Sie spielen Geschichte - Kuegler's »Reenactment«
Sie spielen Geschichte
Dietmar Kuegler's »Reenactment«
Was aber die Vereinigten Staaten von Amerika haben ist die eigene Vergangenheit. Da hat sich eine sehr lebendige Szene entwickelt. Ein sehr starker Bereich ist da das Nachspielen des Bürgerkriegs, der ja das einschneidende Ereignis für die Nation war. Von 1861 bis 1865 starben Amerikaner wie die Fliegen und am Ende stand der Sieg des Nordens und ein großer Schritt in Sachen Gleichberechtigung mit der Abschaffung der Sklaverei.
Aber der den Bürgerkrieg wieder zum Leben zu erwecken ist nicht das einzige Spielfeld für »Living History« in den USA. Auch Überfälle der »James Bande« werden nachgestellt (hier wirkt Dietmar Kuegler mit, wenn sich die Gelegenheit ergibt) oder aber auch die »Schießerei am O. K. Corral« wird immer wieder aufgeführt. Aber das sind Event-Veranstaltungen.
Dass was Dietmar Kuegler in »Reenactment« (dem er schon vor zwölf Jahren ein Buch gewidmet hat) nachzeichnet geht tiefer und ist mehr als nur ein Event. »Living History« ist hier mehr ein Lebensgefühl denn ein Jahrmarkt der historischen Nachstellung wie viele der Mittealtermärkte. Im Falle der »Lebendigen Geschichte« wird tatsächlich der Versuch unternommen den Alltag wieder aufleben zu lassen. Das ist mehr als ein Schauspiel, das geht schon fast in Richtung experimenteller Archäologie.
Kuegler dokumentiert diesen Versuch anhand der wohl führenden Veranstaltung der »Living History«, dem alljährlichen Rendevouz an Bent's Old Fort. Das Foto zeigt im Übrigen Dietmar Kuegler mit John Carson (Urenkel von Kit Carson). Ein Interview mit dem Nachfahren ist Teil des Buches.
Der Klappentext gibt schon essentielle Details preis:
„Living History“ ist eine „Zeitmaschine“. Während in Europa noch mit dieser Form der Präsentation experimentiert wird, ist diese Methode, ein breites Publikum für Geschichte und deren Bedeutung für den Alltag des durchschnittlichen Menschen zu interessieren, in den USA seit langem zum unverzichtbaren Konzept historischer Plätze und Museen geworden.
Dietmar Kuegler, der mit seinem Buch LIVING HISTORY IM AMERIKANISCHEN WESTEN bereits vor 12 Jahren eine Pionierarbeit vorgelegt hat, hat die Entwicklung der Living History kontinuierlich beobachtet, hat immer wieder selbst an Projekten in den USA teilgenommen und daher die Wirkungen auf Interpreten und Besucher unmittelbar erfahren.
In die hier vorliegende Abhandlung fließen neue, direkte Erfahrungen und Erkenntnisse mit ein, die er bei seinen Feldforschungen gesammelt hat.
Er konzentriert sich auf eines der größten und wichtigsten Reenactments der USA, das Living History Weekend in Bent’s Old Fort National Historic Site im Süden Colorados.
Hier trifft man die größte Kompetenz der lebendigen Geschichtspräsentation des amerikanischen Nationalpark Service. Der Anspruch an die Interpreten ist hoch.
Das Event findet weniger zur Unterhaltung der Besucher statt, sondern ist ein Test für die Interpreten, wie gut und überzeugend es ihnen gelingt, ihre jeweiligen Rollen darzustellen.
Anwesend sind einige der besten Experten dieser Form der Präsentation in den USA.
Mit dieser Publikation bringt Kuegler die Dokumentation über diese Methode der Geschichtsvermittlung auf den neuesten Stand.
Ich habe diese Broschüre nun zur Hand genommen. »Reenactment« ist eine liebevolle und reich bebilderte Materialsammlung, die dem Leser in der Tat den Versuch der »Living History« und ihrer handelnden Personen ein gutes Stück näher bringt. Ich habe mehr als nur eine Ahnung von dem was die Beteiligten da machen, warum sie es machen und das dieses Unterfangen nicht nur eine simple Show ist.
Dietmar Kuegler zeichnet kurz die Geschichte von Bent's Fort nach, stellte handelnde Personen vor, führt Interviews, zeigt auf was da los ist. Das auf 60 Seiten nebst der vielen Bilder auch nur ansatzweise unterzubringen ist schon eine Leistung für sich. Doch daraus noch eine zugleich unterhaltsame und lehrreiche Lektüre zu machen ist schon eine besondere Leistung.
Jeder der sich mit Geschichte und deren Nachstellung interessiert, wird hier hervorragend bedient. Und auch jene, die Römer oder Ritter wieder zum Leben erwecken können noch von denen lernen wie man es richtig macht. Wenn ich mich auf so manchen Markt umsehe, wo Hunnen, Wikinger und Stauferritter präsent sind, möchte ich doch eher an Hollywood denn an »Living History« denken. Denn zwischen Hunnen und Staufern lagen mal so knappe tausend Jahre. In Bents Fort versucht man einige Tage nachzustellen.
Wie auch immer. Trotz des stolzen Preises ist Dietmar Kueglers »Reenactment« eine lohnenswerte Anschaffung. Der mann weiß was er tut ...
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