Döner und böse Träume - »Feral 1«
Döner und böse Träume
»Feral 1«
Die ersten beiden Geschichten „A Monarchs Wedding“ und „Milk and Cookies“ sind in der englischen Ausgabe erschienen und ich habe sie bereits in dem entsprechenden Artikel veröffentlicht. Zur besseren Lesbarkeit füge ich die Texte zum Schluss noch einmal in diesen Artikel ein. In dem Fazit zu „Milk and Cookies Habe ich noch ein paar Bemerkungen hinzugefügt. Die zwei Geschichten „Voodoo Kebab“ und „Bad Night“ werden in diesem Artikel zuerst besprochen. Zu den Gründen, warum es die Geschichten nicht in die englische Ausgabe geschafft haben, berichte ich in den Fazits.
An dieser Stelle geht schon mal ein Dankeschön an Herausgeber Ömer Yalinkilic, der mir ein Rezensionsexemplar der ersten deutschen Ausgabe zur Verfügung gestellt hat.
In den Feral News stellen sich die Macher des Magazins vor. Sie sind allesamt in anderen Berufen tätig und beschreiben sich selbst als Amateure im Comicbusiness, haben aber vor, die Arbeit an Feral nach und nach zu professionalisieren. Daher planen sie auch gleich, eine englischsprachige Ausgabe für den internationalen Markt an den Start zu bringen.
Ein weiteres Hobby von Yalinkilic ist das Sammeln alter Filme. Daher möchte er dieses Thema ab der ersten Ausgabe in das Magazin einbinden. Zur Veröffentlichung der ersten Ausgabe plant er Filmvorführungen im alten Original 35 mm Technicolor. Die Filme stammen aus seiner Privatsammlung.
Ich hatte im ersten Artikel vermutet, dass es sich bei den Zeichnungen in Feral um echte Handarbeit ohne Einsatz von Software handelt. Yalinkilic berichtet in den Feral News, dass die Zeichnungen tatsächlich alle mit der Hand erstellt sind und nicht am PC. Lediglich kleine Korrekturen sind mit Photoshop vorgenommen.
Voodoo Kebab (8 Seiten)
Kasim ist das Oberhaupt einer türkischen Bande im Berliner Stadtteil Wedding. Er kontrolliert die legalen und illegalen Geschäfte im Viertel. Er hat seine Finger in so ziemlich jedem Geschäft stecken und verdient damit eine Menge Geld.
Allerdings schwinden in der letzten Zeit die Einnahmen aus den Kebabverkäufen. Die Ursache liegt in der Eröffnung eines neuen Imbisses, dessen Kebab die Kundschaft an sich zieht. Kasim und seine Leute können sich nicht erklären, was diese Dönertasche so besonders macht. Er wittert Konkurrenz in dem von Afrikanern eröffneten Laden und schickt einige seiner Leute dorthin, um die Betreiber einzuschüchtern. Die Besitzerin beginnt mit Kasims Jungs zu flirten und kann sie in einen Hinterraum locken. Dort bringt sie die Männer um. Am nächsten Tag steht eine Frau mit einem Koffer im Laden. Er ist gefüllt mit Leichenteilen. Nun gibt es endlich wieder frischen Kebab.
Eine schöne, fiese Geschichte haben Autor Ömer Yalinkilic und Zeichner Eike Meyer zu Papier gebracht. Die schwarz-weiss-Zeichnungen passen gut zum Ton der Geschichte und die Protagonisten reden in einer angemessenen Ausdrucksweise. Es kommen Schimpfwörter und Herabwürdigungen vor, die aber zielgerecht eingesetzt sind und nicht zu plakativ oder aufgesetzt wirken.
Diese Geschichte hat es nicht in die englische Ausgabe geschafft und nach erster Sichtung wird sich der Leser nach den Gründen fragen, denn die Story ist an sich sehr unterhaltsam. Schon in der Einleitung ist zu lesen, dass der Döner Kebab ein deutsches Phänomen ist, der durch die türkischen Einwanderer nach Deutschland gekommen ist. In anderen Ländern wird der beliebte Snack wenig bis gar nicht bekannt sein und genau darin liegt das Problem dieser Geschichte. Sie ließe sich zwar eins zu eins in die englische Sprache übersetzen, wenn der Leser allerdings nicht weiss, dass im Döner Kebab geschnittenes Fleisch enthalten ist, wird er auch nicht verstehen, dass in dem afrikanischen Laden Leichenteile in die Dönertasche verarbeitet werden und dass sie deshalb diesen besonderen Geschmack haben. Von daher richtet sich diese Geschichte nur an die deutsche Leserschaft. Im Ausland wird sie so nicht funktionieren.
Bad Night (8 Seiten)
Eine gefesselte Frau flieht durch einen verschneiten Wald. Sie kann sich von den Fesseln befreien und wird in diesem Augenblick von ihrem Verfolger gestellt. Die maskierte Gestalt schlägt mit einer Axt auf sie ein, sie aber kann den Schlägen ausweichen. In diesem Moment erscheint ein Werwolf und tötet den Verfolger. Anschließend tötet das Untier die Frau, in dem er ihr den Kopf abreißt. Wie aus dem Nichts erscheint eine weitere maskierte Gestalt und tötet nun den Werwolf.
Die ganze Szene entpuppt sich Albtraum, in dem die Träumende von finsteren Wesen verfolgt wird. Die Träumende ist allerdings nicht die Frau. Der Leser erblickt einen erwachenden Werwolf im Nachthemd.
Jeder kennt Albträume, in denen er von unbekannten oder schrecklichen Wesen verfolgt und schließlich gestellt wird. Kurz bevor der Träumer im Traum getötet oder ernsthaft verletzt wird, wacht er in der Regel auf.
Diese Story von Alexander Iffländer, Markus Hülse, Jakob Geiger und Simone Kalz kommt ohne Worte aus und spielt mit den Erwartungen des Lesers, der damit rechnet, dass die Erwachende die Frau ist. Der Twist besteht darin, dass es der Werwolf ist.
Ömer Yalinkilic ist der Zeichner dieser Geschichte und war später nicht mehr mit der Qualität zufrieden. Daher hat er darauf verzichtet, sie später in der englischen Ausgabe zu berücksichtigen.
A Monarchs Wedding (14 Seiten)
Der Schmetterlingssammler Boom beobachtet, wie ein junges Mädchen einen Schmetterling mit einem besonderen Mal auf dem Leib tötet. Das Mädchen glaubt, das Tier wäre böse. Das Mal dient aber lediglich zur Tarnung, um angreifenden Feinden einen größeren Körper vorzutäuschen. Boom selbst stellt sich als selbst nicht zu zimperlich heraus, wenn er Schmetterlinge in seinem Museum präpariert und sie in Glasvitrinen ausstellt.
Boom erhält eine Nachricht aus Neu Guinea, dass ein Forscher dort ein bisher unbekanntes Exemplar gesichtet hat. Die Neugier treibt ihn einmal um den halben Erdball und er kann den Spuren des Schmetterlings folgen, die ihn schließlich zu einer Höhle gelangen lassen, in der er das Tier vermutet.
Kaum angekommen kann er keinen klaren Gedanken mehr fassen und findet sich in einem Liebessspiel mit einer Frau wieder. Er spürt den plötzlichen Stich an seinem Herzen, der an die Präparierung seiner Schmetterlinge erinnert. Er kann sich zwar aus der Umklammerung der Frau befreien, eine scheinbare Brücke entpuppt sich allerdings als ein Gebilde vieler kleiner Motten, die Boom bei der Überquerung in den Abgrund fallen lassen. Als er auf dem Boden aufkommt, wird er auf einen spitzen Baumstamm aufgespießt.
Der erfahrende Leser wird den Twist der Story bereits zu Anfang erahnen, was der Qualität der Geschichte aber keinen Abbruch tut. Einmal im Jahr lockt das Wesen einen Mann zu sich in die Höhle, in dem es ihm vorgaukelt, erotische Phantasien mit ihr ausleben zu können. Boom erklärt dem kleinen Mädchen zu Beginn der Geschichte, dass das Mal auf dem Körper des Schmetterlings lediglich zur Tarnung dient. Tragischerweise fällt er auf einen vergleichbaren Trick herein und gibt sich der vorgeblichen Frau auf einem Altar in der Höhle hin. Obendrein erleidet er das gleiche Schicksal, wie die Schmetterlinge, die er in seinem Museum ausgestellt hat. Er wird aufgespießt und zur Schau gestellt.
Der Titel der Geschichte „A Monarchs Wedding“ ist schlau gewählt und weist in zweierlei Hinsicht auf den Twist der Geschichte hin. Der englische Begriff Monarch lässt sich zum einen mit dem Begriff Herrscher übersetzen. In Bezug auf die Geschichte lässt sich vermuten, dass Boom einer Königin zum Opfer fällt. Unter anderen lässt sich Monarch mit Monarchfalter übersetzen und weist somit schon direkt auf einen Schmetterling hin. Ein schönes Wortspiel.
Geschrieben hat die Geschichte Michael Rather. In den Feral News wird er noch als Mr. Hyde bezeichnet, da er seinen Realnamen nicht nennen möchte. In der Story ist er hingegen mit seinem Realnamen vermerkt. Rather ist Jahrgang 1968 und in Minden zuhause.
Der Zeichner ist Ömer Yalinkilic und er liefert eine tolle Arbeit ab. Vor dem Erreichen der Höhle wird die Geschichte in klar zuordbaren Panels erzählt und setzt sich kontinuierlich fort. Als Boom den Ort erreicht, an dem er den Schmetterling vermutet werden die Hintergründe in den Bildern verspielter. Mit dem Einsetzen der Erotikszenen gleitet die Handlung ins surreale über und die klassische Panelaufteilung löst sich mehr und mehr auf und die Szenen gehen ineinander über. Das unterstreicht den abgedrehten Fortgang der Handlung. Plot und Zeichnung bilden ein einheitliches Storytelling, bei dem deutlich zu merken ist, dass Autor und Zeichner sehr gut zusammengearbeitet haben.
Die Schattierungen in den Figuren und den Hintergründen sind offenkundig in Graustufen gepinselt. Man sieht sofort, dass hier keine Software zum Einsatz kam. Das sind echte, handgemachte Zeichnungen. Sollte hier doch mit Photoshop oder Coreldraw gearbeitet sein, dann ist das wirklich gut und realistisch gemacht.
Milk and Cookies (6 Seiten)
Es ist Weihnachten und Santa Claus düst mit seinem Rentierschlitten über den nächtlichen Himmel. Er steigt in einem Haus über den Kaminschacht ein und wundert sich über die Einrichtung. Der Weihnachtsbaum ist mit Totenköpfen behangen und in einem Teil des Raumes stehen zwei Särge.
Die Sargdeckel öffnen sich und zwei Vampire entsteigen den Kisten. Vampire sowie Santa Claus sind verwundert, dass der jeweils andere wirklich existiert. Jetzt wollen die beiden Blutsauger herausfinden, wie denn das Blut von Santa Claus schmeckt. Es kommt zu einem kurzen Handgemenge, in dem Santa Claus unterliegt und die beiden Vampire stürzen sich auf ihn.
Die zweite Geschichte im Magazin ist eine Christmas-Story, in der Santa Claus von zwei Vampiren gebissen wird. Das war es dann wohl erstmal mit Weihnachten.
Die Szenen, in denen sich beide Parteien vorhalten, dass man den jeweils anderen nur für eine Sagengestalt hält, sind sehr lustig. Es ist Weihnachten und Santa Claus steht vor einer Vampirin und sie bringt nur trocken heraus: Who the fuck are you? Das ist sehr komisch anzusehen. Die beiden Blutsauger nehmen es dann sehr praktisch und gehen ihrer Natur nach. Sie saugen ihn aus.
Geschrieben wurde die Geschichte von Alexander Iffländer. Er arbeitet sehr eng mit Ömer Yalinkilic zusammen und hat mit ihm Feral ins Leben gerufen. Die Zeichnungen sind wiederum von Yalinkilic, die dieses Mal in zum Teil großen Panels gestaltet sind. Entsprechend des auf den Punkt gebrachten Handlungsverlaufes sind die Hintergründe in den Bildern sehr viel geordneter und aufgeräumter.
Nachtrag nach Sichtung der deutschen Ausgabe: Die Originalversion dieser Geschichte ist für mich der interessanteste Teil des Vergleiches der deutschen und der englischen Ausgabe, zeigt er doch, wie schwierig gute Übersetzungen anzufertigen sind. Am Beispiel von Voodoo Kebab wird deutlich, dass sogar komplette Geschichten manchmal nicht in einer Übersetzung funktionieren. In der Regel lese ich zuerst englische Originale und manchmal zum Vergleich die deutsche Übersetzung. Nun lag mir eine englischsprachige Übersetzung eines deutschen Originals vor, was ich so auch noch nicht hatte. An der Stelle, an der die Vampirin dem Sarg entsteigt und Santa Claus erblickt, äußert sie voller Verwunderung den Satz „who the fuck you are“. Dieser klingt in dieser Situation absolut badass. Wie lässt sich das angemessen ins deutsche übersetzen? Hey, wer bist? Oder: Und wer zur Hölle bist du? Nein, passt alles nicht. Und siehe da, auch im deutschen ist dort ein fuck zu lesen. Das passt am besten.
Feral 1