Ruckley, Brian: Bloodheir - The Godless World 2
Bloodheir
Das eisige Reich der Thane versinkt tiefer und tiefer in Krieg und Chaos. Unter dem Kommando des Hauses Horin-Gyre stoßen die Truppen des Schwarzen Pfads immer weiter in die Lande des Hauses Haig vor. Der größte Teil des Glas-Tals ist bereits in die Hand der kriegerischen Nordmänner gefallen, und damit auch die meisten Besitzungen des Hauses Lannis-Haig. Nun stehen die Armeen Horin-Gyres und ihrer Verbündeten, hoher Verluste zum Trotz, kurz davor, auch die Gebiete des Hauses Kilkry-Haig zu erobern.
In Zeiten wie diesen sollten die Häuser der Thane eigentlich zusammenhalten, doch Streit und Missgunst beherrschen das Bild. Aewult, ältester Sohn und Bluterbe von Hochthan Gryvan, führt seine Armee gegen die Truppen des Schwarzen Pfads, sehr zum Unmut des Hauses Kilkry-Haig, dem aus politischen Gründen verboten wird, den Feldzug zu begleiten. Und auch anderswo beginnt sich Unmut zu regen gegenüber Gryvan und seinen Ränkespielen.
Unterdessen droht den Reichen eine weitaus größere Gefahr als ein bloßer Bürgerkrieg. Nach seiner Nahtoderfahrung beginnt sich das Halbblut Aeglyss immer weiter zu verändern und geheimnisvolle Kräfte zu entwickeln. Diese Veränderung ruft die Anain auf den Plan, eine uralte Rasse, deren Hass auf alle anderen Lebewesen legendär ist, und die weitaus mehr vernichten könnten als nur ein paar von Menschen geschaffene Reiche...
Nicht immer kann der zweite Band einer Reihe mit dem ersten Teil mithalten, insbesondere dann, wenn dieser ein wirklich starkes und überzeugendes Machwerk ist. Bei Ruckleys »The Godless World« ist dies leider der Fall. »Bloodheir« ist deutlich schwächer als sein Vorgänger.
Zunächst einmal weist der Roman die gleichen, teilweise Serien-immanenten und somit nicht mehr auszumerzenden Mängel auf wie schon »Winterbirth«. Allen voran ist hier das Problem mit der Bezeichnung von Häusern, Stämmen und Völkern zu nennen, die allesamt ungeheuer ähnlich klingen. Ohne gelegentliche Blicke in das Glossar zu Beginn des Buchs kann man hier schon mal die Orientierung verlieren.
Viel stärker ins Gewicht fällt aber ein anderer Aspekt: die Figur des Halbbluts Aeglyss. Aeglyss, der typische finstere Einzelgänger, der immer mächtiger wird und allen überlegen scheint, der mühelos alle anderen Personen im Roman manipuliert, benutzt und austrickst, und den aus den widersinnigsten Gründen niemand töten will oder kann. Das Halbblut ist einer jener Schurken, die die Leserschaft eigentlich immer in zwei extreme Lager teilen. Die einen lieben solche Charaktere und finden, sie sind das Salz in der Suppe, die anderen hassen sie, weil sie in ihren Augen nicht böse und grausam wirken, sondern einfach nur wie eine einfallslose Allmachtsfigur des Autors daherkommen. Ich gehöre eindeutig letzterer Gruppe an, weshalb mir die immer stärkere Präsenz von Aeglyss den Roman gerade in der zweiten Hälfte ziemlich vermiest hat und die Lektüre mitunter reichlich frustrierend erscheinen ließ.
Das ist äußerst schade, denn abgesehen von Aeglyss und von den schon genannten Serien-internen Schwächen ist »Bloodheir« ein beeindruckendes Stück High-Fantasy-Literatur.
Kirkus Reviews schrieb über »Winterbirth«, dass das Buch all jenen Lesern gefallen würde, die auf düstere, vielschichtige und politische Fantasy stehen. Eine Aussage, die auch auf »Bloodheir« voll und ganz zutrifft. Ruckleys Epos ist ein dunkles, brutales Machwerk, das mit einer ganzen Reihe exzellenter, immer wieder überraschend ineinander übergehender Storylines glänzen kann. Die Figuren sind größtenteils überzeugend, die Stimmung durchweg düster-bedrückend. Wer High Fantasy im Stil von George R. R. Martin, Greg Keyes oder Tad Williams liebt, der weiß in etwa, auf was er sich einlässt, wenn er »The Godless World« zur Hand nimmt.
Anders als etwa Williams »Osten Ard« ist Ruckleys dunkles Epos allerdings ungeeignet, Personen für das Genre der High Fantasy zu begeistern, die nicht ohnehin schon Fans dieser Richtung sind. »The Godless World« ist schlicht zu düster und mitunter zu negativ, als dass es Neulinge oder Leser, die bislang eher wenig mit dem klassischsten aller Fantasygenres anzufangen wussten, wirklich zu packen versteht.
Was ein echter High-Fantasy-Fan ist, den wird das aber nicht abschrecken, ganz im Gegenteil. Die komplexe und verschachtelte, aber immer verständliche Story der Reihe versteht es nämlich auch im zweiten Teil, einen immer wieder atemlos an den Roman zu fesseln. Besonders hervorzuheben sind hier übrigens Kampf- und Schlachtszenen. Nicht vielen Autoren gelingt es, derartige Sequenzen wirklich überzeugend zu beschreiben und so in Worte zu fassen, dass der Leser sie auch tatsächlich liest und nicht nur flüchtig überfliegt und gleich zur Auflösung springt. Ruckley meistert dieses Kunststück virtuos, weshalb das Buch auch jenseits der gelungenen Dialogszenen spannende Lektüre bietet.
Man merkt es dieser Rezension an: »Bloodheir« ist ein Buch, das einen etwas zwiespältigen Eindruck hervorruft. Fesselnde Storylines, eine dichte Atmosphäre und mitreißende Actionszenen stehen einer bisweilen arg deprimierenden Stimmung und dem nervtötenden, viel zu bedeutenden Charakter namens Aeglyss gegenüber. Daher gilt: Wer Fantasy durchweg düster und vielschichtig liebt (ganz wie es Kirkus Reviews geschrieben hat) und Charaktere wie Sylar aus der TV-Serie »Heroes« oder Fenn aus Greg Keyes Saga »The Kingdoms of Thorne and Bone« mag, der sollte unbedingt zu Ruckleys Büchern greifen. Neulinge im Genre allerdings und all jene, die mit Figuren wie eben Sylar oder Fenn nichts anfangen können, sollten sich eher nach anderer Lektüre umsehen; für sie wird »The Godless World« schnell zu einer allzu frustrierenden, wenig erfreulichen Erfahrung.