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Die Bewandtnis mit Atlantis: 3. Der archäologische Befund - Inseln im Atlantik

Die Bewandtnis mit Atlantis3. Der archäologische Befund
Vulkanquellen und angebliche Stufenpyramiden: Inseln im Atlantik

Nun haben wir schon so viele mögliche Deutungen untersucht, und dabei die naheliegendste eigentlich noch gar nicht angesprochen: Könnte das Eiland in dem Ozean gelegen haben, nach dem es benannt worden ist? An demjenigen, an dem Gadeira liegt, und auf dem man über weitere Inseln zu einem gegenüber liegenden Kontinent gelangen kann? Warum also sollen wir an der Donau, im Nahen Osten oder in der Ägäis suchen, wo Platos Worte doch recht eindeutig sind? Das ist ja so, als würden wir auf der Schatzkarte eines Piraten konsequent das „X“ ignorieren!

 

Der Atlantik, er war das Gebiet jenseits des Atlas- Gebirges, welches südlich der Meerenge von Gibraltar liegt. Der Sage zufolge war es der Riese Atlas selbst, der das Himmelsgewölbe trug, und der zu Fels erstarrte, als ihm der Held Perseus das Haupt der Medusa entgegen hielt. Atlas aber wird von Plato als erster der Könige von Atlantis angeführt.

In der Tat lag auch im Maghreb der Meeresspiegel während der Eiszeiten niedriger als heute; man konnte zu Fuß nach Spanien gelangen. Doch der Schelf- Bereich ist recht klein; es deutet nichts darauf hin, daß hier größere Landmassen ein Opfer der Nacheiszeit geworden sind. Weder dürften die dazugehörenden Flutereignisse den Charakter von Katastrophen gehabt haben, noch sind hier nennenswerte unterseeische Plateaus bekannt.

Doch wir müssen ja nicht in der Nähe des Festlands bleiben, bieten sich doch gleich mehrere Gruppen von Hochsee- Archipelen zur Auswahl an. Gemeinsam ist ihnen eigentlich nur die Lage westlich von Afrika oder Europa. Es sind die Inseln von Madeira, westlich von Marokko gelegen, die südlich davon gelegenen Kanaren, das schon sehr weit südliche Kapverden (15° N), und die ebenso entlegenen Azoren weit westlich auf dem Mittelatlantischen Rücken. Zusammengefaßt werden sie als „Makaronesen“ (was mit italienischer Pasta nichts zu tun hat). Bisweilen werden sie als Berggipfel eines versunkenen Atlantis gedeutet, wobei immer wieder auch die Antillen und die Bahamas vor der Küste Mittelamerikas gern hinzugerechnet werden. Geologisch betrachtet, ist dies allerdings vollkommener Blödsinn. Der dazwischen liegende Mittelamerikanische Rücken hebt sich eher, und produziert nach Osten und Westen ozeanische Kruste. Der Antillen- Bahamas- Makaronesen- Hypothese zufolge hätte er mitten in der Landmasse liegen, und mit ihr untergehen müssen. Rift- Systeme aber sind keine geomorphologischen Phänomene, die auf einen Kontinent beschränkt sind, sie sind Risse in der Erdkruste selbst (verbunden mit entsprechenden Konvektionsströmen im Erdmantel).

Das erste Archipel, das in den Theorien eine Rolle spielt, ist Madeira. Schon die Bezeichnung allein läßt sich nur allzu leicht mit Gadeira und Gadeiros verwechseln. Doch diese Ähnlichkeit täuscht: Zwar beherrschten die Phönizier Karthagos die Inselgruppe, wenn die Lehrmeinung zu den Berichten von Diodoros und Pseudo- Aristoteles zutrifft, doch hieß sie da „wunderbare Insel“. Das Wort „Madeira“ ist nämlich portugiesisch, und heißt nichts weiter als „Holz“. Dies bezieht sich darauf, daß die Inseln einmal „waldumschattet“ gewesen sind (Heute ersetzen Plantagen und Weinberge den einstigen Forst). Immerhin beschrieb Plinius, der Jüngere, ein Eiland in Höhe Madeiras, das er Atlantis nannte.

Aber nicht nur antike Quellen sprachen für eine Verbindung dieses Archipels mit Platos Imperium: In den 1970‘er Jahren schoß das sowjetische Forschungsschiff Moskovsky Universitet zwischen Portugal und Madeira Fotos vom Meeresboden. Dabei sollen Mauern und von Lava überflossene Treppen abgelichtet worden sein, 450 km vom Festland entfernt. Eine erneute Expedition 1985 hat aber für Ernüchterung gesorgt, als sich herausstellte, daß es sich lediglich um Formationen von Vulkangestein gehandelt hat, die natürlichen Ursprungs sind.

Ein kleines Mysterium stellen die Ureinwohner der Kanaren dar, die Guanchen. Weder ist klar, wann sie die Inselgruppe erreicht haben, noch wie. Denn als sie in den Schriften der Römer auftauchten (u. a. in Ovids „Metamorphosen“), kannten sie noch nicht einmal mehr das Boot. Es deutet Einiges darauf hin, daß es Einflüsse aus dem spanischen Raum gegeben hat, vielleicht schon zu Zeiten der Glockenbecher- Kultur. So werden sie vom Erscheinungsbild her als europäisch bezeichnet, mit blasser Haut und rotblondem Haar. Anthropologische Befunde weisen ebenfalls in diese Richtung. Die Kultur dieses Völkchens war neolithisch, allerdings kannte man aus Mangel an Lagerstätten keine Metallverarbeitung.

Unbestritten ist aber der maurische Einfluß. Eventuell gab es schon Ansiedlungen unter Beteiligung phönizischer Schiffe, aber auch Deportationen Aufständischer zur Zeit des römischen Kaisers Claudius. Auf jeden Fall weisen manche Vokabeln auf eine Verwandtschaft ihrer Sprache mit denen der Berber hin.

Eines aber waren die Guanchen gewiß nicht: Ein Volk, auf daß Platos Beschreibung der Atlanter paßte. Bestenfalls als kolonialen Außenposten könnte man sie in Betracht ziehen. Die Stufenpyramiden, die Thor Heyerdahl auf Teneriffa entdeckt und ihnen zugeschrieben hat, sind archäologischen Untersuchungen zufolge erst im 19. Jahrhundert errichtet worden, also lange nach der spanischen Inbesitznahme, und erst recht lange nach Plato oder gar Atlantis.

Von den Strömungsverhältnissen her würden sich die Kanaren zwar ideal als Sprungbrett nach Amerika eignen, und die phönizischen, griechischen und römischen Schiffe hätten auch über die erforderliche Seetauglichkeit verfügt, aber diesbezüglich gibt es keinerlei Nachweise. Und gerade bei der letzten Station vor der Überquerung des Atlantiks wären Kaianlagen und Vorratsdepots mit entsprechenden Bauten zu erwarten. Angesichts der zahlreichen steinzeitlichen Siedlungen, die man in Europa nur anhand von Pfostenlöchern hat ausfindig machen können, irritiert es doch, wenn von einem angeblich hier zu lokalisierenden Stützpunkt nicht auch nur das Geringste zu finden ist.

Zwar hat man bei den Statuen der Olmeken in Mittelamerika physiognomische Eigenarten postuliert, die als europäisch, asiatisch oder negroid interpretiert worden sind, ja, es wurden sogar Bärte ausgemacht. Andererseits weisen diese Standbilder aber auch stilistische Elemente auf, so daß es problematisch ist, sie als naturgetreue Abbilder realer Personen zu deuten.

Aber noch etwas spricht gegen die Deutung von Madeira oder den Kanaren als Überreste von Platos Eiland: Bei der Mehrzahl der Makaronesen handelt es sich um unterseeische Vulkane, die durch Aufschichtung von Auswurfgesteinen in die Höhe gewachsen sind. Ihre Lage auf ozeanischer Kruste oder inmitten der Mittelozeanischen Rift- Zone schließt es in der Mehrzahl der Fälle aus, daß sich ihre Basis jemals oberhalb des Meeresspiegels befunden hat. Damit kann man ausschließen, daß sie sich jemals auf heute untergegangenen Großinseln oder Kleinkontinenten befunden haben. Das gilt erst recht, wenn diese „Berge“ beiderseits des Mittelozeanischen Rückens liegen sollen.

Eine interessante Ausnahme mag Kapverden bilden, auch bekannt als die Inseln über und unter dem Winde. Der Diercke- Weltatlas zeigt hier auf seiner Weltkarte zur Vegetation vor 18.000 Jahren (S. 226, Karte 2 in der 5. Aktualisierten Auflage 2002) eine Landmasse an, die sämtliche kleinen Eilande zu einem großen vereint. Freilich liegen sie arg weit südlich vor den Säulen des Herakles, aber sowohl die phönizische Expedition Pharao Nechos II., als auch der karthagische Admiral Hanno mögen sie auf ihrer Heimfahrt gestreift haben, so daß sie zu Platos Zeiten in eingeweihten ägyptischen Kreisen bekannt gewesen sein könnten. Die Betonung liegt allerdings auf dem Konjunktiv, denn erwähnt werden sie zum ersten Mal bei Kolumbus; aus der Antike ist uns kein Hinweis auf ihre Existenz überliefert.

Überhaupt scheinen diese unwirtlichen Inseln bis zum Eintreffen der Portugiesen vollkommen menschenleer gewesen zu sein. Die spärliche Fauna läßt deutlich erkennen, daß es sich bei den Tieren um Einwanderer aus jüngerer Zeit handelt. Bei den einzigen einheimischen Säugetieren handelt es sich zum Beispiel um eine auch auf dem Kontinent vorkommende Fledermaus- Art. Von den Verhältnissen, wie sie für Atlantis gegolten haben sollen, ist dieses in den Breiten des nördlichen Wüstengürtels gelegene Archipel denkbar weit entfernt.

Dies sind freilich die Verhältnisse, wie sie sich uns heute präsentieren. Die Sahara auf dem gegenüberliegenden Festland trocknete jedoch erst gegen 3000 v. Chr. vollständig aus, also mag ähnliches auch für die Inseln über und unter dem Winde angenommen werden. Nun lassen sich zwar europäische Verhältnisse (aufgrund der isostatischen Prozesse nach Abschmelzen der Gletscher) nicht so einfach auf afrikanische übertragen, aber aufgrund des allgemeinen Meeresspiegel- Anstiegs mag die Überflutung des Kapverden- Plateaus vielleicht zur flandrischen Transgression zwischen 6000 und 4000 v. Chr. anzusetzen sein, während der auch der Ärmelkanal unter Wasser geriet.

Damit geraten manche Besonderheiten des Archipels in ein ganz neues Licht. Die auch für Atlantis typischen Bewässerungskanäle sind zwar neueren Datums, doch zu den wichtigsten Exportgütern gehört Puzzolan, ein vulkanisches Gestein, das zur Herstellung von Zement verwendet wird. Aufgrund der Herkunft läßt sich das „Berg“ im Wort „Bergkupfer“ leicht begründen, und die „flammende Farbe“ ließe sich auf diejenige frisch ausgetretener Lava zurückführen.

Doch bei Licht betrachtet sind diese Ähnlichkeiten nur oberflächlicher Natur. Die Kanäle sind eine Notwendigkeit aufgrund des ariden Klimas, und Puzzolan hat weder metallische Eigenschaften, die eine Klassifikation als „Erz“ oder gar „Kupfer“ erlauben würden, noch hätte seine Förderung lange vor der Erfindung des Zements irgendeinen Sinn gehabt.

Und schließlich stehen wir vor dem Hauptproblem: Die Insel über und unter dem Winde waren unbewohnt. Hätte es hier Guanchen oder eine andere Urbevölkerung gegeben, hätten sich zumindest Relikte einer mesolithischen Kultur finden lassen müssen. Aber weder kennt man bearbeitete Steinwerkzeuge, noch Siedlungsplätze, geschweige denn die Überreste einer großen Stadt mit konzentrischen Mauerringen. Natürlich mögen die auch auf dem versunkenen Plateau liegen, der natürlich archäologisch noch nicht untersucht worden ist, während die Berghänge, die heute noch oberhalb des Meeresspiegels liegen, unbewohnt gewesen sind.

Mit dieser Argumentation begeben wir uns allerdings in die Fußstapfen von Donnelley, Berlitz und Muck, indem wir daraus, das nichts bekannt ist, die Folgerung ziehen, daß alles möglich gewesen sein kann. Nach unserem derzeitigen Kenntnisstand müssen wir jedoch davon ausgehen, daß es hier vor Eintreffen der Portugiesen keine einheimische Bevölkerung gegeben hat.

Aber wie ist es weiter draußen? Gab es da nicht einmal eine Geschichte mit einer plötzlich auftauchenden Insel? Genau! Surtsey lautet ihr Name, und sie liegt südlich von Island auf dem Mittelatlantischen Rücken. Island selbst verdankt seine Existenz diesem Rift- System, an dem täglich neue ozeanische Kruste entsteht.

Im Zusammenhang mit Surtsey hatte sich noch eine weitere Insel aus dem Meer erhoben, die heute allerdings wieder versunken ist. Der Grund dafür war, daß ihre Oberfläche vorwiegend aus Asche und lockeren Tuffen bestanden hatte, die für Erosion durch Wind und Wetter besonders anfällig sind. Für Atlantis könnte dieses Modell nicht greifen, da eine menschliche Besiedlung zum einen eine gewisse Größe des Eilands voraussetzt, so daß eine Abtragung mehr Zeit in Anspruch nehmen würde. Und zum anderen braucht es eine Pflanzendecke als Ernährungsgrundlage, die den Boden bindet.

Aber Surtsey ist ja nicht die einzige Landmasse, die ihre Existenz den vulkanischen Aktivitäten eines Mittelozeanischen Rückens verdankt. Da sind schließlich auch noch Island und die Azoren. Nun, Island mag zwar vielleicht das Thule Pytheas‘ von Massilia sein, aber weder hat es je über ein mediterranes Klima verfügt, noch liegt es sonderlich nahe bei den Säulen des Herakles. Auch wissen die Archäologen hier nichts von einer untergegangenen Hochkultur, und die Geologen nichts von einem versunkenen Kleinkontinent.

Aber da sind ja auch noch die Azoren, und die spielen tatsächlich bei vielen Atlantis- Theorien immer wieder eine Schlüsselrolle. Aber mit Ausnahme der Insel Santa Maria sind auch sie allesamt vulkanischen Ursprungs. So fallen auch ihre Küsten relativ steil ab, daß sie bei dem niedrigeren Meeresspiegel der Eiszeiten nur wenig größer gewesen sind als heute. 1500 km von Europa und 3500 km von Nordamerika entfernt, hatten sie nie über eine Landverbindung zu den Kontinenten verfügt. Einheimische Elefanten sind somit auszuschließen, und tauchen daher auch im Fossilbericht nicht auf.

Auch die menschliche Besiedlung scheint erst relativ spät erfolgt zu sein. Man kennt einige phönizische Münzen, aber es läßt sich keine Aussage darüber treffen, ob das umtriebige Handelsvolk hier regelmäßig vor Anker gegangen ist, eventuell von Gades aus, oder ob es nur zufällig einen ihrer Segler hierher verschlagen hat. Schließlich kennt man auch römische Münzen von der Ostküste Südamerikas. Da aber keine der vielen Schriftstücke Roms das Land im Westen erwähnt, wird wohl auch keiner der dort gelandeten Seeleute heim gefunden haben. Ansonsten hätten sich die Cäsaren gewiß nicht anders verhalten, als später die Könige Spaniens, und stante pede Kolonien errichtet.

Die heutige Besiedlung der Azoren setzt mit den Entdeckungsfahrten der Portugiesen im 15. Jahrhundert ein. Freilich kennen wir zumindest im Ansatz die Geschichte der Besiedlung Ozeaniens, und bei der Einwanderung in Nordamerika über die Beringstraße mögen primitive, aber für die Küstenschiffahrt taugliche Bootstypen eine Rolle gespielt haben. Für die Gestade Europas und Afrikas sind derlei Gefährte nicht nachgewiesen, aber das muß allein für sich genommen noch nichts heißen. Schließlich haben es auch die Guanchen auf die Kanaren geschafft. Außerdem liegen ein Großteil der mesolithischen Küsten heute unter dem Meer, und damit auch alle eventuellen Fundplätze einer solch marinen Kultur.

Aber wie wahrscheinlich ist es, daß es sie überhaupt gegeben hat? Wir haben gesehen, daß die Menschen des Meso- und frühen Neolithikums an der Atlantik- und Nordseeküste ohne große Hungersnöte gelebt haben. Der strandnahe Bereich und das Hinterland boten genügend Nahrung, um die kleinen Populationen der Jäger und Sammler zu versorgen. Zu Ackerbau und Viehzucht ist man erst allmählich übergegangen, als man von Westen her mit den bäuerlichen Kulturen der Bandkeramiker in Kontakt kam. Warum hätte eine Gruppe mittelsteinzeitlicher Männer und Frauen das Risiko einer weiten und ungewissen Seefahrt auf sich nehmen sollen, wenn sie einfach ein paar Kilometer weiter den Strand entlang zu ziehen brauchte, um im schwach bevölkerten Europa, das noch keine Territorialherrschaften kannte, neue Nahrungsquellen zu erschließen?

Desweiteren hätte der Bau mehrerer Boote, die eine zur Besiedlung entfernter Inseln notwendige Menschenmenge (eventuell noch samt Haustieren und Proviant) einen Aufwand erfordert, der für umherstreifende Nomaden eher untypisch ist. Schließlich ginge es nicht darum, einfach nur eine Küste entlang zu rudern, sondern sich auf den weiten Ozean hinaus zu wagen. Wenn wir von dem ungeklärten Fall der Guanchen absehen, können wir derlei Wagnisse erst bei den Phöniziern und den Griechen feststellen.

Thor Heyerdahls Atlantiküberquerung mit dem Nachbau eines ägyptischen Papyrusbootes bestätigt zwar die technische Möglichkeit einer solchen Reise in früheren Epochen, nicht jedoch, daß so etwas tatsächlich stattgefunden hat.

Allerdings ist gerade für den Bereich der Azoren ein Fall überliefert, daß sich hier der Meeresboden um möglicherweise bis zu 1200 Meter gehoben hat, daß ein transatlantisches Kabel auseinander gerissen worden ist. Ein solcher Vorgang läßt sich ganz gut auf die Aktivitäten des Mittelozeanischen Rückens zurückführen, muß aber nicht bedeuten, daß hier auch Landsenkungen in gleichem Ausmaß möglich sind.

Wir kennen jedoch einen Weg, versunkenes Festland zweifelsfrei nachzuweisen: Es gibt bestimmte Gesteinssorten, die nur in der kontinentalen, aber nicht der ozeanischen Kruste vorkommen, dort aber recht häufig sind. Das Tiefengestein (Plutonit) Granit gehört dazu. Der Tiefseegrund rund um die Makaronesen ist frei von derlei Geröll. Nichts, aber auch gar nichts deutet geologisch darauf hin, daß hier eine größere Landmasse Opfer der Fluten geworden wäre.

Das heißt nicht, daß der Meeresboden frei von kontinentalen Sedimenten ist. Forscher der Universität von Halifax (Kanada) haben bei Tiefseebohrungen nahe der Azoren in 800 Metern Tiefe Gestein entdeckt, daß sich nur unter atmosphärischen Einflüssen gebildet haben kann. Sowjetische Wissenschaftler entdeckten Ähnliches in 2000 Metern Tiefe, und datierten es auf die Zeit um 15.000 v. Chr.. Und Schweden haben in 3700 Metern Tiefe Überreste von Kieselalgen gefunden, die vor 10.000 bis 20.000 Jahren noch im Süßwasser gelebt haben müssen. US- Amerikaner schließlich entdeckten Spuren von Vulkanausbrüchen und Schichten von Sand, wie sie für Strände typisch sind. Allerdings haben all diese Entdeckungen eines gemeinsam: Sie können anderswo an Land entstanden, und erst sekundär versenkt worden sein. Flüsse, Gezeiten und Wind tragen immer wieder feinkörniges Material bis weit in die Ozeane ein. Beispielsweise tragen die Sandstürme der Sahara ihre Fracht immer wieder Tausende von Kilometern weit auf den Atlantik hinaus, wo sie dann in den Wellen versinkt. Sturmfluten können ganze Küstenlinien verlagern, und dabei gewaltige Felsbrocken losschlagen und verfrachten. Desweiteren haben wir am Beispiel Thera/ Santorin gesehen, daß Vulkanausbrüche komplette Inseln auseinander reißen können.

Aber wo wir nun schon so viele Eilande im Atlantik abgesucht haben, wie ist es denn eigentlich mit dem Mittelozeanischen Rücken selbst? Käme er womöglich als Atlantis in Frage? Gewiß, es handelt sich bei ihm um eine von der Arktis bis zur Antarktis reichende Riftzone mit einer ganzen Reihe von unterseeischen Vulkane, die niemals Teil eines untergegangenen Kontinents gewesen sein kann. Doch wenn der Meeresspiegel in den Kaltzeiten bis zu 100 Meter tiefer lag als heute, konnten da nicht einige seiner höher gelegenen Bereiche trocken gelegen haben? Ja, es wäre dann sogar vorstellbar, daß diese Zonen eine Barriere für den Golfstrom dargestellt hätten, selbst wenn sie größtenteils noch knapp unterhalb der Wasseroberfläche gelegen hätten. Er wäre umgelenkt worden, und die klimatischen Verhältnisse in Europa hätten sich erst recht verschlechtert.

Allerdings ragen die Gipfel (mit Ausnahme der Azoren und Islands) nicht hoch genug, als daß der niedrige Wasserstand des Pleistozäns hier nennenswerte Landgewinne beschert hätte.

Und selbst, wenn dies doch der Fall gewesen sein sollte, so konnten sie eines nicht gewesen sein: Die Ursache für die Eiszeiten. Denn damit sie groß genug sein können, um auf die Strömungen des Atlantik Einfluß nehmen zu können, muß der Meeresspiegel bereits abgesenkt, also Wasser in Eispanzern gebunden sein. Außerdem waren die Kaltphasen ein globales Phänomen, und eine veränderte Fließrichtung erklärt weder die Vereisungen von Nordamerika, noch die Trockenzonen im subtropischen Bereich.

Hier mag man die Antarktis heranziehen. Ihre Vereisung im Miozän ging den Eiszeiten voraus, und der um den Südkontinent herum ziehende Ringstrom verhindert eine Zufuhr wärmerer Meeresströmungen. Doch sie ist auch heute noch kilometerdick mit gefrorenem Wasser bedeckt, und war es auch während der Interglazialen gewesen. Trotzdem erreicht der Golfstrom die Westküste Europas.

Möglich wäre eine zyklische Zu- und Abnahme der antarktischen Vereisung, die eine initiale Senkung des Meeresspiegels zur Folge hätte. Daß hier die Voraussetzungen nicht nur für eine kältere, sondern eine Eiszeit gegeben waren, liegt an der Unterbrechung des Äquatorialstroms, der vor dem Miozän noch für ein ausgeglichen warmes Weltklima gesorgt hat. Unterbrochen wurde er noch nicht durch die Kollision Indiens mit Asien im Oligozän (vor 35 Millionen Jahren), aber dann der Zusammenstoß Afrikas mit Eurasien im Miozän (vor circa 20 Millionen Jahren) und schließlich das Entstehen einer Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika im Pliozän (vor circa 5 Millionen Jahren).

In der Tat sind auch bei ihr periodische Schichtungen auszumachen, die mit den Kaltphasen auf der Nordhalbkugel einigermaßen korrespondieren. Allerdings sieht es nicht so aus, als wäre es hier tief im Süden jeweils zuerst kalt geworden.

Außerdem stünde zu überlegen, warum alles gerade hier seinen Anfang genommen haben sollte. Welcher geologische oder klimatische Mechanismus einen solch globalen Effekt bewirken könnte.

Die Milancoviç- Zyklen, die klimatische Änderungen alle 21, 40 und 100 Millionen Jahre astronomisch begründen (Präzession des Frühjahrspunktes, Neigung der Erdachse), können nur die Rahmenbedingungen schaffen; für Schwankungen innerhalb von zehntausender oder hunderttausender Jahren sind sie einfach zu langfristig. Das gilt erst recht für einen vierten postulierten Zyklus, der einen Rahmen von 270 Millionen Jahren mit der Position der Erde innerhalb der in dieser Frist einmal um ihre Achse rotierende Milchstraße in Verbindung bringt.

Diese Zyklen sind allerdings verantwortlich für generelle Tendenzen zur Klimaverschlechterung, und tatsächlich hat der Planet Erde schon mehrere Eiszeiten erlebt, so im Permokarbon (vor etwa 290 Millionen Jahren), gegen Ende des Ordoviziums (vor circa 440 Millionen Jahren), und mindestens viermal im Präkambrium (vor ungefähr 600 Millionen, sowie vor 2, 2,2 und 2,5 Milliarden Jahren). Zu all diesen Zeiten waren die Strömungsverhältnisse und geographischen Voraussetzungen jeweils komplett andere, so daß sie sich nicht zum Vergleich heranziehen lassen.

 

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