Isau, Ralf - Die zerbrochene Welt
Von Ralf Isau
Es ist schon bitter. Da macht sich ein Autor die Mühe, einen ungemein denkwürdigen, ungewöhnlichen Schauplatz für seinen Roman zu kreieren. Eine Welt, die nicht nur von ihrem Aufbau her den Leser wieder und wieder in Erstaunen versetzt, sondern die darüber hinaus noch reich ist an phantastischen Kreaturen, faszinierenden, vielseitigen Kulturen und abwechslungsreichen Landschaften. Eine Welt, geradezu geschaffen dafür, die Augen des geneigten Fantasyfans zum Leuchten zu bringen und ihm eine freudige Überraschung nach der nächsten zu bescheren.
Es hätte so schön sein können wären da nicht die unsägliche Handlung, die nicht minder unsäglichen Charaktere und die geradezu absurd naive Zeichnung von Gut und Böse.
Die Geschichte als solche ist oberflächlich und simpel strukturiert. Isau hetzt seine Protagonisten von einem Ereignis zum nächsten, wodurch den im Grunde dramatischen Geschehnissen jegliche Tiefe genommen wird. Die verschiedenen Stationen der Geschichte werden mit einem solchen Tempo durchlaufen, dass sie vorbei sind, noch ehe der Leser sich geistig und emotional auf die jeweilige Gegebenheit einstellen kann. Dass die verschiedenen Abenteuer in ihrem Ablauf durch und durch vorhersehbar sind, sorgt dafür, dass im Laufe der Geschichte so gut wie keine Spannung aufkommt.
Enttäuschend ist darüber hinaus die Charakterzeichnung. Die Helden und Schurken aus »Die zerbrochene Welt« sind plump, klischeehaft beschrieben und besitzen ungefähr so viel Charisma wie Kieselsteine. In der Folge ist einem das Schicksal der Figuren reichlich egal; die diversen Todesfälle unter den Helden bewegen einen nicht im Mindesten.
Den absoluten Tiefpunkt in meinen Augen stellt jedoch die Holzhammer-mäßig vorgetragene Schwarz-Weiß-Beschreibung von Gut und Böse dar. Selten habe ich einen Roman gelesen, in dem so wenige Abstufungen zwischen diesen beiden Polen vorkamen. Und noch seltener ist mir eine Geschichte untergekommen, in der das Schwarz-Weiß-Konzept derart aufdringlich betont wurde: Die Helden sind durch und durch gut, die Schurken durch und durch böse, dazwischen gibt es nichts.
Um zum Punkt zu kommen: »Die zerbrochene Welt« ist ein enttäuschender Fantasyroman, der außer einem interessanten Setting nichts zu bieten hat, was die Lektüre empfehlenswert machen würde. Von den auf der Coverrückseite angekündigten Attributen Magie, Abenteuer und Spannung ist ziemlich wenig zu spüren.
So exzellent Isaus Romane sonst für gewöhnlich sind mit »Die zerbrochene Welt« hat er sich einen ziemlich unschönen Ausrutscher erlaubt. Beim nächsten Roman findet er hoffentlich zu alter Stärke zurück.
Daten zum Buch
: 978-3-492-70191-4
: Frühjahr 2011