SAGA 4: Poul Anderson - Der letzte Wikinger
Poul Anderson (1926 - 2001) war einer der populärsten amerikanischen Schriftsteller aus dem SF- und Fantasy-Umfeld der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Eine ganze Reihe seiner Werke wurde mit Preisen ausgezeichnet. In Folge 17 meiner Artikelserie über Flaggschiffe, Flottenkadetten und Flops habe ich seine SF-Serien über den Psychotechnik-Bund und die Technische Zivilisation mit den Zeitabschnitten der Polesotechnischen Liga und des Terranischen Imperiums vorgestellt. Dass ich in diesem Artikel Anderson als Intellektuellen bezeichnet habe, hat eine Diskussion hervorgerufen, weil der Autor keinesfalls als politisch linksstehend zu sehen war. Nun ist ein Intellektueller ein Mensch mit rascher Auffassungsgabe, meist (aber nicht zwingend) sehr gut ausgebildet, der es versteht, seine Meinung schriftlich und mündlich zu äußern, nicht immer zur Freude der Herrschenden. Damit ist aber nicht gesagt, dass er einer bestimmten politischen Denkrichtung angehören muss. In der frühen Sowjetunion beispielsweise war die Intelligenzija grausamer Verfolgung unterworfen, weil alles unerwünscht war, was als Abweichung zur absolutistisch vertretetenen neuen Glaubensrichtung ähem Ideologie gesehen werden konnte.
Bekannt wurde Anderson hauptsächlich als SF-Autor. Allerdings verfasste er auch eine Anzahl von Fantasy-Romanen, die zwar nur einen kleinen Teil seines Oeuvres ausmachen, aber dennoch so interessant sind, dass sie unbedingt eine nähere Betrachtung verdienen. Anderson war dänischer Abstammung. Die Geschichte, Kultur und Mythologie seiner nordischen Vorfahren ist immer wieder in seinen Werken zu spüren. Dies betrifft gleichermaßen seine SF- wie seine Fantasy-Werke. In seinen Fantasy-Romanen verwendete Anderson besonders die Edda und die isländischen Sagas als Quellen. Seine Sprachkenntnisse des Altnordischen ermöglichten ihm auch, Gedichte aus dieser Sprache ins moderne Englische zu übertragen. Dazu passte auch seine Mitgliedschaft in der Gesellschaft für modernen Anachronismus, die auch als ein Vorbild für die deutschsprachige FOLLOW-Gemeinde angesehen werden kann. Im Fantasy-Bereich schrieb Anderson größtenteils Einzelromane bzw. maximal zwei zusammengehörende Titel, während er im SF-Bereich auch mehrere Serien verfasste. Der Vollständigkeit halber sei angeführt, dass er mit Conan der Rebell auch einen Beitrag zur Endlosserie Conan der Barbar verfasste. Conan erlebt hier weitere Abenteuer mit Belit, der Königin der schwarzen Küste. Auf diesen Roman wollen wir aber hier nicht weiter eingehen, denn Andersons originäre Werke sind es weit mehr wert, sich damit zu beschäftigen.
Im gleichen Jahr wie sein SF-Erstlingsroman Brain Wave, auf Deutsch als Macht des Geistes erschienen, kam sein Fantasy-Roman Das geborstene Schwert (The Broken Sword) in einer Miniauflage in einem Kleinverlag heraus. Es war das Jahr 1954, und in diesem Jahr kam auch eine weitere Fantasy-Größe auf den Markt, nämlich Tolkiens The Fellowships of the Rings. Neben dem übermächtigen Mittelerde-Epos nimmt sich Andersons Werk auf den ersten Blick bescheiden aus. Aber auch diesen Roman darf man getrost in die Liste der Fantasy-Klassiker einreihen. Das düstere Werk entführt uns in eine fremde Welt, die zwar oberflächlich unser Erde gleicht, in der aber die nordischen Götter und keltische Sagengestalten noch auf Erden wandeln, bevor der Glaube an den Christengott ihnen ihre Macht entwindet. Die beiden Werke haben nicht nur das Erscheinungsjahr gemeinsam, sondern eine Reihe von Namen wie Dyrin/Durin und Dvalin/Dwalin sowie Völkern wie Elfen/Elben, Zwergen, Trollen und Drachen und außerdem die Sage vom zerbrochenen Schwert. Es hat dabei nicht einer der beiden Autoren vom anderen abgeschrieben, sondern beide fanden ihre Vorlagen in der Älteren Edda.
Der dänische Wikinger Orm der Starke bemächtigt sich in einem Überfall eines Anwesens in England. Dabei verlieren der Landlord und ein Großteil seiner Leute das Leben. Seine Mutter, der man nachsagt, dass sie eine Hexe ist, verflucht Orm und seine Familie. Orm lässt sich mit seinen Leuten am Landsitz nieder und gründet eine Familie. Als der Elfengraf Imric bei der Hexe Rast hält, erzählt sie ihm, dass Orms Frau Älfrida gerade einen Sohn geboren hat. Imric raubt das Kind und tauscht es gegen einen von ihm mit einer Trollfrau gezeugten Wechselbalg aus. Der geraubte Junge wird von den Elfen aufgezogen und Skafloc genannt. Der Junge scheint in der Gunst der Götter zu stehen, denn er entwickelt sich zu einem gutaussehenden Mann, der geschickt ist und großem Ruhm im Krieg erwirbt. Skafloc stellt eine Streitmacht auf, um Trollheim anzugreifen, die Hauptfestung der mit den Elfen verfeindeten Trolle. Den Sieg vor Augen, tritt ihm aber in der Trollburg ein Gegner entgegen, der unbesiegbar scheint. Es ist ein Berserker, der Skafloc wie aus dem Gesicht geschnitten erscheint.
Nichtsahnend zieht Älfrida das ihr unterschobene Kind auf. Der junge Valgard entwickelt sich zu einem kampfkräftigen, jähzornigen Mann, der bei seinen Raubfahrten gefürchtet ist und vor keinem Mord zurückschreckt. Die alte Hexe betört in der Gestalt einer jungen Frau seinen Bruder Ketil. Nachdem ihn Valgard in ihrer Hütte gefunden hat, erschlägt er ihn im Streit, wer bei der Frau liegen darf. Nachdem er zurückgekehrt und sein Brudermord aufgedeckt worden ist, tötet der Wechselbalg seinen Vater Orm und seinen anderen Bruder und raubt seine beiden Schwestern. Er segelt nach Trollheim und nimmt dann seinen Platz neben dem Trollkönig Illrede ein, denn er ist sein Enkel und die Hexe hat ihm seine Abstammung verraten. Wahnsinn leuchtet aus seinen Augen.
Vor der Wucht der Angriffe des Berserkers müssen sich Skavloc und seine Elfen zurückziehen. Im Kampf tötet Valgard eine seiner Schwestern, Skavloc gelingt es aber, die andere Schwester Frida zu befreien. Die Trolle sinnen wegen des Überfalls auf Rache und greifen mit einer riesigen Streitmacht die Elfen in England an. Elfenhöhe, die Burg Imrics, fällt, und die Elfen werden in alle Winde versprengt. Skafloc muss ebenfalls fliehen und nimmt Frida mit. Nicht wissend, dass sie Geschwister sind, verlieben sie sich ineinander. Eine letzte Hoffnung bleibt dem Geflohenen. Denn in Elfenhöhe wird das geborstene Schwert verwahrt, und wenn es neu geschmiedet wird, kann ihm niemand wiederstehen. In Tiergestalt dringt Skafloc in die Burg ein und holt die Bruchstücke des Schwertes. Auf einem Schiff der Sidhe, die er um Hilfe gebeten hat, reist er nach Jötunheim in den hohen Norden. Dort schmiedet der Riese Bolverk das Schwert neu, welches vor langer Zeit Thor mit seinem Hammer aus Furcht vor dem Weltende zerschlagen hatte. Zurück in England, wenden Skavloc und sein unbesiegbares Schwert das Kriegsglück wieder zugunsten der Elfen. Der aufgespießte Kopf des Trollkönigs Illrede, den Skafloc getötet hat, dient ihnen als Standarte. In der letzten Schlacht kommt es zu einem nochmaligen Aufeinandertreffen der Beinahebrüder. Im blauen Leuchten des magischen Schwertes müssen beide ihr Leben lassen:
Valgard stürzte herzu und entriß der abgelenkten Hand seines Feindes das Schwert. Er riß es hoch und ließ es niedersausen. Heulend erhob er das Schwert von neuem. Unter dem Blut zeigte es ein unirdisches blaues Feuer. „Ich habe gewonnen!“ schrie er. „Ich bin Herr der Welt, und ich trete sie unter meine Füße. Komm, Dunkelheit!“
Er schlug in die Luft. Seiner Hand, schlüpfrig vom Blut, entglitt das Heft. Das Schwert drehte sich um und fiel mit der Spitze voraus auf ihn. Das große Gewicht warf ihn von den Füßen. Die Klinge durchstieß seinen Hals und bohrte sich in die Erde. Dort lag er festgenagelt. Das Blatt schimmerte vor seinen Augen, und sein Leben strömte mit seinem Blut aus seiner Kehle.
Zitiert aus: Poul Anderson: Das geborstene Schwert. Bergisch-Gladbach 1979, Bastei Fantasy 20012
Skafloc stirbt in den Armen seiner Schwester und Geliebten Frida. Ihr gemeinsames Kind musste sie Odin überlassen, denn sie hatte dem Asen nichtsahnend geschworen, ihm das zu geben, was unter ihrem Gürtel ist, als er Skafloc auf der Flucht vor den Trollen gerettet hatte. Aber das Ende der Zaubervölker naht. Bald wird das Feenreich dahinschwinden. Der Erlkönig wird zu einem Waldgeist und dann zu nichts zusammenschrumpfen, und die Götter werden untergehen. Die Zeit des Christengottes bricht an. Das dämonische Schwert in diesem Roman war erwiesenermaßen das Vorbild für eine ähnliche Waffe, die uns in einer späteren Folge dieser Artikelserie begegnen wird.
Noch vor dem Geborstenen Schwert hatte Anderson seinen Roman Three Hearts and Three Lions 1953 als Fortsetzungsgeschichte im Magazin of Fantasy and Science Fiction auf den Markt gebracht. Die amerikanische Buchausgabe folgte erst 1961, die deutsche Ausgabe als Dreiherz 1980. Der Ingenieur Holger Carlsen kehrt während des Zweiten Weltkrieges nach der Besetzung Dänemarks durch Nazideutschland in seine dänische Heimat zurück und schließt sich dem Widerstand an. Bei einer Kommandoaktion gegen die Nazis erleidet er einen Streifschuss und verliert das Bewusstsein. Er erwacht nackt in einem dichten Wald und findet einige Meter weiter ein großes Pferd und daneben ein Bündel mit Kleidung, einer Ritterrüstung und Waffen. Auch ein Wappenschild mit drei Herzen und drei Löwen als Motiv ist Teil der Ausrüstung. Holger findet Unterschlupf für die Nacht bei einer alten Frau, die sich als Hexe entpuppt. Nach einer Beschwörung eines Dämons eröffnet sie ihm, dass er ins Feenreich ziehen muss, um den Rückweg in seine Welt zu finden. Als Begleiter auf seinem Weg gibt sie ihm den Zwerg Hugi mit. Holger ist in einer mittelalterlichen Parallelwelt gelandet, in der das Heilige Römische Reich im Kampf gegen das Feenland steht. Er zieht gegen das Feenland, wo er auf Graf Alfric von den elfenhaften Pharisäern und die Zauberein Morgan le Fay, die Schwester von König Artus, trifft. Die beiden entpuppen sich als seine Gegenspieler, obwohl Morgan seine frühere Geliebte ist. Als Verbündete gewinnen Holger und Hugi das Mädchen Alionora, welches sich mithilfe eines magischen Kleides in einen Schwan verwandelt kann und in das sich Holger verliebt. Auch der Sarazene Carahue schließt sich ihnen an, der nach der Suche nach Dreiherz ist, Holger aber nicht erkennt, weil dieser als Tarnung von einem Magier eine andere Gestalt erhalten hat. Holger findet schließlich heraus schließlich, dass er im Körper eines Alter Egos in dieser Dimension ist, von Holger Danske, des Ritters Dreiherz, dereinst Mitglied von König Artus' Tafelrunde und Retter der Christenheit. Nur wenn er den Kampf auf der Seite des Gesetzes gegen das Chaos entscheiden kann, steht Holger der Weg zurück in seine Heimat offen. Er muss das Schwert Cortana finden, denn nur mit dieser magischen Waffe hat er die Kräft, die Mächte des Bösen zu besiegen …
Ein Mittsommernachtssturm führt die Leser in eine Alternativwelt, in der Shakespeares Stücke, insbesondere Ein Sommernachtstraum und Der Sturm Teil der Wirklichkeit sind. Der berühmte Dichter gilt in dieser Welt als der größte Historiker Englands. Es gibt bereits Heißluftballone und Dampflokomotiven, obwohl sich die Handlung Mitte des siebzehnten Jahrhunderts abspielt, denn die industrielle Revolution hat hier früher begonnen. Der Anführer der Royalisten im englischen Bürgerkrieg, Prinz Ruprecht von der Pfalz, der Sohn des Winterkönigs, gerät nach einer verlorenen Schlacht in die Gefangenschaft der Puritaner. Er wird aber von der Nichte des Puritaneranführers Jennifer, die sich ihn verliebt hat, und einem Untergebenen befreit. König Oberon und Königin Titania unterstützen ihn, um das Verschwinden der Magie und des Feenreiches auf der Erde aufzuhalten. Ruprecht und Jennifer erhalten vom Königspaar der Elfen zwei magische Ringe, die ihnen den Weg zu Prosperos Insel weisen sollen, wo magische Hilfe zu finden ist. Der Krieg der Cavaliers gegen Cromwells Rundschädel nimmt deswegen einen anderen Ausgang als in unserer Welt, zumal König Karl hier auch etwas mehr Grips hat. Der Alte Phönix, ein Gasthaus zwischen den Welten, ist Schauplatz einer kleinen Nebenhandlung des Romans. Dort finden sich die aus Operation Chaos bekannte Valeria Matuchek und Holger Danske, der Held aus Dreiherz, der ein Wanderer zwischen verschiedenen Zeitlinien wurde, unter den Gästen. Für Anderson ungewöhnlich ist der verspielte Unterton des Romans, der an die Komödien Shakespeares erinnern soll, und die satirisch überzeichnete Darstellung der Puritaner als religiöse Fanatiker.
Für Hrolf Krakis Saga wurden von Anderson isländische und dänische Heldensagen des 12. und 13. Jahrhunderts als Quellen verwendet. Dieser historisch nicht gesicherte Dänenkönig des 6. Jahrhunderts wird auch unter anderem im epischen Heldengedicht Beowulf erwähnt. Für den Norden spielt er eine ähnliche Rolle wie König Artus für die Briten und Karl der Große für Deutschland und Frankreich. Dem dänischen Königsgeschlecht der Skjoldungen wird nachgesagt, dass die aus ihren Reihen kommenden Herrscher kein langes Leben haben. So stirbt König Halfdan durch die Hand seines Bruders und Mitkönigs Frodhi, der die ganze Macht anstrebt. Halfdans halbwüchsige Söhne Hroar und Helgi werden jahrelang von einem Getreuen ihres Vaters versteckt, bis sie als junge Erwachsene den Mord rächen und gemeinsam die Herrschaft über Dänemark übernehmen. Helgi überfällt bei einem Raubzug Olof, die Königin der Sachsen. Aus der Vergewaltigung entsteht das Mädchen Yrsa, das von seiner Mutter gehasst und ohne Wissen über seine Herkunft aufgezogen wird. Bei einer weiteren Reise viele Jahre später entdeckt Helgi die junge Frau, verliebt sich in sie und nimmt sie als Königin zu sich in seine Halle. Sie gebiert einen Sohn, der Hrolf genannt wird. Die rachsüchtige Olof reist an den dänischen Königshof und eröffnet Helgi, dass er in Blutschande ein Kind von seiner eigenen Tochter gezeugt hat. Die entsetzte Yrsa verlässt Helgi. Nachdem der Schwedenkönig Adhils um sie wirbt, wird sie seine Frau. Helgi wird schwermütig, aber nachdem er lange keine Frau angerührt hat, erneut Vater durch eine Elfe, die sich bei ihm einschleicht. Die Elfe verschwindet spurlos, bringt aber einige Zeit später das gezeugte Kind, das Mädchen Skuld, zum Königshof und verlässt ihn wieder mit einer dunklen Prophezeihung. Die Schwermut überfällt Helgi erneut, weil er sich nach seiner Tochter und Exgefährtin Yrsa sehnt. Er reist zu König Adhils, um Yrsa zurückzugewinnen. Dieser trachtet aber nach der Herrschaft über Dänemark und lockt Helgi samt seinen Leuten in einen Hinterhalt, wo sie von Berserkern ermordet werden. König Hroar kann den Mord an seinem Bruder nicht rächen, weil er im eigenen Land Schwierigkeiten hat, bald darauf stirbt und von seinem nichtsnutzigen Sohn Hrörk beerbt wird. Nachdem Hrörk versucht, Hrolf zu beseitigen, den er als Rivalen um die Königswürde sieht, ist dieser gezwungen, das Schwert gegen ihn zu ergreifen. Hrörk fällt und der erst sechzehnjährige Hrolf wird König des zerfallenden Dänenreiches. In den kommenden Jahren eint der König wieder mit kluger Hand und starker Faust das Reich. Eine Aufgabe bleibt aber noch: In Uppsala sitzt nach wie vor Adhils, der Mörder seines Vaters, und spinnt seine zauberischen Ränke. Hrolf zieht mit seinen stärksten Recken aus und besiegt Adhils in seiner Halle. Dieser stellt sich aber nicht zum Kampf, sondern flieht auf ehrlose Art, wird aber auf der Rückreise der Dänen von ihnen bei seinem letzten Gegenangriff zum Krüppel geschlagen und stirbt bald darauf. Skuld, die Halbschwester Hrolfs, wurde Hjörvardh zur Frau gegeben, einem Unterkönig von Hrolf. Sie ist eifersüchtig, weil ihr Mann ihrem Bruder unterstellt ist. Sie vervollkommnet ihre Hexenkünste, die sie von ihrer elfischen Mutter hat und wirbt Verbündete gegen den König an. Die riesige Übermacht, in der sich auch von Skuld beschworene Zauberwesen befinden, überrennt Leidhra, die Halle Hrolfs, und schlachtet den König und seine Helden ab. Entscheidend für dessen Niederlage ist auch, dass sich Odin, der Göttervater und Kriegsgott, von ihm abgewendet hat. Denn Odin hatte Hrolf bei dessen Zug nach Uppsale die entscheidenden Hinweise gegeben, wie er die Hexenkünste von Adhils überstehen kann. Hrolf hatte aber dann das magische Schwert ausgeschlagen, das ihm Odin übergeben wollte. Nur Hrolfs Gefolgsmann Vögg, der schmächtige Junge, überlebt das Massaker. Als er dem neuen König Hjörvardh die Treue auf sein Schwert schwören soll, stößt er es ihm stattdessem ins Herz. Die Hexenkönigen Skuld überlebt ihren Mann nicht lang, denn sie wird gehasst und bald von Getreuen Hrolfs getötet. Das Königreich zerfällt erneut. Hunderte von Jahren wird es dauern, bis das Land wieder ein Ganzes wird.
Bei diesem Roman fällt im Vergleich zum Geborstenen Schwert auf, dass Fantasy-Versatzstücke viel sparsamer eingesetzt werden. Man kann ihn daher durchaus als historischen Roman mit einzelnen Fantasy-Elementen betrachten. Die Götter- und Geisterwelt war ja für die damaligen Menschen ein natürlicher Bestandteil ihres Lebens.
Ein Wikingerschiff unter Kapitän Halldor erreicht die Insel Scattery im Fluss irischen Shannon und überfällt die dortige Abtei. Halldors Sohn Ranulf wird bei Abwehrversuchen der Mönche von einem Stein am Kopf getroffen und schwerstens verletzt. Die Nonne Birgit operiert Ranulf und pflegt ihn, obwohl sie von ihm und seinen Kameraden vorher vergewaltigt worden war. Halldor verspricht ihr die Freiheit, falls sein Sohn gesund wird. Nachdem sich ein gefangener Priester im Grauen seiner Erinnerung das Leben nimmt, verflucht Birgit Halldor und seine Sippe, obwohl sie eine gewisse Zuneigung zu ihm und seinem Sohn entwickelt hat und ein Kind unter dem Herzen trägt, das wahrscheinlich von einem der beiden stammt. Als die Wikingerschiffe Halldors Scattery verlassen, kommt ein Unwetter auf und ein Seemonster erscheint, Die Schlange von Scattery. Der Lindwurm zerschmettert die Schiffe und tötet die meisten Wikinger. Halldor rettet sich auf die Insel und bekämpft mit Todesmut den Drachen, bis ein Blitz in dessen hochgereckten Kopf einschlägt und das Monster tötet. Birgit, von ihren eigenen Landsleuten verflucht, folgt Halldor nach Norwegen und wird seine Frau. Manche sagen, dass ihr erstgeborenes Kind der Vater von Gunnhild der Hexe geworden ist, der Gemahlin von König Erik Blutaxt, des zweiten Königs der Norweger.
Die Erzählung ist in eine Rahmengeschichte von wenigen Seiten eingebettet, in welcher sie der Sidhe-Seekönig Mananaan Mac Lir seinem Freund Skafloc in der Handlung von Das geborstene Schwert auf der Schiffsreise in den hohen Norden zum Schmieden des Schwertes erzählt. Die amerikanische Erstausgabe und die deutsche Ausgabe im Bastei Verlag sind reichhaltig mit jugendstilartigen Innenillustrationen der Grafikerin Alicia Austin geschmückt, in diesem Ausmaß für ein billiges Massenmarkt-Taschenbuch ungewöhnlich. Der Roman wurde von Anderson gemeinsam mit der Autorin Mildred Downey Broxon verfasst. Broxon verfasste unter dem isländisch klingenden Pseudonym Sigfridur Skaldaspillir auch den Wikingerroman Die Hexe von Orkney. Dieser ist eine Quasifortsetzung von Henry Rider Haggards Erik Hellauge. Diese Erzählung des britischen Autors, der mit seinen Romanen um Allan Quatermain und Sie, die unsterbliche Königin Ayesha, Weltruhm erlangt hat, ist Jahrzehnte vor Andersons Nordland-Fantasyromanen erschienen und hat diese mit großer Wahrscheinlichkeit beeinflusst. Somit schließt sich der Kreis. Aus dieser Kategorie von Erzählungen sollte hier auch zumindestens namentlich Styrbjörn der Starke von E. R. Eddison, dem Autor des Fantasy-Klassikers Der Wurm Ouroboros, erwähnt werden.
Krieg der Götter ist ein Spätwerk Andersons und gut vergleichbar mit Hrolf Krakis Saga. Denn auch hier geht es um die Geschichte eines legendären Königs der Dänen, die etwa drei Generationen vor Hrolf Kraki angesiedelt ist, und auch hier greifen die nordischen Götter in die Kämpfe der Menschen ein. Der Dänenkönig Gram fällt im Kampf gegen den Norwegerherrscher Svipdag. Sein kleiner Sohn Hadding wächst bei Riesen heran, zu denen sie ein Getreuer seines Vaters in Sicherheit gebracht hatte. Als sein Bruder Gudrom in einem Aufstand gegen Svipdag sein Leben lassen muss, verlässt der herangewachsene Hadding die Riesen. Auf seinem Weg begegnet er einem einäugigen Mann, der ihm rät, sich einer Schar Wikinger anzuschließen, die sich gerade auf Beutefahrt aufmacht. Hadding ahnt nicht, dass dieser Mann der Gott Odin ist, welcher immer wieder schützend in sein Leben eingreifen wird. Nach fünf Jahren bei den Wikingern, in denen er wegen seines Geschicks großen Ruhm und Reichtum erworben hat, segelt Hadding als Anführer einer großen Flotte gegen Uppsala, wo er König Svipdag tötet und damit den Tod seines Vaters rächt. Hadding ist jetzt König der Dänen. In den Jahren danach führen Svipdags Sohn und nach dessen Tod die beiden Enkel und Hadding mit wechselndem Erfolg Kriege gegeneinander. Hadding vermehrt dann seinen Ruhm gewaltig, indem er Ragnhild, die Tochter des Norwegerkönigs Haakon, aus der Gewalt eines Riesen befreit. Die stolze Ragnhild, die vorher viele Anträge von Freiern ausgeschlagen hatte erwählt ihn zum Mann. König Uffi von Schweden, der Enkel Svipdags, lädt Hadding zu Friedensverhandlungen nach Uppsala, legt aber einen Hinterhalt. Hadding entkommt als einziger seiner Delegation, kehrt nächstes Jahr mit einer riesigen Flotte zurück und tötet Uffi im Kampf. Dessen Bruder Hunding, der den Verrat Uffis abgelehnt hatte, schließt mit Hadding Frieden und wird neuer Schwedenkönig. Danach gibt es einige friedliche Jahre. Ragnhild, die immer wieder Heimweh nach ihrer gebirgigen Heimat hat, stirbt bei der Niederkunft ihres dritten Kindes. Alt geworden, muss Hadding sich einer Intrige seiner eigenen missratenen Tochter Ulfhild erwehren, die ihren Mann dazu anstiftet, dem König nach dem Leben zu trachten. Am Ende geht der König freiwillig in den Tod, denn ihm wurde einst prophezeiht, dass er nicht durch fremde Hand sterben würde. Als er erwacht, sieht er Odin vor sich, der ihn – seinen Asenbruder Njöld – das Leben eines Sterblichen durchleben ließ, um eine alte Schuld zu tilgen. Die beiden Brüder sind jetzt durch die Abtragung dieser Schuld wieder vereint. Im Vergleich zu den früheren Fantasyromanen Andersons fällt auf, dass hier durch den Wegfall der Längenbeschränkungen viel mehr Platz für epische Breite vorhanden ist. Das hemmt allerdings den Erzählfluss und bringt trotz vieler gewalttätiger Handlungsteile eine gewisse Langeweile mit sich. Interessant sind allerdings die immer wieder in die Handlung eingestreuten Gedichte, die den Skaldenfähigkeiten der Handlungsträger entspringen.
Die dänische Verserzählung Agnete und der Wassermann wurde von Anderson beeindruckend in Romanform umgesetzt. Zusammen mit dem Geborstenen Schwert ist das wohl das beste Fantasywerk des Autors. Zwei Teile daraus erschienen vorweg als Erzählungen in Lin Carters Flashing Swords-Anthologien (auf Deutsch in Terra Fantasy), bevor Anderson den Stoff komplettierte und als Roman herausgab, welcher auf Deutsch unter dem Titel Kinder des Wassermanns als erster Fantasyroman in der damals neuen Reihe Moewig SF publiziert wurde. Der fanatische Erzdiakon Magnus Gregerson ist entsetzt, als er in den ostjütischen Küstenort Alsen kommt. Denn es wird ihm zugetragen, dass ein heidnisches Seevolk in der Nähe lebt und Kontakt mit den Menschen hat. Vanimen, der König dieser Feenwesen, hatte sogar die Menschenfrau Agnete zur Gattin genommen, welche ihn und die gemeinsamen Kinder aber verlassen hat, weil sie das nicht mehr mit ihrem christlichen Glauben vereinbaren konnte. Der Priester exorziert das seelenlose, schamlose und unsterbliche Seevolk. Die herrliche Unterwasserstadt Liri, die Heimat der Meerwesen, fällt daraufhin in Trümmer und der Exorzismus zwingt sie zu fliehen. Nur der Königssohn Tauno bleibt noch zurück, weil auf ihn als Halbblut der Fluch des Priesters nur schwach wirkt und er noch auf seine drei Geschwister warten will, die auf einem Ausflug sind. Als die Geschwister zurückgekehrt sind, wollen sie gemeinsam ihrem Volk folgen, das mit unbekanntem Ziel fortgezogen ist. Sie lassen allerdings ihre Schwester Yria bei der Familie ihrer Mutter zurück, denn sie hat zuviel des Blutes ihrer Mutter in sich und würde eine lange anstrengende Reise im Ozean nicht überstehen. Ylia lässt sich taufen, und als sie den christlichen Namen Margrete annimmt, verliert sie die Erinnerung an ihre Zeit mit dem Seevolk. Beim Versuch, ihre Schwester aus einem Kloster freizukaufen und dafür einen Schatz zu heben, der in einer Unterwasserstadt von einem Riesenkraken bewacht wird, wird Taunos Bruder Kennin getötet. Tauno und seine Schwester Eyjan machen sich zu zweit auf, ihr verschwundenes Volk zu suchen. Ihr Weg führt sie zu den durch die Klimaverschlechterung im Spätmittelalter dem Verderben geweihten Siedlungen der Nordleute in Grönland, wo sie die Macht des Zauberwesens Tupilak brechen und einige Zeit bei freundlichen Inuit leben. Nach langen Irrfahrten führt die Spur der Verschwundenen zum dalmatinischen Küstenland. Dort wurden sie von den einheimischen Kroaten freundlich aufgenommen, haben sich niedergelassen und das Christentum angenommen. In vielleicht zweihundert Jahren werden aufgrund der Vermischung mit den Einheimischen Spuren des Seevolks nur noch in Sagen übriggeblieben sein.
Wie im Geborstenen Schwert nimmt auch in diesem Roman das Motiv des Dahinschwindens der Halbwesen des Feenreiches durch die Ausbreitung des Christentums eine zentrale Stelle ein. Der Verlust der heidnischen Unschuld und der physischen Unsterblichkeit (außer wenn das Leben durch Gewalt beendet wird) wird dem Gewinn der unsterblichen Seele durch die Taufe und die Hoffnung auf ein Weiterleben nach dem Tode im christlichen Himmel gegenübergestellt. Die Trauer über das, was verlorengeht, ist ständig zu spüren:
„Die Wildnis schmilzt vor Axt und Pflug dahin. Gleichzeitig versammelt sich alles, was zählt, in den Städten, wo jedes Ding von Menschen gemacht ist und der kleinste Kobold keinen Unterschlupf finden kann. Jahr für Jahr pflügen Schiffe in immer größerer Zahl die Meere, geführt von Kompaß und Astrolabium statt von Vogelflug, Landmarken, dem Einssein des Seemanns mit den Wogen. Eines Tages werden wir die Erde umrunden, und christliche Kirchen entstehen auf den letzten Zufluchtsorten des Feenvolkes.“
Zitiert aus: Poul Anderson: Kinder des Wassermanns. München 1981, Moewig SF 3516
Einen ganz anderen Hintergrund als seine Geschichten aus dem nordischen Sagenkreis haben Andersons Romane Operation Chaos und Operation Luna, wobei nur der erste auf Deutsch relativ wenig beachtet in der Heyne SF-Reihe als Science Fiction-Roman vermarktet wurde. Schauplatz ist eine Alternativwelt, in der die Vereinigten Staaten im Zweiten Weltkrieg nicht gegen die Nazis, sondern gegen ein Sarazenen-Kalifat kämpfen. Die Existenz Gottes, der gegen Satan kämpft, ist wissenschaftlich bewiesen und Magie funktioniert. Jedermann hat seinen persönlichen Besenstiel mit Windschutzscheibe und komfortablen Sitzen. Der Werwolf Stephen Matuchek und die Hexe Virginia Graylock kämpfen gegen die islamischen Invasoren. Dabei bekommen sie es mit einem genialen Geist aus der Flasche zu tun, der von König Salomon hinein verbannt worden war. Die beiden werden ein Paar, und als später ihre Tochter Valeria entführt und gegen einen Wechselbalg ausgetauscht wird, suchen sie sogar die Hölle auf, um sie zu befreien.
Leider nicht ins Deutsche übersetzt wurde Andersons in Zusammenarbeit mit seiner Ehefrau Karen verfasste vierteilige Serie The King of Ys über die legendäre Stadt in der Bretagne. Der römische Legionär Gratillonius wird zum König der Stadt, bis sie in einer Sturmflut von den Wogen des Meeres verschlungen wird.
Auf jeden Fall eine Erwähnung verdient sich hier auch die Trilogie Der letzte Wikinger über den Norwegerkönig Harald Hardrade. Um Unterschied zu Hrolf Krakis Saga und Krieg der Götter handelt es sich hier aber um historische Romane ohne Fantasy-Elemente. Trotzdem brachte der Ullstein Verlag die drei Romane – möglicherweise in Unkenntnis des Inhalts beim Einkauf – in seiner SF- und Fantasy-Taschenbuchreihe mit dem Untertitel „Die Abenteuer des authentischen Conan“ heraus.
Harald Sigurdharson, Nachfahre von des ersten Norwegerkönigs Harald Schönhaar aus dem Geschlecht der Ynglinge, erlebt als blutjunger Bursche in seiner ersten Schlacht gleich eine bittere Niederlage. Denn sein Halbbruder, König Olaf der Kühne, überlebt den Angriff von Aufständischen nicht, und Norwegen fällt unter fremde Herrschaft. Harald muss mit anderen Getreuen des Königs ins Exil fliehen. Der Weg führt sie nach Nowgorod, wo Verwandte leben, darunter Olafs Sohn Magnus. In den kommenden Jahren wächst Harald zu voller Manneskraft heran. Mit seiner Größe von sieben Fuß ist er eine furchterregende Gestalt. Um das Königreich zurückgewinnen zu können, braucht er aber Kriegserfahrung und vor allem Geld. So ist es kein Wunder, dass Das goldene Horn ihn lockt, und deswegen zieht er nach Konstantinopel und wird im Dienst des Kaisers Führer der Warägerlegion. Dabei bewährt er sich in vielen Kriegen, bevor er als mächtiger Kriegsherr den Weg zurück nach Norwegen antritt und dort den Königsthron erobert, den er sich mit seinem Verwandten Magnus teilt.
Die beiden Könige Magnus und Harald versuchen gemeinsam, Sven zu unterwerfen, den Magnus als Jarl von Dänemark eingesetzt hatte, der sich dann aber selbst zum König dieses Landes ausgerufen hatte. In einer harten Schlacht verliert Magnus sein Leben, Harald ist damit alleiniger König Norwegens. Sven bleibt in Dänemark trotz immer wieder erfolgender Einfälle der Norweger fest im Sattel. Schwierigkeiten bekommt Harald auch immer wieder mit seinen norwegischen Untertanen, denn durch rücksichtslose Behandlung seiner Landsleute und sturköpfiges Verhalten, das ihm auch den Beinamen Hardrade (für „Harter Rat“) einbringt, macht er sich eine Menge Feinde. Haralds Ruhelosigkeit führt ihn schließlich in den hohen Norden. Er befährt in einer Expedition Die Walross-Straße, denn die Sagen über das märchenhafte Land Hyperborea, in dem man großen Reichtum gewinnen kann, locken ihn. Die Abenteurer finden aber nur ewiges Eis, und nur mit großer Mühe kann Harald zurückkehren.
Das Zeichen des Raben führt Haralds Geschichte zu ihrem Schluss. Er möchte aufgrund fragwürdiger historischer Ansprüche die Gelegenheit ergreifen, Englands Thron zu erobern und fährt mit einem großen Heer nach Süden. In der Schlacht von Stamford Bridge in der Nähe von York im Jahr 1066 findet er sein Ende.
Das Heer seines Gegners Harold Godwinsson ist aber durch das verlustreiche Gefecht geschwächt und verliert dann die Schlacht bei Hastings gegen die Normannen unter ihrem Herzog William the Conqueror. Dieser besteigt den Thron und begründet das normannische Königreich in England. Daraus wurde letzten Endes das Großbritannien, welches wir heute kennen. Wie würde unsere Welt heute aussehen, wenn sich Harald oder Harold durchgesetzt hätte?
Kommentare
Bei Andersons SF ist bei mir nie der Funke übergesprungen. In der Fantasy ist es etwas anders. "Das zerbrochene Schwert" ist ein sehr schöner Roman, der Lust auf nordische Mythologie macht. Sein Conan hingegen ist einfach nur misslungen.