Multimedial betrachtet und in HD: Das Geheimnis der grünen Stecknadel
Multimedial und in HD:
Das Geheimnis der grünen Stecknadel
Jetzt erscheinen nach und nach sogar erstmalig Blu-Ray-Boxen. Die Filme sind gemastert. Hohe HD- Auflösung und ein brillantes Bild lassen die alten (zum Großteil in schwarzweiß gedrehten) Klassiker in neuem Glanz erstrahlen. Die Filme kommen in einem neuen, nie gesehenen Detailreichtum daher. Und das alles obwohl schon etliche Boxen auf DVD und Gesamteditionen erschienen sind. Jetzt lockt man die Fans erneut.
Leider haben die Bluray-Boxen einen entscheidenden Nachteil. Genauer gesagt sogar zwei. Die Boxen bieten kein Zusatzmaterial, also Bonus. Und das obwohl genug davon in den Archiven der Rialto und den UFA-Wochenschauen lagert. Auch unzählige Interviews mit den damals Beteiligten dürften noch auffindbar sein. Doch die Boxen bieten nur die Original-Kinotrailer an. Die findet man mit etwas Mühe aber auch auf Portalen bekannter Netzdienste. Bleibt als einziges Highlight also wirklich die Bildqualität. Aber der hohe Preis von etwa 35 Euro für drei Filme rechtfertigt das nicht. Da der Schreiber dieser Zeilen aber höchst neugierig ist und etwas von dem neuen Seherlebnis erfahren wollte, griff er zu einer Alternative. Dem HD-Streaming. Gleiche Qualität wie auf Bluray, nur eben wesentlich günstiger, wenn auch nicht physisch tastbar.
Von "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" ist noch keine BluRay-Version erschienen. Sollte diese kommen, darf man sehr gespannt darauf sein, denn es gibt eine Box von Koch-Media, die einiges an Überraschungen bietet. Zum einen und vor allem die italienische oder auch internationale Langfassung des Films von 107 Minuten. In Deutschland war im Kino nur eine 95-Minuten-Version zu sehen. Des weiteren bietet der Inhalt einige Interviews mit den damals Beteiligten. Von keinem Wallace-Film gibt es bisher ein derart ausführliches Protokoll. Das mag auch an der besonderen Stellung haben, den dieser Film zweifelsohne hat. Jedenfalls wenn man ihn in Verbindung mit Wallace sieht. Für sich gesehen ist der Film nichts weiter als ein gewöhnlicher Giallo, der höchstens durch die deutschen Schauspieler ungewöhnlich wird. Vielleicht auch durch einige nicht ganz so typische Brutalismen.
Der Film wurde von den Italienern zunächst im Alleingang geplant. Um Produktionskosten zu sparen suchte man sich einen Partner und kam auf Horst Wendlandt zu, mit dem man schon bei Das Gesicht im Dunkeln und Das Rätsel des silbernen Halbmonds zusammenarbeitete. Wallace war in Italien sowieso beliebt, doch hatte man dort eine eigene Reihe. Einige Beobachter sehen in Wallace gar die Initialzündung für den Giallo.
Wendlandt wollte den Film natürlich als Wallace-Film vermarkten um ihn für das deutsche Publikum attraktiv zu machen. Dafür war es aber auch nötig einige typische Wallace-Stars mit an den Set zu holen. Die Wahl fiel auf Günther Stoll, der den Inspektor Barth spielen sollte. In Das Gesicht im Dunkeln war er ebenfalls der Inspektor. Kurzfristig sagte auch Joachim Fuchsberger zu, noch einmal in einem Wallace mitzuspielen. Daraufhin fand eine Umbesetzung statt. Stoll übernahm den Part des Mörders und Fuchsberger spielte Inspektor Barth. Für die Rolle der deutschen Lehrerin Herta wollte man Karin Baal einsetzen, die damals in der Schweiz wohnte. Das Team um Regisseur Massimo Dallamano besuchte sie dort. Baal sagte letztlich nur zu, weil auch Fuchsberger mitwirkte. Das nahm ihr das Misstrauen, da ihr das Drehbuch nicht zusagte. Sie fand es abscheulich und lies sich vertraglich dahingehend absichern, dass keine Nacktszenen mit ihr gedreht werden.
"Wenn der Blacky mitspielt, kann es ja nicht so schlecht sein" (1)
Den Plot mit der Stecknadel baute man offensichtlich auch zur Beruhigung der deutschen Finanziers mit ein. Denn einen ähnlichen Titel gab es als Wallace-Roman und Herbert Reinecker verfasste drei Jahre zuvor sogar ein Drehbuch, dass auf eben diesen Roman basieren sollte. Da der Film aber nicht verwirklicht werden konnte, (die Erfolge der Wallace-Filme ließen nach) wurde der Titel für diesen Film verwandt. Natürlich für den deutschen Verleih. Aus der Stecknadel machte man eine grüne Stecknadel, da man mehr Bezug zu alten Wallace-Filmen wollte. Auch das Opening mit dem Spruch "Hallo! hier spricht Edgar Wallace" und den Schüssen, gab es nur in den deutschen Kinos zu sehen. Ein weiteres Zugeständnis an Wendlandt war es wohl auch die Handlung nach England zu verlegen. Paradoxerweiser ist dieser halb-italienische Wallace, einer der wenigen der in London gedreht wurde.
Der italienische Schauspieler Fabio Testi übernahm den Part des Lehres Rossini. Der war damals ein aufstrebender Star in Italien. Er spielte später auch neben Romy Schneider und Klaus Kinski in "Nachtblende".
In diesem Wallace-Film ist er der eigentliche Hauptdarsteller neben Karin Baal. Fuchsbergers Part als Kommissar gerät etwas in den Hintergrund. Er hat zwar die Ermittlungen in der Hand, doch die Figur des Mr. Rossini nimmt im Laufe der Handlung die Ermittlung auch selbst in die Hand. Seine Frau (Karin Baal) unterstützt ihn. Überhaupt dreht sich die Handlung in der Hälfte des Films etwas. Rossinis Geliebte wird umgebracht und er fühlt sich wieder zu seiner Frau hingezogen, sieht seine Fehler ein und wird vom undurchsichtigen zum positiven Charakter. Alles in allem ist Fuchsbergers Part eher passiv. Der Ermittlungsstil, den er darzustellen hat, ist sachlich und routiniert. Anders als früher in den Wallace-Filmen und auch Krimi-Dreiteilern wo er actionbetont und draufgängerisch agierte.
Die internationale Langfassung, die mir nun vorliegt ist um 14 Minuten länger als die deutsche Fassung. Die Unterschiede fangen schon beim Vorspann an. Der ist in der Originalfassung ganz anders - und das nicht nur weil das typische Wallace-Inro fehlt. Es gibt auch zusätzliche Szenen, wie etwa das Boot von Rossini und seinem Mädchen über den See gleitet. Auch die Musik von Ennio Morricone dauert länger. Während der eingeblendeten Credis sieht man junge Mädchen mit Fahrrädern fahren. Es fehlen auch einige Szenen während der Handlung, die nicht nachsynchronisiert, dafür aber untertitelt werden. Ferner fehlen die entsprechenden Szenen, in denen man das Messer (Mordwerkzeug) in den Vaginas der Mädchen stecken sieht. Diese Szenen wurden in jedem Land gezeigt - nur in Deutschland glaubte man offenbar, das Publikum bevormunden zu müssen. Vielleicht wollte man auch einer Einstufung ab 18 seitens der FSK entgehen. Denn dadurch wäre - wie schon bei dem Film Zimmer 13 geschehen - eine ganze Zielgruppe aus dem Kino ausgesperrt gewesen.
Karin Baal ärgerte die Umsetzung im allgemeinen. Sie glaubte im fertigen Film Szenen gesehen zu haben, die nicht im Drehbuch standen.
"...aber vielleicht hatten die Italiener ja ein anderes Drehbuch" (2)
An Fabio Testi bemängelte Frau Baal seine Unbeholfenheit. Man musste ihn leiten wie ein kleines Kind. Sie bekam einen Crashkurs in Englisch, weil man in Englisch drehte. Doch die Italiener sprachen ein schlechtes Englisch, lernten das zum Teil gar nicht. Und so verstand sie ihren Partner Testi nicht. Sie antwortete daher blind auf seine Stichworte, was zusätzlich schwierig war. Testi erklärte das damit, dass man seinerzeit auf die Lippenbewegungen achten musste, denn schließlich wurde später nach-synchronisiert.
Ball tat auch ihre Kollegin Claudia Buthenuth leid. Sie musste sich in einer Szene entblößen. Um ihr zu helfen, bedeckte sie ihre Kollegin in der entsprechenden Szene. Regisseur Dallamano sei daraufhin sehr ungehalten geworden.
Die Baal erzählt ferner, dass sie gern in England un Italien gedreht habe und das Geld gestimmt hat. Aber ansonsten lies sie kein gutes Haar an dem Werk.
Joachim Fuchsberger hat laut eigenen Aussagen, die Erinnerung an den Dreh dieses Films verdrängt (3).
Pilar Castel, die eines der Mordopfer spielte wusste viel über den Film zu sagen, der ihr erstes größeres Projekt war. Sie erinnerte sich daran, dass sie einen ganzen Drehtag lang auf einer Wiese liegen musste (als Leiche), da man es nicht schaffte die Szene zur Zufriedenheit von Dallamano in den Kasten zu bekommen. In anderen, viel komplexeren Szenen ging es dagegen oftmals ganz schnell.
Das Drehbuch schrieb Dallamano zusammen mit seinem Mitarbeiter Bruno di Gironnimo. Den deutschen teil steuerte Peter M. Thouet bei, der auch die Fernsehserie "Timm Thaler" mit Thommy Ohrner schrieb.
Der Originalroman von Wallace
Im Roman Das Geheimnis der Stecknadel geht es um einen Millionär, der im Tresorraum seines Hauses tot aufgefunden wird. Da die Tür von innen verschlossen war, geht es um die Frage wie der Mörder aus dem hermetisch verschlossenen Raum gelangen konnte. Einziges Indiz in dem Raum ist eine Stecknadel.
Weitere Darsteller des Films
Neben den bereits erwähnten spielte Reiner Penkert den Schuldirektor. Fritz Tillmann sollte ursprünglich den Mörder spielen. Durch die Umbesetzung von Günther Stoll fiel er allerdings weg.
(1), (2) = Karin Baal
(3) Joachim Fuchsberger
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Quellen: German Grusel (Dokumentation, Arte 2011), u.a. Interview mit Joachim Fuchsberger/ Interview auf der BD, u.a. mit Karin Baal/ Joachim Kramp: Hallo! Hier spricht Edgar Wallace, Schwarzkopf & Schwarzkopf 1998
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Kommentare
Einige der Extras waren zuvor auf der BD von Arrow von 2015. Das Interview mit Karin Baal ist wirklich sehenswert. Die macht die Italiener auf eine Weise runter, wie man sie selten in solchen Interviews sieht. Was okay ist, schließlich ist es ihre Meinung. Auch wenn es sehr verklemmt und selbstgerecht rüberkommt. Vor allem, wenn dann ihre italienischen Kollegen denselben Sachverhalt völlig anders in Erinnerung haben
Dass die deutschen Schauspieler dem Giallo nichts abgewinnen konnten, verwundert nicht wirklich. Auch wenn die meisten nichts mehr davon wissen wollen, haben sie in Italien gelegentlich doch sehr gute Leistungen gebracht. Fuchsberger und Marianne Koch zb in Margheritis Schreie in der Nacht sind wirklich sehenswert. Den Film hätten sie in Deutschland nie drehen können. Absolut gegen ihren Typ besetzt.
Nicht zu vergessen: Das Prinzip, andere Filme als Fortsetzungen bekannter Filme zu verkaufen, wurde ja öfter angewandt: Ich glaube, bei den Django-Filmen (hier lasse ich mich aber gerne belehren - bin da nicht ganz firm); und "Nobody ist der Größte" fällt mir zudem auf Anhieb ein.
Joachim Fuchsberger: Da muss ich immer an "Das fliegende Klassenzimmer" denken. Hier hatte er, zusammen mit Heinz Reincke, seinen großen Moment.
Schade, dass aus den Karl-May-Verfilmungen mit ihm nichts mehr wurde. So viel ich weiß, hatte er hier Verträge für 3 Filme unterschrieben.
Sein Fluch war es immer den Guten spielen zu müssen. Wenn man so will. So hat er eigentlich immer fast den selben Typ gespielt. Krimiheld. Deshalb lässt er sich schauspielerisch eben schlecht bewerten. Anfang der Siebziger hat er erkannt, dass er zu alt für den smarten Helden wurde und ist ins Showgeschäft gegangen.Den bösen Part hätte man ihm wahrscheinlich nie abgenommen. Dazu war er einfach DER Sympathieträger. Schon zu Wallace-Zeiten war er ja auch Showmaster. Anders als Heinz Drache, Siegfried Lowitz und Eddi Arent, die in der Reihe auch mal böse sein durften. Kinski sogar mal ein Guter sein durfte.
Alles in allem hat das Fuchsberger als "Nicht-Schauspieler" aber sehr gut gemacht. Wenn ich da an die heutige Nuschel-Fraktion denke...
Kinski hat auch nie geschauspielert.
Der Mann war geistig schwer gestört und hat sich nur in den gewohnten Bahnen bewegt. Heutzutage würde man dies zudem eher als überzogen oder "Overacting" bezeichnen.
Fuchsberger bezeichnete Kinski als seinen Freund. Und immer wenn er ihn interviewte im TV war er wirklich handzahm und nicht ein einziges Mal auffallend. Fuchsberger sagte tatsächlcih über ihn, dass er mit seinem Gehabe eine Erwartung bediente und alles war genauso geschauspielert wie in seinen Filmen.
Man könnte jetzt über jeden Schauspieler sagen, dass er immer gleich spielt. Ich denke an gewisse Gesten oder Stimmlagen, die immer wider auffllen - in jeder Rolle. Sei es nun Götz Georges obligatorisches Naserümpfen, heinz Draches übliches über Gesicht fahren oder auch andere Dinge. Was ist nun ein guter Schauspieler. Die besten kommen meiner Meinung nach soweiso nur vom Theater. Der Martin Held gehört dazu. Der Fuchsberger nicht. Der Heinz Drache sehr wohl. Auch der Kinski. Der Fehler sit eben, dass sie immer nach ihrem Typ im TV und Film besetzt werden. fast immer. Von Verkleidung hat noch nie jemand etwas gehört. Ich denke an Johnny Depp, der in seiner Piratenverkleidung eben ganz anders war als bei seinem Outfit bei Alice im Wunderland. Oder auch Albert Finney, der als junger Bursche einen alternden Hercule Poirot spielte.
Am Theater wird viel verjleidet. Im Film und TV weniger.
Gute und schlechte Schauspieler gab es schon immer und zumeist - da sollte man auch mal ehrlich zu sich selbst sein - macht das doch auch jeder daran fest, ob der besagte Schauspieler oder die besagte Schauspielerin einem persönlich sympathisch ist, oder eben nicht.
Gesamt gesagt, spielt auch hier immer der persönliche Geschmack eine nicht zu unterschätzende Rolle.
PS: Natürlich gibt es dann auch noch die völlig Talentfreien, bei denen sich alle einig sind. Aber die findet man eher in sogenannten C- oder D-Movies vor, bei denen eh Laiendarsteller die billigere Variante sind.
Zumindest ist da ein Darsteller wie Fuchsberger damals noch Gold gegen wert gewesen.
Wie sagte doch ein bekannter Mann des Fachs, dessen Name ich jetzt nicht parat habe: Früher gab es eine Menge an begnadeten Schauspielern, die unbedingt ein großer Star werden wollten. Heut gibt es viele sogenannte Stars, die unbedingt Schauspieler werden wollen.
Die größte Talentschmiede scheint hingegen Wien und dort im Speziellen das Burgtheater zu sein. Viele Oscar-preisträger oder zumindest Nominierte stammen ja aus Austria.
Warum hätte er sich da auch den Arsch aufreißen und "spielen" sollen? Vor allem in einem Film, in dem alle bis auf Connerys Toupée fehlbesetzt und blass waren?
Fuchsberger muss ein ziemlicher Realist gewesen sein. Immerhin war er so ziemlich der Einzige, der den Absprung geschafft hat, als der deutsche Kinofilm im sterben lag. Und seine letzten Filme waren auch Mist. "Mädchen aus Hongkong" ist furchtbar, das "Fliegende Klassenzimmer" taugt auch nicht viel.
In den angelsächsischen Ländern ist dies ganz anders. Ich greife man mal wahllos einige Schauspieler heraus, die in den letzten drei Jahren für den Olivier-Award (so etwas wie der britische Bühnen-Oscar) nominiert waren: Da finden sich Stars wie Kenneth Branagh, Benedict Cumberbatch und David Suchet, wie Judi Dench, Nicole Kidman und Glenda Jackson, aber auch 'Supporting Actors' wie Tom Hollander, Andrew Scott, Janet McTeer und Lesley Manville. Alle diese Schauspieler kennt man auch aus Filmen und Fernsehproduktionen. Gerade die englischen Krimiserien von „Inspector Barnaby” bis „Vera” sind eine einzige Parade englischer Bühnenschauspieler.
Vergleichbares fällt mir im deutschsprachigen Raum nicht ein. Viele, durchaus kompetente TV-Stars machen einen Bogen um die Bühne und dass sich die hiesigen Bühnenstars um die Filmrollen reißen, kann man auch nicht behaupten. Eine namhafte Ausnahme ist u.a. Caroline Peters, die als Sophie Haas in „Mord mit Aussicht” ihren festen Platz im Fernsehen hat, die aber auch als Mitglied des Burgtheaters mehrfach für den Nestroy-Theaterpreis nominiert war, bzw. ihn 2018 erhielt.