Zu scharf. Zu salzig. Zu süß. Zu fad. - Eine Sache der Gewürze ... - The Entertainment It's a-Changin' zum Dritten
Zu scharf. Zu salzig. Zu süß. Zu fad.
Eine Sache der Gewürze ...
The Entertainment It's a-Changin' zum Dritten
Das machen nun gerade die »Puppies« (egal ob »sad« oder »rabid«) in den USA. Eines der Ziel ihrer Attacke auf den HUGO (den Science Fiction Preis) ist eine Art von Science Fiction wieder populär (bzw. gar zu Regel) zu machen wie es sie vor dreißig bis vierzig und mehr Jahren gab. Das sind Nasen, die möchten immer noch von Mutti bekocht werden bzw. das lesen was sie gelesen haben, als sie noch Pubertätspickel hatten und ihren eigen Körper entdeckt haben. Denen schmeckt nicht, was ihnen von einer heutigen Autorengeneration vorgesetzt wird. Das ist nicht das was sie mögen.
Nun gut, jedem sei das unbenommen mehr von dem zu wollen was ihnen die Mutti zum Essen oder eine inzwischen fast schon ausgestorbene Autorengeration zum Lesen vorsetzte (ich selbst genieße immer noch so manch Space Opera der 30er bis 70er Jahre und kann die immer noch mit Vergnügen lesen), aber daraus ableiten zu wollen, diese SF müsse die dominierende sein, ist doch (zumindest) ein wenig vermessen, wenn nicht sogar größenwahnsinnig. Da schwingen sich - letztlich - einige wenige Typen zum Geschmacksrichter und -kompass auf.
Ich will mal nach Deutschland wechseln. Was würde das bedeuten? »Perry Rhodan« würde (wie es sich ja tatsächlich manche wünschen) noch so geschrieben wie in den sechziger oder siebziger Jahren. Bitte nicht. Der Stil der Autoren an sich war ja spannend und durchaus mitreißend, aber diese Wirtschaftswunderrhetorik ist doch heute eher unerträglich bis unfreiwillig komisch. Ja, und jetzt kommt es wieder, das Beispiel von in Ehrfurcht erstarrender Außerirdischer im Angesicht terranischer Tatkraft. Das kann ich doch heute niemand mehr zumuten.
Diese Rhetorik ist doch heute kaum noch einem vernünftig denkenden Leser zu vermitteln, der in dieser Zeit des ungebrochenen Optimismus noch nicht gelebt hat, der den Zeitgeist nicht kennt. Damals war Deutschland (der westliche Teil) noch das Erhard'sche Wirtschaftswunderland, das aus den Ruinen des ›Dritten Reichs‹ zu neuer Größe auferstanden war. Dieses Lebensgefühl brach in den Siebzigern nach und nach zusammen. Die Achtziger und Neunziger brachten weitere Veränderungen und der Zeitgeist und die Unterhaltung wandelten sich.
Es ist also nur natürlich, dass die Zutaten und Gewürze der ewig gleichen Geschichten sich ändern. Etwas, dass zum Beispiel dem Heftroman (bis auf »Perry Rhodan«) und seinen Machern gründlich mißlungen ist (wie ich bereits mehrfach darlegte). Also: Der Zeitgeist gibt den Ton der Unterhaltung vor. Blickt man zum Beispiel einmal auf das sogenannte »Star Trek«-Franchise braucht man nur zwei der TV-Serien heranziehen. Zum einen »The Neft Generation« und zum anderen »Deep Space Nine«. Erster entstammt den Achtziger Jahren. Dort wurde noch der Eindruck vermittelt, man könne Konflikte lösen. Der klingonische Bürgerkrieg war schnell erledigt. Andere Konflikte wurden ohne großen Waffeneinsatz in 45 Minuten beigelegt. Ende mit Friede, Freude, Eierkuchen. Das waren die Achtziger Jahre. In den Neunzigern. Nun ja. »Deep Space Nine« (und auch und erst recht die Konkurrenz von »Babylon 5«) sammelten da ganz andere Erfahrungen. Quälende Konflikte konnten nicht so schnell und ohne hohen Blutzoll gelöst werden. Dahinter stand ein ganz anderer Zeitgeist.
Und so ist es dann auch, wenn sich diese »Puppies« aufschwingen wollen und glorreiche Zeiten wieder herausbeschwören möchten. Damals flogen noch kanllharte Kerle durchs All. Aber spätestens mit Ripley in »Alien« begann sich das zu ändern. Nee, sie können gerne diese Art von SF schreiben und verlegen oder verlegen lassen. Aber bitte keine Geschmacksdiktatur.
So, in zehn Tagen kommen wir dann zum Thema Sprache und Unterhaltung ...
Die vier Teile von The Entertainment it's A'Changin
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Kommentare
"Was wir schreiben, ist eigentlich egal. Es ist nur wichtig, das wir es s p a n n e n d schreiben..."
Aus heutiger Sicht befremdlich mutet bei Perry Rhodan auch das damals blinde Vertrauen in Computer an. Wenn alle Informationen an NATHAN weitergegeben wurden und der dann die ultimative Anwort ausspuckte.
Stimmt die Reihenfolge? Sind zuerst der Optimismus und der Glaube, dass Technik jedes Problem lösen kann, aus der Welt verschwunden und hat dann die SF alles in dystopischem Grauschwarz gemalt oder lief es eher umgekehrt - hat die Lust am Untergang dazu geführt, dass Optimismus in der SF heute mit der Lupe gesucht und nach der Entdeckung gegen den Vorwurf der Naivität verteidigt werden muss?
ich denke, man muss da schon unterscheiden zwischen Technik- bzw. Fortschrittsgläubigkeit und Optimismus.
War z.B. die frühe Perry Rhodanserie nicht ziemlich pessimistisch? Die Menschheitsgeschichte wurde doch als endlose Abfolge von Kriegen und Bürgerkriegen beschrieben.
Stichwort Dystopie
ich glaube Ullstein hat 1984 eine Reihe mit 12 Titeln auf den Markt gebracht, die alle als Dystopien bezeichnet wurden. Waren relativ unbekannte Titel aus den letzten 30 Jahren. War also damals recht schwierig solche Romane zu bekommen.
Zitat: Finde ich eher das Gegenteil trifft zu Optimistischer ging es doch gar nicht. Eine geeinte Welt - während die Realität düster aussah - , Frieden und Wohlstand durch Technik, der Aufbruch zu neuen Grenzen. Die "Barbarei", die so gern zitiert wurde, lag immer nur in der Vergangenheit.
Mal sehen. In den Kinos wurde die Zukunft spätestens mit "Outland" düster, wo Sheriff Sean Connery den Handel eines Minenleiters mit Aufputschmitteln aufdeckte - noch bevor im Herbst 1982 der "Blade Runner" in die Kinos kam. William Gibsons "Neuromancer" erschien 1984 (auch wenn die Übersetzung ins Deutsche noch ein paar Jahre auf sich warten ließ), und der Cyberpunk kam ins Rollen.
Am 28. Januar 1986 explodierte das Space Shuttle Challenger beim Start, und drei Monate später ging der Reaktor in Tschernobyl hoch. Und allerspätestens ab da war Technik böse und aus der Zukunft gestrichen. Genau wie der optimistische Blick in die Zukunft.
Du wirfst gute Fragen auf. Und das ist eigentlich ein Thema für ein Symposium. Also mal ganz breit verallgemeinert und einem Augenzwinkern. Natürlich hat der Erfolg oder Misserfolg der SF nichts mit erfolgreichen Prophezeiungen zu tun. Klar war die Idee mit den Spielsüchtigen prophetisch, obwohl sich die Gamergemeinde vermutlich bei dir für die Bezeichnung "dekadent" bedanken würde Aber die Visionen von einer besseren, geeinten Welt im selben Roman sind genau das geblieben. Sehnsüchte.
Als Literatur wollte die SF in den 70ern aus ihrem "Wildwest im All" raus, was ja auch eine Weile gelang. Dann kam die "soziale SF", die politische Themen verarbeitete und Dinge kritisch hinterfragte, von Brunner bis Haldeman. Ob es da nun um Überbevölkerung ging, Umweltverschmutzung oder um den Big Brother. Das hat nicht nur die Leser interessiert, die eine bunte Abenteuergeschichte mit fiesen Aliens lesen wollten.
Und dann bügelte die Zeit drüber. Du hast Greenpeace und die Grünen, trotz Proteste in einigen Ecken finden viele dank der Extremistenflut Big Brother richtig gut. Computer, ein Lieblingsthema der SF, sind keine Fiction mehr oder exotisch, sondern ein Geldfresser im Haushalt, wenn dein Kind aber bitteschön auch das neueste Smartphone will und Fernsehen aus dem Internet kommt. (Bis ein Bagger versehentlich das Kabel kappt .)
SF ist Alltag geworden. Auch wenn wir nicht unseren Flugwagen haben oder in der Mondstadt leben – mal ehrlich, was immer nur eine Spinnerei war -, ist es völlig banal, mit deinen Eltern zu skypen, die gerade Urlaub auf den Malediven machen oder was weiß ich. Wenn man noch zu den Lesern gehört, dann liest du so etwas bestenfalls in einem Mainstream-Roman, weil es eine Alltagsbeschreibung ist. In jedem zweiten Krimi flimmert mehr SF über den Bildschirm als in den meisten alten Reihenromanen drin war. (Ich übertreibe, aber du weißt vermutlich, was ich meine.)
Und wenn du dir die Neuerscheinungen gerade auf dem Gebiet der SF ansiehst, die nun wirklich sehr geschrumpft sind, ist das je nach Verlag überwiegend Abenteuer und Space Opera. Daher ja, SF, die sich vielleicht kritisch mit etwas auseinandersetzt, will im Grunde keiner mehr lesen. Das hat der Markt geregelt. Und es ist ja auch nicht so, dass wir im Moment Autoren hätten, die etwas thematisch Neues schaffen. Da ist seit Gibson nicht mehr viel gekommen, den man letztlich für aktuelle Rohrkrepierer wie CSI:Cyber verantwortlich machen kann Denn er hat den Cyberspace über alle Genregrenzen populär gemacht.
Zitat: Ja, heute liest "man" Fantasy, SF ist out.