Martin, George R. R. - Fiebertraum

Fiebertraum von George R. R. MartinFiebertraum
(Fevre Dream)
von George R. R. Martin
Deutsch von Michael Kubiak
Originalausgabe 1982, überarbeitete Neuausgabe 2008
Heyne Taschenbuch 53285
ISBN 978-3-53285-4
511 Seiten/12,00 €
Random House (Heyne Verlag)

Abner Marsh wird vom Pech verfolgt. Er ist ein Reeder und Flussschiffkapitän auf dem Mississippi, aber der strenge Winter von 1856/57 mit seinem Packeis hat ihm vier seiner Schiffe zerfetzt. Daher kommt ihm die Offerte von Joshua York recht, der ihm finanzielle Mittel für den Neubau eines Schiffes anbietet, dafür aber sein Partner werden will. Dazu stellt York seltsame Bedingungen. Aber Abner Marsh geht darauf ein, geblendet von den finanziellen Möglichkeiten, die ihm York bietet.

Die Fiebertraum (Fevre Dream) wird gebaut, der verdammt noch mal beste Schaufelraddampfer auf dem Mississippi. Gemeinsam gehen sie auf Fahrt, aber Joshua ist ein seltsamer Gefährte, der nur in der Nacht herauf kommt, seltsame Drinks trinkt und mit Ausflügen die Jungfernfahrt des Schiffes aufhält. Er verfolgt eigene Pläne und seine Gefährten sind unheimlich.

Das Unheil nimmt im Sommer 1857 seinen Lauf... und findet erst 13 Jahre später, 1870, sein Ende.
 
Wer redet von Feuer und Eis (zweifellos tolles Fantasygarn), wenn er Fiebertraum lesen kann. Fiebertraum ist, seit ich den Roman das erste Mal las, einer der Bücher, die mich voll und ganz faszinieren, wo ich jede Seite inhaliert habe und die ich immer und immer wieder jemanden empfehle. Ein intensives Leseerlebnis ohne Folgebände und Zyklen. Und jetzt da es mal wieder neu aufgelegt wurde, erst recht. Für zwölf Euro bekommt der interessierte Leser eine wunderbare Vampirgeschichte, die im 19. Jahrhundert auf dem großen Fluss spielt. Martin lässt diese Ära der Schaufelraddampfer, Spieler und Flussmänner wieder auferstehen. Dazu kommt nach und nach der immer eindringlicher werdende Horror. Martins Roman nimmt den Leser gefangen, führt in die düstere Welt am Fluss in der Zeit vorm Bürgerkrieg, als die Sklaverei noch nicht abgeschafft war und der Lebensstil des Südens seinen Höhepunkt erreichte.

Abner Marsh, der hässlichste Mann am Fluss, ist ein Charakterkopf, den dieser Roman braucht. Kein schöner Held, kein edler Recke, sondern ein knorriger Flussschiffer voller Macken und Charakter. Joshua York ist von anderem Kaliber, feinsinnig, schön und ein Geschöpf der Nacht. Dabei ist der Vampir, den Martin entwirft, kein Höllengehöpf mit schwarzer Magie, sondern nur ein alternativer Weg der Evolution. Er entstammt wie der Mensch nicht der Schöpfung, im Guten wie im Bösen, sondern nahm im Darwin’schen Sinne nur einen anderen Weg. Und doch auch aus diesem Typ Vampir kann Unheimliches erwachsen, Schrecken entstehen. Der sich „Dämon“ Julian nennende Vampir verkörpert dieses Monster, der zu einem natürlich erotisch, aber auch gierig ist. Er betrachtet Menschen als Vieh und nutzt die Mythen um Vampire aus. Sein Diener, in der Tat eine Art Renfield (Dracula), Sour Billy Tipton, sehnt sich nach der Unsterblichkeit des Vampirs und dient Julian bedingungs- und beinahe skrupellos.

Martin nimmt den Mississippi und holt seine unheimlichen Seiten hervor und zeichnet den Süden – eben durch die Vampire – als dekadent, im Innern Morsch und zum Untergang verdammt. Und das ist die Atmosphäre, die über den ganzen Roman liegt. Nach außen glänzend und von innen verfault.

Ein meisterhafter Roman von George R.R. Martin, den ich Jedem ans Herz legen möchte, der Vampirgeschichten mag. – Wirklich Jedem.

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