Das Fest der Zwerge - Phantastische Weihnachtsstorys
Das Fest der Zwerge -
Phantastische Weihnachtsstorys
Hrsg. Carsten Pölzin
267 Seiten, Paperback,
Serie Piper, ISBN 978-3-492-26648-2, 7,00
Piper Verlag
Dankenswerter Weise hat uns der
Piper-Verlag und die Autorin M. Arold erlaubt, einen Ausschnitt der
Geschichte "Die zweite Chance" zu bringen (siehe
unten).
M
Mit einem Aufseufzen (ich habe schon wieder ein
Buch entdeckt, das ich kaufen will) drehe ich das Buch um und schiele auf den
Preis. Nur 7 Euro. Nur? Ok, im heutigen Preisgefüge "nur" ... juhu,
neue Beute. Ich stiefele zur Kasse.
Zwerge feiern Weihnachten, wie soll
denn das gehen? Ein Widerspruch in sich selbst?! Ach
ne, von Weihnachten steht da ja gar nichts ...
Das Buch bietet eine Sammlung mit zum größten Teil bisher unbekannten Geschichten
und dient dazu, einem die feuchtnasse Vorweihnachtszeit zu versüßen. Insgesamt
15 Geschichten warten auf einen, und ich fand eine schöner und interessanter
als die andere.
D
a kommen beliebte und bekannte Autoren zu Wort wie Markus Heitz, Andreas Eschbach oder Michael Peinkofer. Man findet aber auch eine Geschichte des indischen Autors Samit Basu - meine Neuentdeckung Nummer 1. Neuentdeckung Nummer 2 ist die Geschichte von Marliese Arold.
Marliese Arold lebt in Erlenbach am Main und ist eine versierte, im Jugendbereich sehr rührige Autorin. Mit einiger Überraschung habe ich die große Zahl an Büchern aus ihrer Feder entdeckt. Dazu gehören Fantasygeschichten ebenso wie Bücher zu Alltagsproblemen von Jugendlichen.
Hier der oben bereits erwähnte Ausschnitt aus der Geschichte "Die zweite Chance" von Marliese Arold:
(...) Seit fünfzehn Jahren schrieb ich Fantasyromane und war inzwischen in der Szene ziemlich bekannt geworden, wenn auch natürlich niemals ein solcher Rummel um mich veranstaltet worden war wie um Jana von Loon. Das Schreiben machte mir sehr viel Spaß, und ich hat mir damit einen Kinderwunsch erfüllt. (...)
An der nächsten Station stieg eine schwarz gekleidete Frau zu und setzte sich mir gegenüber. Etwas unwillig zog ich meine Füße zurück. Dann fiel mein Blick auf ihr Gesicht.
Sie war unglaublich schön. Ihre Haut hatte einen leichten Bronzeschimmer
(...)
Ich starrte die Frau an und war regelrecht hingerissen. Und, ohne es zu wollen, wallte Neid in mir auf. Was würde ich für so ein Aussehen geben! In diesem Moment schoss es mir durch den Kopf, dass ich hätte ich die Wahl ohne die geringsten Bedenken mein schriftstellerisches Talent gegen eine derartige Schönheit eintauschen würde.
Ja, das würde ich tatsächlich tun!
Die Frau hob die Brauen, und ich drehte meinen Kopf schnell zur Seite, peinlich berührt, weil ich sie so angegafft hatte.
Ich spürte, wie sie mich aus den Augenwinkeln beobachtete. Spürte ihren Blick fast wie ein körperliches Kribbeln. Dann huschte ein leichtes Lächeln über ihr Gesicht. An der nächsten Station stieg sie aus, und ich konnte meine Beine für den Rest der Fahrt ausstrecken. Das seltsame Gefühl ließ nicht los.(...)
Dabei gefällt mir besonders, dass der Herausgeber nicht nur Zwergengeschichten geschehen lässt, sondern auch Orks auftauchen, Weihnaxtmänner (nein, ich habe mich nicht verschrieben!) oder eine futuristische Geschichte von Dan Simmons, die mir das Grauen förmlich den Rücken hinauf getrieben hat. "Gequält vom Alptraum in der schlafenden Wiege" ist zutiefst beeindruckend.
Samit Basus Geschichte "Das Jahr des Affen" wirft einen mitten hinein in eine völlig fremde Welt mit seltsamen Religionen und Neujahrsbräuchen. Seine Sprache ist sehr humorvoll, witzig, spritzig. Es macht einfach großen Spaß, sie zu lesen, bei der Geschichte "Dicke, rote Männer" von Karl-Heinz Witzko musste ich herzhaft lachen, ebenso wie bei der Geschichte "Kathy" von Florian Straub, deren Ende nicht sehr überraschend, aber herrlich skurril ist.
Nicht unerwähnt lassen will ich auch, was mich als Erstes an dem Buch angezogen hat: das Cover. Es ziert eine Zeichnung von Glen Angus, einem Zeichner erster Güte aus den USA, danke an Hilden-Design! Mir gelang es einfach nicht, an diesem Buch vorbei zu gehen.
Und - ganz im Sinn der letzten Geschichte - äußere ich einen Weihnachtswunsch: Ich möchte im kommenden Jahr wieder ein so herrliches Buch mit phantastischen Weihnachtsstorys, das man nur mit einiger innerer Gewaltanwendung in den einzelnen Geschichtenhappen genießen kann. Aber keine Angst, Carsten Pölzin, die Erfüllung dieses Wunsches ist weniger schmerzhaft als der von Kathy *breites Schmunzeln". (Bettina Meister)
Es ist ja immer spannend und interessant, die Meinungen verschiedener Leute über ein Buch zu hören. In diesem Fall ist es Jochen Adam, der ebenfalls eine Rezension zum "Fest der Zwerge" verfasst hat.
Das Fest der Zwerge
von Carsten Polzin (Hrsg.)
Die Weihnachtszeit geht, was die Welt der Literatur anbelangt, mit einem interessanten Phänomen einher. Pünktlich zum Fest (na gut, meist schon einige Wochen vorher) darf sich alljährlich aufs Neue eine Literaturform um die Gunst der Leser bemühen, die normalerweise nur ein recht bescheidenens Schattendasein fristet: die Kurzgeschichte.
Jahr für Jahr geben die Verlagshäuser in November und Dezember zahlreiche Anthologien heraus, die gefüllt sind mit den unterschiedlichsten Storys rund um die Weihnachtszeit, Santa Claus und alles, was dazu gehört. Bekannte Autoren und Newcomer, besinnliche Anekdoten, reißerische Schauermärchen und irrwitzige Abhandlungen nichts, was es nicht gibt in den Unmengen an abwechslungsreichen Geschichtensammlungen.
Dieses Jahr hat sich der Piper-Verlag einer ungewöhnlichen Kombination zugewandt. In Das Fest der Zwerge lassen 15 bekannte deutsche und internationale Schriftsteller Wesen und Gestalten aus dem Reich der Fantasy ihre ganz persönliche Begegnung mit dem Weihnachtsfest haben. Ein ungewöhnliches Projekt ist es deshalb, weil Fantasy und Weihnachten nicht unbedingt Hand in Hand miteinander einhergehen. Trotzdem hat der Verlag sich auf das Experiment eingelassen. Herausgekommen ist eine facettenreiche Sammlung, mal lustig, mal düster, aber immer mit einer Gemeinsamkeit: Alles dreht sich um die festlichste aller Jahreszeiten.
Da Das Fest der Zwerge 15 unabhängige Geschichten von unterschiedlichen Schriftstellern umfasst, ist es natürlich schwer, etwas über den Inhalt des Buches zu sagen. Daher hier nur mal einige Einblicke in ein paar der Storylines:
Wer ist der geheimnisvolle Killer, der durch die unterschiedlichen Dimensionen reist und einen Santa nach dem anderen ermordet?
Welches Geheimnis verbirgt sich hinter dem unbekannten Einbrecher, der jedes Jahr am Heiligen Abend in Helenas Zuhause einzubrechen scheint?
Wer ist der geheimnisvolle Unbekannte, der der blinden Maria zu Weihnachten einen Besuch abstattet?
Was soll man als Kobold nur tun, wenn man den Auftrag hat, einen dicken, roten Mann zu entführen, alle potenziellen Opfer aber schon von einer weiteren Partei in die Ewigen Jagdgründe geschickt wurden?
Und 11 weitere Storys.
Mit Anthologien ist das so eine Sache. Auf der einen Seite ist es ganz angenehm, mal nicht einen 600-Seiten-Schinken lesen zu müssen, um eine Geschichte zu erleben. Man erhält kurze Storys von verschiedenen Autoren und kann sich so von jedem ein Bild machen und entscheiden, ob es weitere Bücher des jeweiligen Schreiberlings wert sind, gekauft zu werden oder nicht. Andererseits schwankt die Qualität der Geschichten ganz enorm. Nicht jedem Autor, und seien seine Romane auch noch so gut, liegt es, eine komplette Geschichte auf gerade mal 20 Seiten zu erzählen. Überhaupt fällt es oftmals schwer, auf dieser begrenzten Seitenzahl Personen einzuführen, eine interessante Handlung aufzubauen und diese dann auch zufriedenstellend abzuschließen.
Anthologien haben also ihre Licht- und Schattenseiten. Das Fest der Zwerge macht da keine Ausnahme. Einige Geschichten sind echt gut, bei anderen kann man nur den Kopf schütteln.
Da ist zum Beispiel die Geschichte von Markus Heitz, der eine Episode aus dem Geborgenen Land erzählt, dem Handlungsort aus seinem Zwergenzyklus. Leser, die noch nie einen Roman dieser Reihe gelesen haben, fällt es nicht ganz leicht, mit dem Plot und den handelnden Personen etwas anzufangen. Oder die bizarre Story von Tobias O. Meißner um die letzten Weinaxtmänner. Soll sie nun komisch sein, eine Parodie auf alle Santa-Claus-Märchen, oder einfach nur grotesk? Und Mara Volkers' Erzählung sprüht, bei aller Klasse des Schreibstils der Autorin, nicht gerade über vor innovativen und spannenden Einfällen.
Doch es finden sich auch einige echte Highlights in der Sammlung. Etwa A. Lee Martinez' Noch sind wir nicht tot oder Samit Basus Das Jahr des Affen. Beide Kurzgeschichten sprühen nur so vor Wortwitz und sind herrlich kurzweilig und amüsant zu lesen. Den Kobolden in Karl-Heinz Witzkos Dicke, rote Männer beizuwohnen, ist eine echte Freude. Und Thomas M. Disch beschreibt eine enorm kurze, aber höchst brilliante Episode, die die Konsequenzen, die es hat, wenn niemand mehr an den Weihnachtsmann glaubt, zum Thema hat. Absoluter Höhepunkt ist jedoch Richard Schwartz' Der Besuch. Hier will ich auf keinen Fall zu viel verraten, um die Pointe nicht schon im Vorfeld Preis zu geben, nur soviel: Unbedingt lesen!
Das Fest der Zwerge ist ein interessantes, kurzweiliges Buch geworden, auch wenn einfach nicht jede Story ein Volltreffer ist. Allen, die gerne auch mal etwas Kürzeres lesen und es dabei ein klein wenig weihnachtlich haben wollen, sei das Buch ausdrücklich empfohlen. Auch all denen, die mal einen ersten Einblick in den Stil der einzelnen Autoren bekommen wollen, sei die Anthologie ans Herz gelegt.
Mit Werken wie diesem fällt es doch gleich ganz leicht, sich auf Weihnachten einzustimmen... (Jochen Adam)