst dieser im besten Sinn "emanzipierten" Frau ihrer Zeit entsprochen hätte. So aber stürzt Trota durch eine turbulente Welt, wird durch Byzanz, Sidon und Damakskus gerissen und ... kehrt wieder zurück.

So interessant die historischen Elemente und Schilderungen waren, so unwahrscheinlich die Handlung der Flucht war, so "versöhnt" war ich mit dem Ende des Romans. Ich fand es grandios, dass Trota eben nicht mit ihrem Helden auf einem weißen Pferd in den Sonnenuntergang hinein reitet, sondern sich anders entscheidet.

In ihrem Nachwort erläutert Ina-Marie Cassens einige Ideen und Passagen ihres Buches und schreibt:

(...) Weil auch ein historischer Roman nicht ohne Dramaturgie auskommt und >>die<< Domäne des literarischen Spiels mit Fakten und Fiktionen schlechthin ist.

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