Ruckley, Brian: Winterwende

CoverWinterwende – Die Welt aus Blut und Eis 1 (Winterbirth)

von Brian Ruckley

aus dem Englischen von Birgit Ress-Bohusch

erschienen: Winter 2007 (Deutschland), 2006 (England)

600 Seiten, 14.00 €

ISBN: 978-3-492-70143-3

Piper Verlag GmbH

Viele Jahre ist es her, dass die Anhänger des „Schwarzen Pfades“, einer ketzerischen Glaubensrichtung, in die eisigen Gebiete jenseits des Tals der Steine verbannt wurden, in eine raue Landschaft, in der sonst nur wilde und unzivilisierte Stämme leben. Immer wieder haben ihre Nachkommen seitdem versucht, ihr ursprüngliches Land zurückzuerobern, doch dem Haus Lannis-Haig, dessen Ländereien an das unwirtliche Gefängnis der Geächteten heranreichen, gelang es immer wieder, den Schwarzen Pfad zurückzudrängen.

Doch an diesem Fest der Winterwende, dem Tag, an dem der Herbst in die kalte Jahreszeit des Winters übergeht, ändert sich alles.

Während der Hoch-Than, Oberster Führer aller Than-Geschlechter, Truppen aus allen Häusern im Süden des Kontinents sammelt, um den Aufstand eines abtrünnigen Hauses gegen seine Herrschaft niederzuschlagen, dringen aus dem eisigen Norden Horden von Barbaren und Anhänger des Schwarzen Pfades in das Gebiet der Thane und starten einen Eroberungsfeldzug. Das Geschlecht derer von Lannis-Haig steht vor dem Untergang, nur der junge Orisian und seine Schwester Anyara entkommen den Schergen des Feindes. Eine verzweifelte Flucht beginnt, denn der Feind hat sich mit den kriegerischen Waldelfen verbündet und macht unerbittlich Jagd auf sie...

 

 

Selten ist es mir so schwer gefallen, die Handlung eines Buches knapp zusammen zu fassen, wie dies bei dem Fantasyepos Winterwende der Fall gewesen ist. Auf knapp 600 Seiten erzählt Brian Ruckley den Beginn eines sehr komplexen Werkes, das reich ist an verschiedenartigen Bedrohungen und in dem auch die, die man zunächst für die Bösen hält, nichts weiter sind als Schachfiguren im Ränkespiel der Mächtigen und anderer, weitaus mysteriöser Gegner.

 

Keine Frage, die Komplexität von Ruckleys Roman hat ihre negativen Seiten. Zunächst einmal gilt es, sich eine Menge neuer Begriffe einzuprägen und schwierige Namen zu merken. Die hinten im Buch angegebene Zeittafel sollte man vor Beginn des Romans unbedingt genau studieren, da sie viele unbedingt notwendiger Hintergründe beschreibt, ohne die man sich in der Handlung nur schwer zurechtfindet. Eine leise Enttäuschung sind die beiden Landkarten am Anfang des Romans; sie sind enorm schlicht gehalten, verraten kaum Details und helfen nur bedingt beim Zurechtfinden in der von Ruckley entworfenen Welt.

 

Wenn man sich dann aber erst einmal eingelesen hat, erwartet einen einer der interessantesten und vielschichtigsten Fantasyromane der letzten Jahre.

 

Brian Ruckley eröffnet eine Vielzahl unterschiedlicher Handlungsstränge, die von den unterschiedlichsten Personen getragen werden. Trotzdem behält er immer den Überblick, man hat als Leser von Anfang an das Gefühl, dass die Storylines sich zu einem großen Ganzen zusammenfügen lassen. So erhält man Einblick in diverse Geschehnisse und Charaktere und sieht ein komplexes Intrigen- und Ränkespiel aus unterschiedlichen Perspektiven.

 

Ruckleys Erzählstil ist sehr angenehm, mühelos verbindet er Dialoge, Gedankengänge und Beschreibungen zu einer stimmigen Einheit, weshalb Winterwende nie langweilig wird und sich gut und flüssig lesen lässt.

 

Ruckleys wirkliche Stärke aber sind die Personen. Es gibt mittlerweile viele Bücher, die die Helden und ihre Feinde sehr zwiespältig darstellen, die zeigen, dass ein jeder gute und böse Seiten hat. Doch selten gelingt es einem Autor, seine Protagonisten so gut zu charakterisieren wie hier. Die Personen wirken natürlich und voller Leben. Besonders angenehm ist, dass Ruckley gar nicht versucht, die Grenzen zwischen den Guten und den Bösen zu verwischen. Es gibt ganz eindeutig „die Guten“, und es gibt ganz eindeutig „die Bösen“. Gleichzeitig aber sind alle Personen liebevoll ausgearbeitet. Als Leser kennt man ihre Schwächen, ihre Hoffnungen und Wünsche, und egal ob gut oder böse, jeder Charakter hat seine eigenen Fehler, aber auch positiven Seiten. So und nicht anders sollte Fantasy sein.

 

Winterwende ist der Auftaktband der Trilogie Die Welt aus Blut und Eis. Das hat natürlich zur Folge, dass die Handlungsstränge am Ende des Buches (größtenteils) noch nicht abgeschlossen sind und den Leser ein offenes Ende erwartet. Trotzdem hat man am Schluss nicht völlig das Gefühl, im Regen zu stehen, da zumindest einige Storylines vernünftige Abschlüsse erhalten, die gleichzeitig als spannende Auftaktpositionen für die zukünftigen Bände funktionieren. Und weiterlesen will man nach diesem Roman unbedingt. Ich zumindest bin mehr als nur gespannt auf die Fortsetzung.

 

Winterwende ist allen Freunden der Fantasy uneingeschränkt zu empfehlen, insbesondere denjenigen, die auch mal ohne Trolle, Orks und magische Konflikte auskommen (auch wenn es das ein oder andere Talent zu bestaunen gibt, das man heute als „übersinnliche Fähigkeit“ bezeichnen würde). Auch Freunde historischer Romane sollten durchaus mal einen Blick in das Buch werfen. Es lohnt sich.

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