Coe, David B.: The Sorcerer's Plague - Book One of Blood of the Southlands
Es ist nicht zwingend nötig, »Winds of the Forelands« gelesen zu haben, um »Blood of the Southlands« genießen zu können. Alle für die Handlung relevanten Details aus der Vorgängersaga werden im Laufe der Handlung von »The Sorcerer's Plague« ausführlich erläutert. Da Coes vorherige Reihe aber zum Besten gehört, was die High Fantasy jemals hervorgebracht hat, rate ich dennoch dringend dazu, sich zunächst in »Winds of the Forelands« zu vertiefen wenn schon nicht zum Verständnis, dann doch aus purer Freude über diese einmalige Erzählung.
Doch zurück zu »The Sorcerer's Plague« und dem Inhalt des Romans. Im Nordosten der Southlands, in einer unwirtlichen Gegend, die von den Y'Quatt (Quirsi, die sich weigern, Magie auszuüben) bewohnt wird, breitet sich eine tödliche Krankheit aus. Wer immer sich mit ihr ansteckt, verliert die Kontrolle über seine magischen Fähigkeiten und bringt sie so lange unkontrolliert zum Einsatz, bis ihn die schädlichen Auswirkungen des unaufhaltsamen Einsatzes von Magie schließlich das Leben kosten. Unaufhaltsam schreitet die Seuche, die nur Quirsi zu befallen scheint, voran. Eine Siedlung nach der anderen wird so auf furchtbare Art und Weise ausgelöscht.
Was zunächst niemand ahnt: Die Krankheit ist nicht natürlichen Ursprungs, sondern das Ergebnis von Blutmagie. Viele Jahre lang hat eine alte Zauberin namens Lici, die am Ende ihres Lebens angekommen ist, an dieser Magie gearbeitet und einen Weg gesucht, sie zu verbreiten. Ihr Ziel: Rache für ein Jahrzehnte lang zurückliegendes Unrecht, das ihr von den Y'Quatt angetan wurde und ihr Leben in so mancher Hinsicht zerstört hat.
In diesen unsicheren Zeiten erreichen Grinsa und Cresenne die Southlands. Eigentlich wollen die beiden nur ein ruhiges Leben fernab der Probleme der Forelands führen, doch dieser Wunsch ist ihnen nicht vergönnt. In einer Welt, deren Regeln sich in vielerlei Hinsicht von den aus ihrer alten Heimat unterscheiden, werden Grinsa und Cresenne zu Spielfiguren eines mächtigen Quirsi-Clanoberhaupts, der Grinsa dazu zwingen will, die Seuche zu bekämpfen und Lici zu töten. Doch wie stoppt ein Quirsi, selbst ein so machtvoller Weber wie Grinsa, eine Krankheit, die jeden dahinrafft, der über magische Fähigkeiten verfügt?
Romane von David B. Coe sind stets ein Genuss. Kaum ein anderer Schriftsteller versteht es, derart brillante, lebensechte Charaktere zu zeichnen und in eine packende, aber niemals übertrieben melodramatische Erzählung einzubinden wie der Amerikaner. Dank Coes schriftstellerischer Fertigkeiten wurde schon die Saga »Winds of the Forelands« ein unvergessliches Erlebnis. Der Auftakt seines neusten Epos' steht der Qualität dieser Erzählung in nichts nach.
»The Sorcerer's Plague« ist sicher nicht für jeden Fantasyleser geeignet. Es gibt keine großen Schlachten oder martialischen Helden. Der Schauplatz der Handlung ist zwar exzellent ausgestaltet, wirkt aber alles andere exotisch; völlig fremdartige Kulturen finden sich ebenso wenig wie ausgefallene Landschaften oder eine Vielzahl phantastischer Völker und Kreaturen. Einmal mehr setzt Coe stattdessen ganz auf einen exzellent konstruierten Kosmos, der sich durch die Vielschichtigkeit seiner Protagonisten und überzeugend ausgestaltete, äußerst realistisch anmutende Gesellschaftsstrukturen auszeichnet.
Insbesondere ist es auch diesmal wieder das Figurenensemble, das zu begeistern weiß. Die Charaktere, die Coe entworfen hat, sind samt und sonders einmalig in ihrer Wesensart. Für jede seine Personen nimmt sich der Autor Zeit, beschreibt sie in aller Ausführlichkeit und verpasst ihr eine charakterliche Tiefe, die in ihrem Ausmaß beinahe schon unheimlich ist. Glaubwürdigere Figuren als die von Coe sind mir in meiner langen Karriere als Leser spannender und phantastischer Unterhaltung noch nie begegnet; einzig die Protagonisten in den Medizinthrillern von Daniel Kalla können hier mithalten.
Die Handlung von »The Sorcerer's Plague« glänzt durch eine im Grunde simple, aber hervorragend in Szene gesetzte Story, die fernab jeglicher Schwarz-Weiß-Zeichnung liegt. Coe schildert das Geschehen aus Sicht aller Beteiligten und vermittelt dem Leser so ein umfassendes Bild von den Folgen, die die Rachsucht einer alten Frau für ganze Landstriche (und bald möglicherweise für einen ganzen Kontinent) hat. Mühelos kann man sich in die Lage einer jeden Person versetzen, ihre Motivationen nachvollziehen und mit ihr mitfühlen.
Auffällig dabei ist das äußerst langsame Erzähltempo, das Coe an den Tag legt. In der Ausgestaltung der Handlung nimmt sich der Autor reichlich Zeit und gibt der Beschreibung seiner Protagonisten den Vorrang. Mehrfach kommt es vor, das der Leser in aller Ausführlichkeit eine Figur vorgestellt bekommt und sich mit ihr anfreundet, nur um dann am Ende des Kapitels von ihrem Tod getroffen zu werden.
Coes Erzählweise ist, gerade in unserer schnelllebigen Zeit, sicher nicht jedermanns Sache. Ich kann allerdings nur dazu raten, sich auf den Stil des Autors einzulassen. Gerade dadurch, dass Coes Protagonisten stets lebendig anmutende Figuren sind und so viel Wert auf ihre Charakterzeichnung gelegt wird, erlangt die Handlung eine ungeheure emotionale Tiefe und eine Dramatik, wie sie sonst auch von dem melodramatischsten Gefechtsszenario samt heroisch inszenierter Sterbeszenen diverser Haupt- und Nebenhelden niemals erreicht wird.
»The Sorcerer's Plague« ist ein herausragender Fantasyroman, der seine Leser dank einer leisen, aber packenden Story und vielschichtige Charaktere packt und bis zum Ende nicht mehr loslässt. Ein perfekter Auftakt für eine Trilogie, die man um keinen Preis verpassen sollte. Insbesondere Fans von Robin Gates (»Rundland-Saga«) und Tad Williams (»Shadowmarch«) werden ihre Freude an dem Werk haben.
Dass David B. Coes Epen in Deutschland bislang weitestgehend unbeachtet geblieben sind, ist mir ein Rätsel und wird es wohl auch immer bleiben ...