Rehfeld, Frank: Zwergenfluch
Zwergenfluch
Einst waren die Zwerge ein mächtiges Volk, doch diese Zeiten sind lange vorbei. Längst versinken die großen Hallen ihrer Minen im Staub der Vergessenheit, und ihre ehemals prächtigen Städte sind seit vielen Jahren dem Verfall preisgegeben. Da machen die Zwerge von Elan-Dhor, der letzten großen Bastion des Volks, eine unglaubliche Entdeckung. Tief unter dem Schattengebirge, dort, wohin bislang noch kein Zwerg vorgedrungen ist, soll ein gewaltiges Goldvorkommen lagern.
Dieser Fund könnte alles verändern und das Reich der Zwerge in neuer Blüte erstarken lassen. Aus diesem Grund sendet König Burian ohne zu zögern einen Erkundungstrupp in die tiefsten Tiefen des Gebirges. Dieser stößt tatsächlich auf die versprochene Goldader und auf eine Bedrohung, mit der niemand gerechnet hat. Unwissentlich öffnen die Zwerge die Pforte zu einem unterirdischen Reich, und entfesseln damit eine Macht, die Elan-Dhor den Untergang bringen könnte.
Mit dem Mut der Verzweiflung stellen sich die Zwerge dem Feind entgegen, doch er ist ihnen in jeder Beziehung überlegen. Schließlich sieht der Hohe Rat nur eine Möglichkeit, das Volk der Zwerge zu retten: Man muss die Elben um Hilfe bitten. So macht sich eine kleine Expedition auf den gefahrvollen Weg ins Reich der Spitzohren, während vor den Toren Elan-Dhors eine gnadenlose Schlacht entbrennt...
Wer »Zwergenfluch« liest und was zu meckern sucht, der wird schnell fündig: Die Story des Romans ist weder umwerfend originell noch besonders vielschichtig. Zudem weist sie zweifelsohne das ein oder andere (kleinere) Logikloch auf. Dass etwa ein Waldläufer mehr über Gesteine weiß als Angehörige eines Volkes, deren Lebensinhalt die Verarbeitung von Stein, Erz und Metall ist, wirkt wenig überzeugend.
Das ändert aber nichts daran, dass Frank Rehfeld mit »Zwergenfluch« ein erstklassiges Fantasyabenteuer gelungen ist, das man bis zum viel zu raschen Ende einfach nicht mehr aus der Hand legen kann.
Rehfelds Roman ist ein Werk, bei dem Zwergenfans voll und ganz auf ihre Kosten kommen. Wo andere Werke über Zwerge meist noch durchsetzt sind mit einer ganzen Reihe von Handlungssträngen, die sich um diverse andere Völker drehen (man nehme nur Mal die starke Präsenz der Menschen in Heitz' Zwergen-Saga), konzentriert sich Rehfeld voll und ganz auf das Titel gebende Volk. Nur eine einzige kurze Szene wird aus der Sicht eines Nicht-Zwergen geschildert.
Langeweile kommt deshalb aber nicht auf. Rehfeld tut im Gegenteil gut daran, den Fokus auf den Zwergen zu belassen. So mitreißend die Zwergenromane der bereits genannten Autoren auch sein mögen, in keinem anderen Buch ist mir dieses kriegerische Volk so gelungen nahe gebracht worden wie in »Zwergenfluch«.
Dadurch, dass der Autor seine Aufmerksamkeit hauptsächlich den Zwergen widmet, hat er entsprechend genügend Zeit und Raum, eine durchdachte Darstellung der zwergischen Gesellschaft zu entwerfen. Rehfeld zeichnet das äußerst überzeugende Bild einer Kultur, die der menschlichen nicht unähnlich ist, sich aber doch in weiten Teilen von ihr unterscheidet. Allen voran die Unterschiede in der Mentalität von Zwergen und Menschen werden deutlich.
Für Spannung sorgt aber nicht nur das kontrastreiche Gesellschaftsbild. Besonders angetan war ich von der Story des Buchs.
Im kompletten Film »Der Her der Ringe« gibt es keine Szene, die mich derart überwältigt hat wie die Reise der Gefährten durch die Minen von Moria. Frank Rehfeld scheint dies genauso empfunden zu haben, anders kann ich mir gewisse Ähnlichkeiten zwischen Peter Jacksons Mammutwerk und »Zwergenfluch« nämlich nicht erklären. Gestört hat mich das allerdings nicht im Geringsten. Die Geschichte von den Folgen der zwergischen Gier ist von Rehfeld packend in Szene gesetzt. Mitreißende Actionszenen, gefahrvolle Reisen und eine stimmige Atmosphäre machen »Zwergenfluch« zu einem wunderbaren Lesevergnügen.
Nicht ganz so gelungen wie die Story ist die Darstellung der Protagonisten. Den Charakteren fehlen einfach echte Ecken und Kanten, die sie in besonderem Maße auszeichnen. Nichtsdestotrotz sind die Figuren durchweg überzeugend charakterisiert, weshalb der Leser keine Mühe hat, bei ihren Abenteuern mitzufiebern.
Ein weiterer sehr angenehmer Aspekt des Romans ist der Verzicht auf billige Humoreinlagen. Viele der in den letzten Jahren erschienenen Bücher zu diversen Völkern der Fantasy brüsten sich ja geradezu damit, witzig zu sein, doch oftmals hinterlässt der billig wirkende Humor dieser Werke mehr als nur einen schalen Nachgeschmack. Rehfeld hingegen nimmt seine Protagonisten und seine Story ernst. Ohne übertrieben düster zu werden, erzählt er eine fesselnde Geschichte, die deutlich zeigt: Der Verzicht auf gewollte Komik hat meist sehr, sehr viele Vorteile.
Eine Ausgeburt an Originalität ist »Zwergenfluch« wirklich nicht. So mancher Aspekt des Romans wird dem versierten Fantasyfan reichlich bekannt vorkommen. Wen das allerdings nicht stört, den erwartet ein temporeiches, gut geschriebenes Fantasyspektakel, das reichlich Abwechslung zu bieten hat. Fans von Romanen wie Heitz' »Die Zwerge« werden Rehfelds Buch vollends genießen.
Im Herbst 2009 erscheint mit »Zwergenbann« die Fortsetzung. Ich für meinen Teil kann es kaum erwarten.