Carver, Jeffrey A.: Im Hyperraum
Im Hyperraum
von Jeffrey A. Carver
Originaltitel: Panglor / Dragons in the Stars
Heyne SF
erschienen: 2005 (deutsch), 1992 und 1996 (Originale)
732 Seiten; Paperback; 14,00 Euro
ISBN: 3-453-52008-4
Heyne Verlag
In diesem Band sind die beiden Romane Panglor und Drachen zwischen den Sternen zusammengefasst, von denen der deutsche Titel eher nur auf den zweiten zutrifft.
Panglor:. Fernste Zukunft: Die Menschheit hat sich ins All ausgebreitet und einen grossen Sektor von etwa 50 bis 70 Lichtjahren Durchmesser besiedelt. Panglor Balef ist ein sehr befähigter Raumpilot, doch durch die (einsamen) Zeiten auf den Sternenreisen psychisch angeschlagen bis hart an die Grenze zum Wahnsinn. Als er einen Fehler begeht und auch beruflich keine Perspektive mehr erhält, fällt er in die Hände eines gewissenlosen Gangsters, der ihn dazu erpresst, den Frachter einer Konkurrenzfirma zu sabotieren.
Auf den vier Tagen des interplanetaren Fluges bis zum Eintauchen
in den Hyperraum schafft er es zwar, mit Hilfe einer jungen Frau, die sich als
blinder Passagier eingeschlichen hat, diverse auf dem eigenen Schiff (als
Vorsichtsmassnahme) zurückgelassenen Bomben zu entschärfen und den
Sabotageplan abzuwenden, doch geraten sein Schiff und der Frachter in eine
gemeinsame Hyperraumblase und auf einen nichtsteuerbaren Kurs, der sie
schließlich auf einem höchst ungewöhnlichen Planeten stranden lässt, auf dem
die Naturgesetze keine Gültigkeit haben. Ein Entkommen erscheint nicht
möglich.....
Hier erzählt Jeffrey Carver eine konventionelle
Raumfahrergeschichte, bestehend aus mehreren Teilen: die Liebesgeschichte
zwischen einem psychisch instabilen Raumpiloten und einem naseweis-aufsässigen
Mädchen ist eher, zwecks Schluss-Happyend, aufgesetzt und leicht
unmotiviert. Die Kriminalhandlung ist spannend, packend und gut durchdacht, vor
allem handeln die beteiligten Personen (aus ihren Warten) logisch. Die
naturwissenschaftliche (Science) Seite fällt dagegen etwas ab, zumal
gegenüber Carvers wenigen anderen Romanen, die bislang auf deutsch erschienen
sind (etwa Tachyon). Der Überlichtflug wird durch das sog. Foreshortening
bestimmt, ein Begriff, den der Übersetzer wohlweislich im Original belässt
(perspektivische Vorausverschiebung klingt halt nicht so griffig); trifft man
den schmalen Eintauchpunkt in den Hyperraum nicht korrekt, kann man im
Hyperraum verbleiben oder an anderer ungeplanter Stelle im interstellaren Raum
wiederauftauchen, ohne dann eine Chance auf Rückkehr zu haben. Der Sabotageplan
baut darauf auf, kurz vor dem gemeinsamen Eintauchen eine winzige Abweichung
vom Plan zu vollziehen und dadurch das andere Schiff abzulenken. Mit Wohlwollen
registriert man den Verzicht des Übersetzers auf den unschönen
Begriff des Wurmlochs.
Bis zu dem Punkt, wo die Schiffe dann auf dem Planeten notlanden
müssen, kann man die Handlung noch rational nachvollziehen. Danach wird es, im
wahrsten Sinne des Wortes, irrational, insofern der Planet eine Ansammlung von
Diskontinuitäten darstellt und diese, auch noch, auf die psychische Verfassung
der Intelligenzwesen reagieren. Dadurch hat Panglor (siehe oben) zwar gewisse
Vorteile, aber wenn ohnehin alles nicht vorausberechenbar ist, kann alles
geschehen (und tut es auch), so dass die Handlungen der Hauptpersonen, sich zu
befreien, letztlich egal sind.
Drachen zwischen den Sternen: dieselbe Zukunft, dasselbe
Menschheitsgebiet, nur etliche Jahre später. Das Reisen per Foreshortening ist
abgelöst worden durch das schnellere, sichere Dahingleiten in den Strömungen
(im Flux) des Hyperraums; Raumpiloten wie Panglor werden nicht mehr benötigt,
dafür die sog. Rigger, junge Menschen bis maximal 30 Jahre, die aufgrund
Ausbildung und Fähigkeit (einer Art Mutation) in der Lage sind, die Strömungen
wahrzunehmen und das Raumschiff darauf gleiten zu lassen, angeschlossen an ein
elektronisches Steuersystem. Es erlaubt ihnen auch, die Umgebung des Hyperraums
(der in Foreshortening-Zeiten noch grau war) und das reisende Raumschiff in
eigene Wahrnehmungswelten zu verwandeln, etwa als Segelflugzeug in den Weiten
des Himmels, als Boot auf einem dahinströmenden Fluss oder Schiff auf
farbenprächtigem Meer. Das Riggen kann jedoch süchtig machen und eine gewisse
Selbstkontrolle ist nötig, um nicht mitsamt dem Schiff in gefährliche
Abschnitte zu geraten. Und dann gibt es noch die unter den Riggern erzählten
(von der Wissenschaft als Halluzinationen abgetane) Legenden vom
Hyperraum-Gebirge und den Drachen, die dort leben und ein abgewichenes Schiff
angreifen....
Jael LeBrae ist Rigger, findet jedoch aufgrund eines Überangebotes
an Befähigten auf ihrem Planeten
keine Anstellung und muss sich schließlich auf einen Singleflug
mit einem nichtlizenzierten Eigner einlassen. Das geht prompt schief, entpuppt
sich dieser doch als anderweitig gesuchter Verbrecher, Schmuggler und
drogenabhängiger Psychopath, der Jael mit einem mechanischen Stimulator süchtig
macht und zu schlechter letzt auch noch drastische (sexuelle) Gunstbezeugungen
erzwingen will. Dermaßen abgelenkt, verirrt sich das Schiff ins gefürchtete
Gebirge und erlangt Jael Kontakt zu den dort lebenden Drachen, vorzugsweise
einem Highwing Genannten, der seinerseits nicht dem üblichen Ablauf frönt
(Rigger und ihre Schiffe zu attackieren); ist er doch überzeugt, dass Jael
diejenige ist, die aufgrund einer Prophezeiung die Zivilisation der Drachen
zwischen den Sternen vor dem Untergang retten kann....
Auch in diesem Roman gibt es zwei verschiedene Handlungsebenen.
Die naturwissenschaftliche Seite ist zwar nicht unbedingt neu, was die Idee
des Flux-Reisens betrifft, handelt es sich doch sozusagen um angewandten
CyberSpace, die Ausführung aber ist sehr gut gelungen, phantasievoll im
wahrsten Sinne des Wortes, farbenprächtig und faszinierend, bei der Darstellung
der unbegrenzten Vielfalt an Vorstellungen von Hyperraumlandschaften gelingen
fast schon poetisch-schöne Beschreibungen. Eingepackt ist es in eine ebenso
spannende wie logische Handlung.
Die zweite Ebene handelt von Drachen. Damit verbindet man zwangsläufig
die Vorstellung von kalten, aggressiven, mächtigen, aber auch weisen Wesen
einer Fantasywelt; genauso werden sie auch hier beschrieben. Die Darstellung
gereichte jedem Fantasyroman zur Ehre, mit Prophezeiungen, Heldentaten und
tragisch-epischem Ende.
Aber leider, so schön beide Handlungsabläufe auch für sich allein
sind, findet man auch hier ein Haar im Hyperraum. Es passt nicht zusammen. Man
hatte sich schon darauf eingestellt, die Fantasyhandlung um Drachenmagie als
weitere Ausgeburt von CyberSpace-Wahrnehmung zu akzeptieren; was auch durchaus
passen würde; doch dann gibt es eine Szene, in der Highwing in den
Limbo/die Drachenhölle oder wie man es nennen mag, verstoßen wird, Jael ihn mit
dem Raumschiff rettet, doch auch der auf einem Asteroiden im Normalraum
Gestrandete ist immer noch ein Drache! Und eine solche Vorstellung von im
Hyperraum realexistierenden Drachenwesen ist, bei aller Phantasie, doch durch
nichts gedeckt, was bisher bekannte Naturgesetze aussagen mögen.
Dennoch ist der Gesamtband, vor allem wegen des zweiten Romans,
jederzeit als beste, spannende, faszinierende Lektüre empfehlenswert.