Der »Neue« im Westen - Kelters »Cassidy«
Der »Neue« im Westen
Kelters »Cassidy«
Das ist ein mutiger Schritt Kelters. Ob er sich auszahlen wird? Die Zukunft wird es weisen ...
Zwei Bände sind mittlerweile erschienen. Bei Erfolg soll der Erscheinungsrhythmus verkürzt werden. Das Konzept dahinter ist, dass der klassische Western mit erotischen Elementen versetzt werden soll. Da hört man schon die Rufe "Das gibts doch schon!" Da ist doch der »Lassiter«, der schon seit den Siebzigern hinter Kakteen noch schnell ein Nümmerchen schiebt, auch wenn die Staubwolke der Angreifer (wahlweise Indianer, Outlaws, Desperados oder die Rindertreiber eines fiesen Ranchers) schon zu erkennen ist. Nun schlägt Kelter mit »Cassidy« in dieselbe Kerbe oder zumindest in eine ähnliche.
›Adult Western‹ haben es beim klassischen Westernkonsumenten schwer. Das seien keine echten Western, heißt es gern. Vielleicht ist das die Lücke neben »Lassiter«. Echter Western mit erotischen Momenten... Die Zukunft wird zeigen, ob »Cassidy« diesem Anspruch gerecht werden kann. Bisher war es immer Sitte bei Kelter, dass ein Mann = ein Pseudonym ist. Dem einen Pseudonym ist man in Hamburg treu geblieben, aber jetzt gibt es die erste Parallele zu Lassiter. Mehrere Autoren sammeln sich hinter einem Pseudonym.
Daniela Mausolf, Redakteurin der Serie, umriss die Serie im Interview mit dem Zauberspiegel so:
(...)Als Kind durfte ich zwar keine Krimis, aber alle Western im Fernsehen sehen. Zusammen mit meinem Vater war das immer ein Erlebnis. Er liebte Western ebenso wie unser Verleger Gerhard Melchert, mit dem ich vorweg viel über diese Reihe diskutiert habe. Auch Mario Melchert hat an dem Gerüst kreativ mitgearbeitet. So stammt z.B. auch die Idee des historischen Rahmens und die Landkarte auf der Innenseite des Umschlags von ihm.
Der Martin Kelter Verlag hatte in den letzten Jahren keine erotische Westernreihe. Im Gegenteil, die Bluse blieb zu, und was hinter geschlossenen Türen passierte, das sollte sich jeder Leser selbst denken. Nun ist damit Schluss, wir wollen keinen Bereich ausklammern, der zum Leben einfach dazu gehört. Nur - und das ist uns ganz wichtig - wir wollen es niveauvoll machen. Wir sind der Meinung, dass unseren Autoren das auch hervorragend gelungen ist. Sie haben den Mix zwischen prickelnder Erotik und einer spannenden, authentischen Westernstory gekonnt hinbekommen. Wobei das Wichtigste immer eine spannende Geschichte ist! Die Erotik ist eine passende Ergänzung, ein aufregender Zusatz, sie darf aber nicht die Geschichte zerstören. Ich hoffe, dass die Leser genauso denken werden, und bin auf die Reaktionen gespannt. Natürlich freuen wir uns über Leserkommentare und Kritik.
Um es gleich zu sagen: Das war kein Meisterstück, Barkawitz, möchte man mit Schiller dem Autor zurufen. Der einzige Bonus: Der erste Roman einer Serie ist nie ganz leicht, obgleich das Setting und die Hauptfigur im Vergleich zu komplexeren Serien recht einfach einzuführen. Der Titelheld ist ein ›Drifter‹, eben einer, der ohne festes Zuhause durch den Westen reitet und mal hier Kühe treibt, mal dort mit der schnellen Hand Städte säubert oder weiß der Deibel was so einer noch so treibt.
Was Martin Barkawitz hier vorlegt, ist aber in mancherlei Hinsicht ein echtes Ärgernis.
Beginnen wir gleich mal damit, dass dem Helden, der irgendwann eine Antwort auf die Frage sucht, wieso der mächtige Rancher das wüstenartige Grundstück der Witwe seines Freundes will, ein Indianer geradezu Unfassbares eröffnet. Der weiße Mann, so der Indianer, habe vergessen, dass hier Silber unter der Erde läge. Zahlreiche Edelmetallräusche sagen mir aber eines: Wenn der weiße Mann eines nie vergisst, dann sind das die Orte, wo es Gold und Silber gibt. Nein, mein Herr: Das vergisst der weiße Mann wirklich nicht.
Überhaupt: Da sind drei oder vier Plots im Heft versammelt, von denen keiner wirklich befriedigend ausgespielt wird. Das ist schade, aber manchmal hat man das Gefühl, als Leser einer Nummernrevue beizuwohnen. Es erscheinen: Der Feigling von einem Rancherssohn, der große, mächtige Rancher, der über einen Landstrich herrscht, die Indianer vom Dienst, Cowboys - und als auf der letzten Seite die Kavallerie erscheint, halte ich das fast schon für Ironie.
Und wenn der Held wie ein Wikipediaautor klingt, ist man drauf und dran das Heft in die Ecke zu feuern. Ich fasse mal zusammen: Cassidy ist im Saloon und unterhält sich mit dem Barkeeper. Cassidy war zwei Jahre zuvor mit einem Freund (dem verstorbenen Mann, dessen Witwe er schützt) in Tombstone.
Werfen wir aber zunächst mal einen Blick auf die Romane. Der im Western nicht unerfahrene Martin Barkawitz (»Lassiter« und »Jack Slade«) ist der erste Nolan F. Ross und die Premierennummer der Serie »Cassidy« erschien unter dem Titel »Das Erbe von Silverpeak«.
"Tombstone?" wiederholte der Barkeeper. "Man erzählt sich, dort hätte es im Herbst vergangenen Jahres eine gewaltige Ballerei gegeben?"
Cassidy nickte.
"Sie meinen die Schießerei am OK Corral am 26. Oktober 1881. Ich war nicht dabei, aber die Namen Wyatt Earp und Doc Holliday kennt jedes Kind (...)"
Ich hätte geschrieben: 'Jou, da habens die Earps mit den Clantons letzten Herbst ausgetragen' oder so ähnlich. Das ist 'ne Kneipenplauderei und kein Referat in der Schule oder eben ein Eintrag in die Wikipedia. Grauslich ...
Und Erotik liegt ja bekanntlich im Auge des Betrachters, aber manchmal kamen mir die Tränen vor Lachen.
"Sie knöpfte seine Hose auf und augenblicklich sprang ihr sein Prachtexemplar entgegen"
oder
"Doch dann glitt er so problemlos in sie wie heißes Messer in Butter"
Aber auch nach dem Sex wirds unfreiwillig komisch:
Aber da er nackt nicht gern rauchte, zog er sich zumindest Unterzeug, Hose und Hemd wieder an.
Oder aber ... im Grunde wird der falsche Körperteil heiß ...
Der Gedanke an die dralle Haushälterin ließ seine Hüften glühen.
Der Höhepunkt ist freilich diese Szene: Als der Vormann am Abend auf die Ranch kommt und Lust auf die mexikanische Haushälterin (und Gespielin des Ranchers) bekommt, hört er aus der Waschküche ein Stöhnen. Als er die Tür öffnet, wird da nicht etwa der Akt vollzogen, sondern nur Wäsche auf dem Waschbrett gewaschen ... Kurze Zeit später springt's auch bei ihm aus der Hose.
Ich kann mich noch erinnern, dass meine Mutter ebenfalls noch mit dem Waschbrett wusch. Aber da gab es kein Gestöhne, als hätte sie wilden ekstatischen Sex.
Nun ja, kurzum: Dieser Roman ist ein kapitaler Fehlstart. Ich hoffe, Martin Barkawitz steigert sich in den weiteren Romanen, die er zur Serie beiträgt ...
Wenn ich jemanden empfehlen sollte, ob er »Cassidy« lesen soll oder nicht, würde ich sagen, man solle sich die Nummer 1 kaufen. Den als Sammlerstück und der Vollständigkeit halber ins Regal legen und die Nummer 2 lesen, denn Rolf Steimke legt als zweiter Nolan F. Ross mit »Bleigewitter« einen deutlich besseren Western mit (zumindest mich) mehr ansprechender Erotik vor.
Zauberspiegel-Leser »Helmut A« schrieb in einem Kommentar zum Interview mit Daniela Mausolf folgendes:
Nachdem ich jahrelang keine Western mehr gelesen habe, war ich auf Cassidy neugierig und mir Nr. 2 gekauft. Nun habe ich ihn gelesen. Der realistische Western, nicht im Historischen Sinn sondern für die heutige Generation geschrieben. Auffallend das klare Schriftbild und die vielen Kraftausdrücke wie:“ verdammtes Schwein, kreischte, scheißegal, Scheißdreck usw.“. ,1/3 des Romans handelt nicht von Cassidy. Das Konzept finde ich einfach:
Man nimmt die DJANGO Western für brutale Kämpfe und Schießereien. Diese werden im Zeitlupentempo geschildert. „Kopfüber kippte der Bursche nach vorn und polterte sich mehrmals überschlagend die Stufen hinunter. Bäuchlings schlug er auf den Stufen auf …. Ein kurzes Zucken. Dann war es mit ihm vorbei“. Seite 62) „ Viermal rasten Flammenzungen in Richtung der vier Männer und schickten sie in die Hölle….mit der tödlichen Präzision einer gnadenlosen schnellen Hand.“ ( Seite 6) Weiterhin wird öfters geschildert wie die Kugel in die Stirn einschlägt. Tötungen werden realistisch geschildert. ( Seite 11/22.“ Mit weit aufgerissenem Mund und einem kleinen Loch , mitten in der Stirn", Seite 54.
Interessant war das der Autor anscheinend sehr von „ Spiel mir das Lied vom Tod“ angetan war.
Aus Harmonica wurde CASSIDY, Frank wurde SWAN, Monroe wurde CHEYENNE, Morton wurde HANSHOVE, Jill wurde DIANA. Aus El Dorado/Rio Bravo wurde Marshal BURDETTE entnommen.
Fußnoten: na ja, diese waren früher bei Unger interessanter. Spannung wollte bei mir nicht aufkommen. Im großen Ganzen: Wer sehr harte Western liebt, liegt hier richtig.
Steimke ist zwar recht neu als Westernautor (er schreibt auch R.S. Stone), aber er ist ein Westernkenner und -freund. Das merkt man jeder Zeile seines Textes an. Das ist gut geschriebener Western. Richtig gut runterzulesen und sehr, sehr unterhaltsam. So könnte »Cassidy« sein und würde sich damit auch wohltuend von »Lassiter« absetzen, der ja bislang der einzige Bezirksbefruchter des Westens war.
Mehr möchte ich zu diesem Roman noch nicht sagen, denn er ist aktuell im Handel. Nur zwei Dinge noch: Mit Cassidy befreundet zu sein, heißt bald eine Witwe zu hinterlassen, denn auch in Steimkes Roman kommt Cassidy nicht mehr zu seinem alten Freund, sondern trifft nur noch seine Witwe an.
Und dazu dann noch die Frage, wie den Titelhelden seine Post erreicht, wenn er ruhelos durch den Westen zieht? Er hat zwar einen Brief von besagten Freund, aber wie er den Brief gekriegt hat, bleibt zumindest mir ein Rätsel...
In knapp vier Wochen erwartet uns dann der dritte Roman der Serie. Da wird sich Friedrich »Fritz« Tenkrat hinter Nolan F. Ross verbergen. »Die rote Hexe von Lake Devil« ist dann nicht etwa ein Tony Ballard-Roman, sondern einer um Cassidy.
Ich erwarte da ein lockeres, hartes und actionreiches Abenteuer, in dem es richtig rund geht, das sich aber wieder in Setting und Tonfall von den bisherigen beiden Romanen der Serie absetzt.
Mal sehen, wie es weiter geht ... Wir lesen uns da wieder ...
Kommentare
Ich hoffe dieser 'Freundeeinstieg' entwickelt sich nicht zum Running Gag.
Deine Einschätzung zum ersten Band teile ich voll und ganz. Lange habe ich nicht mehr so ein schlechtes Heft gelesen.
Der zweite Band war deutlich besser. Es war schön, mal wieder etwas von R.S.Stone zu lesen. Ich kannte bisher nur seinen Rio Concho Ausflug. Dank ihm werde ich erst mal weiter 'Cassidy' lesen.
Trotzdem halte ich die historischen Innenseiten der Hefte für übertrieben. Da sie doch nur sehr wenig mit dem Inhalt zu tun haben.
Deutlich lieber wäre mir anstelle dieser Übersichtskarte, eine jeweilige Detailkarte zu der Region in der das Heft eben spielt. Das wäre mit Sicherheit hilfreicher.
Meinen Dank auch an Helmut A. Jetzt weiß ich wenigstens, warum mir die Grundkonstellation des zweiten Heftes so bekannt vor kam.
Besprichst Du die anderen Bände dann auch Horst?
Jein Als Marktkategorie war der Begriff auf die Erotik fixiert. (War, da man die ja in Amerika gerade in den Rücken geschossen und auf den Boothill gebracht hat.) In einem durchschnittlichen Adultwestern hatte man seine drei Sex-Szenen. Es kam natürlich sehr auf den Autor an, wie das gestaltet wurde. Manche haben sich sichtlich einen abgebrochen, die Augen zugemacht und ihre Pflicht getan, anderen hat es sichtlich Spaß gemacht, so etwas zu schreiben.
Aber natürlich waren die Amerikanischen wesentlich gewalttätiger als der weichgespülte Lassiter oder eben Cassidy. Das war jetzt kein besonderer Splatter, und hatte auch nicht das Italo-Feeling, aber bei denen, die so was gut konnten, gingen Actionszenen auch schon mal über 3 Seiten und die Beschreibungen waren wesentlich expliziter.
Horror gab es bei den Serien nie. Gelegentlich gab es mal ein Horrorthema, ein Schlitzer in San Francisco oder mal der Marshall gegen einen Satanskult (war sogar ein richtig guter Longarm) , aber das sind Ausnahmen. wenn man so was sucht, muss man schon Lansdale lesen
Bei Cassidy stimme ich Horst zu. Ich habs zwar nur auf dem Kindle gelesen, wo die ganzen Innenseiten übrigens wegfielen, aber von dem grausigen Cover bis zu dem schlichtesten aller Heldenkonzepten war das nichts.
Das ist mir eindeutig zu viel, zumal bei Softcore-Sex sowieso kein echtes Ständer-Feeling aufkommt (mag aber auch an meinem Alter liegen).
Wahrscheinlich kann aber der Autor, der sich in meinen Augen redlich Mühe gegeben hat, gar nichts dafür. Daher wäre es interessant, zu wissen, wie die Vorgaben für einen Cassidy-Roman sind. O-Ton Frau Mausolf: "Manche (Autoren) gaben gleich zu, dass sie sich das nicht zutrauten."
Mein Fazit: Ich pack den ersten Roman noch. Und auch vor dem zweiten zieh ich den Schw..., sorry, mein "Prachtexemplar" nicht ein ...