Das historische Kalenderblatt - 10. Februar 1823: Erster Kölner Rosenmontagszug
Erster Kölner Rosenmontagszug
Erst seit dem 18. Jahrhundert hat die Bezeichnung "Karneval" Verwendung gefunden. Spricht man heute vom Karneval, meint man meistens den Karneval am Rhein (Bonn, Köln, Aachen), wobei durchaus die Kölner selbst teilweise von ihrem Karneval als Fasching sprechen.
Neben den Entwicklungen in Venedig gab es unabhängig davon ganz unterschiedliche Ausbildungen in anderen Regionen, in alemannischen Bereichen anders als in Bayern oder den Rheingebieten. Die Bräuche veränderten sich, manche verschwanden, andere entstanden neu, gerade auch im Kölner Karneval. Sehr interessant in dieser Hinsicht sind die Veränderungen, die im Laufe des dritten Reiches eingeführt wurden.
1823, dieses Jahr gilt als Geburtsdatum des Rosenmontagsumzugs in Köln, hielt man es in Köln offenbar für notwendig, das Narrentreiben in den Straßen der Stadt etwas mehr zu kontrollieren, zu kanalisieren und in geordnetere Bahnen zu lenken.
Köln hatte damalas schwere Zeiten hinter sich. Die Zeit von 1816/17 ging als eine Phase von Hungersnöten und Krisen in die Stadtgeschichte ein.
Aus diesen Jahren gibt es Aufzeichnungen eines anonymen Chronisten (zitiert nach Euler-Schmidt, 1991). Es weist ein wenig darauf hin, dass die Menschen je engagierter und heftiger feierten, desto schwieriger die allgemeine und persönliche Lage war:
Auf italienische Weise schwärmten und lärmten an den drei tollen Tagen noch immer Masken aller Gestalten auf den Straßen umher, und dem aufmerksamen Beobachter zeigten sich gerade an diesen Tagen manche Leute ohne Masken; jedoch war das öffentliche Leben des Karneval den unteren Volksklassen ganz überlassen, da sich die höheren Stände zurückzogen.
Für Köln selbst ist in einem Eidbuch von vastavende (Fastnacht) die Rede. Am 5. März 1341 (Aschermittwoch lag in jenem Jahr am 21. Februar) wurden die Ratsherren Kölns dazu verpflichtet "zu vastavende zu geinre geselschaft voueyst von der stede gude" zu geben. Dies besagt, dass es den Ratsherren untersagt wurde, aus dem Stede gude (also dem Stadtgut, Finanzen der Stadt) Gesellschaften in der Zeit des Faschings abzuhalten. Vermutlich wollte man verhindern, dass die eher spärlich entlohnten - Ratsherren sich vor dem Beginn der Fastenzeit auf Kosten der Stadt nochmals schadlos hielten und mit großem Aufwand ein prächtiges Essen ausrichteten.
Auch im 16. Jahrhundert schildert ein Chronist die großen Bankette, die reiche Kölner Bürger in der Fastnacht ausrichteten. Gemeinsam mit seinem Begleiter ging man auf die Munmierei. Sie verkleideten sich als Vogler mit grünen Hosen, kurzen Röcken und grünen Hüten, einer hatte einen (vermutlich ausgestopften) Habicht auf dem Arm.
Relativ spät (nach Mitternacht) zogen sie zum reichsten under aller burgerschaft, einem Mann namens Wasserfass, wo an einer langen Tafel serviert wurde. Es wurde das kostbarste Silbergeschirr verwendet, man spielte vor dem Essen zum Tanz auf und verwöhnte dann die Gäste mit Wildbrett, Federvieh, Konfekt, Obst und sonstige Leckerbissen. Die Feier ging weiter bis vier Uhr am Aschermittwoch, wobei man guten Wein und Bier genoss und sich mit Musik und freundlichem Gespräche unterhielt. Tatsächlich begannen die Gäste nach Mitternacht damit, das Fastengebot zu halten, denn das Fleisch blieb ab diesem Zeitpunkt unbeachtet. Allerdings war offenbar das Wild davon ausgenommen, denn Fasane, Reh, Feldhühner und Wildpasteten wurde weiter delektiert.
Zu dieser Zeit hat es bereits Feiern der Bürgerschaft gegeben, ebenso auf den Straßen. Die Menschen trieben sich mit Masken auf der Straße herum. Einige Ratsverordnungen aus dem 15. Jahrhundert weisen darauf hin, dass die Menschen in den Faschingstagen meistens in Gruppen umherzogen, zu Fuß und zu Pferd, sowie verkleidet. Die Gruppen waren auf dem Weg zu Verwandten oder Bekannten, besuchten sich zuhause oder trafen sich auf den Straßen. Als Gäste waren sie mit Speise und Trank zu bewirten, oder sie forderten Geldspenden ein.
Einen sehr spannenden Bericht zu einem Umzug findet man im Protokollbuch des Kölner Rates aus dem Jahr 1441: Dort erfolgt nämlich die Bestrafung eines Wirtes, Johan van Ghynt, seitens des Rates, weil er mit vier Kumpanen und einer Frau einen Umzug durch die Stadt gestartet hatten, der das religiöse Gefühl der Kölner in der schmachvollsten Weise verletzt hatte. Für den Umzug hatten sie einen Reliquienschrein gebaut (offenbar in einer Art Thron), auf den sie einen Menschen verkleidet und albern gestaltet durch die Stadt trugen, garniert mit Weihwedel, Fahnen und Musik.
Der in ganz Teutschland einstens so berühmte kölnische Carneval soll durch das Zusammenwirken mehrerer Verehrer alter Volkstümlichkeit in diesem Jahre durch einen allgemeinen Maskenzug erneuert und gefeiert werden. Die dabei zum Grunde gelegte Idee ist die Thronbesteigung Carnevals gedacht als König des Volksfestes.
Gemeinsam mit dem ersten Rosenmontagszug erblickte auch der Prinz das Licht der rheinischen Welt. Haltloses und unzivilisiertes Verhalten, das nach Meinung der Bildungsbürger an den Tag gelegt wurde, blieb nicht ohne Auswirkung auf die Jugend der besseren Schichten. Es äußerte sich bei vielen jungen Leuten, die sonst wohl auf Bildung Anspruch machen, ein zügelloser Mutwille, der gesetzten Personen äußerst anstößig war (Fuchs 1819, zitiert nach Klauser)
Man beschloss einen Umzug zu organisieren, der mit einem Motto ausgestattet war. Dies organisierte ein Komitee, das wie es sich für gut sortiertes deutsches Planen offenbar gehört aus einem kleinen und einem großen Rat bestand. Aus dem, was der Herrenclub Olypische Gesellschaft in Köln schuf, entstanden die uns bekannten Faschingsumzüge.
1823 gab es die Bezeichnung des Rosenmontagszuges noch nicht. Die ersten Jahre stand das Motto des Umzugs für seinen Namen. In diesem ersten Jahr war dies Heldentag. Für den Begriff des Rosenmontagsumzugs bietet sich eine Entwicklung des Begriffs rohsen an (aus dem Niederdeutschen rasen in seiner dortigen Bedeutung ausgelassen lustig sein), der über rosig schließlich zu rosen wurde (so auch eine Erläuterung aus dem Jahr 1839).
Der Prinz Karneval, den man für diesen Umzug schuf, sollte als Symbol für diesen neuen Karneval stehen.
An diesem Rosenmontag, dem 10. Februar 1823, bestand der Umzug aus 15 Zugnummern, der heute Prinz Karneval genannte Karnevalsprinz, war damals noch der Held Carneval.
Unter musikalischer Begleitung trat der Held auf den Balkon seiner Wohnung und grüßte von dort aus seine Mannen. Bis zum Ende der dritten Strophe des Liedes (so genau war der ganze Ablauf geplant!) verblieb der Held auf dem Balkon und kehrte dann in seine Wohnung zurück, um dann hinunter auf die Straße zu gehen.
Während der Held Carneval seinen Platz auf dem Triumphwagen bestieg und vom Hofnarren Krone und Szepter überreicht bekam, stimmten alle Musikchöre ein.
Nach zwei weiteren Liedern und einer Proklamation setzte sich der Zug in Bewegung. Er bestand aus folgenden Nummern:
das Geckebähnchen ("Jecker Bernd", mittelalterlicher Stadtnarr, der bei festlichen Anlässen durch Spässe und Sprünge die Zuschauer erheiterte oder als Platzmacher diente)
Colonia mit vier geharnischten Rittern
Trompeter-Chor
Commandant der Leibgarde zu Pferde
Leibgarde zu Pferde in den mannigfaltigsten Maskenanzügen
Musikchor auf Wagen
Die Minister in vierspännigen Wagen.
Der Ober-Hofmarschall, der Kanzler und Ceremonien-Meister in sechsspännigen Wagen
König Carneval in achtspännigem Triumphwagen von Adjutanten begleitet, zu seinen Füssen der Hofnarr
Während die Jungfrau zunächst eine Venetia war, eine Prinzessin, die sich Laufe der Zeit veränderte und schließlich zur heute bekannten Jungfrau wurde, wurde der Held Carneval zu einem Prinzen, in Kleidung kaiserlicher Symbolik gekleidet, z.B. mit Szepter, Krone und einer Waffe. Seine Kleidung ist dem 15. Jahrhundert nachempfunden und nach burgundischer Mode gestaltet. Auch die weiteren Utensilien seiner Verkleidung sind symbolträchtig. Der Bauer wurde 1422 erstmals in einem Gedicht erwähnt, allerdings ist in ihm offenbar nicht der Bauer als Landwirt zu sehen, sondern er steht mit seinen Insignien Stadtschlüssel, Schwert und Dreschflegel zum ersten als Schildhalter des Reiches und der Stadt, dann als Symbol seiner Treue zum Reich, Tapferkeit und seinem Willen sich gegen den Feind zu wehren.
Funktionen, die den drei Figuren zugedacht werden, kann man so zusammenfassen und charakterisieren:
- , regiert das Narrenvolk und verbietet seinen Untertanen Griesgram, Übellaunigkeit, Niedergeschlagenheit und Freudlosigkeit
- gilt als Beschützer der Stadt und ihrer Einwohner, der in ewiger Treue und kühner Tapferkeit für ihre Interessen einsteht
- , die die historische Seele der einst freien Stadt repräsentiert, die sich keinem fremden Machwillen unterwirft und so das Selbstbewusstsein der Kölner darstellt
Lebensstellungen sind Scheidewände zwischen den Menschen. Wer sie einreißt, macht Revolutionen oder feiert Karneval.
Ein historisch bekanntes Lied, das 1858 beim Karneval in Kaiserslautern gesungen wurde:
In dem alten Köln entstanden;
Wandelt er von Stadt zu Stadt!
So daß er in rheinschen Landen
Überall schon Sitze hat. (...)
Bei dem Carneval am Rhein!
- Nico Ehlscheid - Die Geschichte des Kölner Karnevals, Akademische Schriftenreihe, GRIN Verlag, 2010
- Michael Euler-Schmidt - Kölner Maskenzüge: 1823-1914, Verlag Greven, 1991
- Étienne François, Hagen Schulze - Deutsche Erinnerungsorte, Band 3, C.H.Beck, 2001
- Dr. Jacob Kemp - Zur Geschichte der Kölner Fastnacht, Zeitschrift des Vereins für rheinische und westfälische Volkskunde, 3. Jahrgang. 1906. Viertes Heft.
- Helene Klauser - Kölner Karneval zwischen Uniform und Lebensform, Band 4 von Interaktionistischer Konstruktivismus, Waxmann Verlag, 2007
- Michael Matheus (Herausgeber) - Fastnacht-Karneval im europäischen Vergleich, Band 3 von Mainzer Vorträge, Franz Steiner Verlag, 1999
- Gisela Mettele - Bürgertum in Köln 1775 1870, Band 10 von Stadt und Bürgertum, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 1998
Zitiert Albert Klebe, der 1801/02 den Kölner Karneval beschreibt. - Pompeo Molmenti - La Storia Di Venezia Nella Vita Privata, Nachdruck BiblioBazaar, 2009
- Anna Avital Müller - Vergleich des Karnevals im Mittelalter mit dem Kölner Karneval in der heutigen Zeit, Akademische Schriftenreihe, GRIN Verlag, 2008
- Richard Weihe - Die Paradoxie der Maske: Geschichte einer Form, Wilhelm Fink Verlag, 2004
- Ph. M. Klein - Der Wanderer durch Köln, Fried. Greven, 1863
- o.A. - Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841
- Friedrich Rassmann (Hrsg) - Fastnachtsbüchlein für Jung und Alt, G.A. Wundermann, 1826
- Otto von Reinsberg-Düringsfeld - Das festliche jahr, O. Spamer, 1863
- Wikimedia Commons
- Zeno.org / 5.000 Bildpostkarten aus der Zeit um 1900
Kommentare
Vielen Dank für diesen fundierten, sachlich gut ausgearbeiteten Text, über die Entstehung vom Fasching!
Jetzt weiß ich, was mich in Köln erwartet!
und vielen Dank für die prompte Hilfe vom Administrator
Es war sehr spannend die Recherchen zu dem Artikel zu machen, brachte es mir in der Tat Fasching doch etwas näher.
Besonders amüsant fand ich die Tatsache, dass Fasching in der Art, wie es beim Rosenmontagszug stattfindet, eigentlich eine doch eher piefige, bürgerliche Sache ist ...
Viel Spaß in Köln ... und komm wieder brav heim
Zwei Anmerkungen hätte ich zu machen: Der Karneval heißt und hieß in Köln niemals "Fasching"! Die Kölner Begriffe lauten "Fastelovend" oder "Fasteleer", beides kölsche Entsprechungen für "Fastabend" bzw. "Fastnacht".
Und die "Munmierei" im 16. Jh. wird wohl eher eine "Mummerei" gewesen sein, ein damals gebräuchlicher Begriff für Kostümfeste oder Maskenbälle.
vielen Dank für das Lob *aufatmen*, als Nichtkarnevalerin habe ich wenig Beziehung zu dem Thema, entdeckte dann wie spannend die Geschichte des Faschings ist.
zitiere Kallendresser:
Zu den Mummereien würde ich gerne mehr wissen - weißt du mehr zu dem Thema?
Willkommen auf dem Zauberspiegel
Gruß,
Bettina