Peinkofer, Michael: Der Schatten von Thot

Peinkofer, Michael: Der Schatten von ThotDer Schatten von Thot
von Michael Peinkofer

London im Jahr 1883. Angst und Schrecken herrschen in den Armenvierteln der britischen Hauptstadt. Ein unberechenbarer Mörder geht um. Seine Opfer: junge Frauen, allesamt Prostituierte, denen mit chirurgischer Präzision Organe entfernt werden. Niemand weiß, welches Ziel der Killer verfolgt – oder wann er wieder zuschlagen wird.Doch nicht nur die Armen und Geächteten leiden unter den Folgen der schrecklichen Mordserie.

Das Königshaus sieht sich mit einem Aufstand der unteren Schichten konfrontiert, scheint es doch ganz so, als wäre ein Mitglied der königlichen Familie in die blutigen Untaten verstrickt. 

Um die ganze Angelegenheit möglichst rasch und unauffällig aufzuklären, wendet sich das Königshaus nicht nur an Scotland Yard, sondern auch an die junge Ägyptologin Sarah Kincaid. Das mag auf den ersten Blick befremdlich erscheinen, hat aber durchaus seine Bewandtnis: In unmittelbarer Umgebung der Opfer wurde nämlich stets die mit dem Blut der Toten gezeichnete Hieroglyphe des ägyptischen Gottes Thot gefunden.

Recht widerwillig begibt sich Sarah, die eigentlich noch um ihren unlängst verstorbenen Vater trauert, nach London. Was zunächst wie die Tat eines Wahnsinnigen aussieht, entpuppt sich schon bald als Teil eines finsteren Plans, hinter dem eine nicht minder finstere Geheimgesellschaft steckt. Lange Zeit bleibt Sarah verborgen, um was es dieser Loge eigentlich geht. Erst eine Reise nach Ägypten offenbart ihr das ganze Ausmaß der Verschwörung – und deren furchtbares Ziel...

Zunächst einmal: Schon die Inhaltszusammenfassung von Michael Peinkofers Roman »Der Schatten von Thot« lässt erahnen, dass das Buch stellenweise mehr oder weniger klischeehaft daherkommen wird. Die Geschichte, die man schlussendlich zu lesen bekommt, überrascht dann aber dennoch: Es finden nicht einfach nur eine Menge Klischees Anwendung, nein, es kommt einem vielmehr so vor, als bestünde das komplette Werk lediglich aus einer Aneinanderreihung unzähliger klischeehafter Vorstellungen und Geschehnisse.

Ob es um die Darstellung von Personen, das Beschreiben dramatischer Handlungselemente oder vermeintlich schockierende Storywendungen geht, Peinkofer scheint keine Gelegenheit auszulassen, altbekannte Klischees aus der Schublade zu kramen und in die Geschichte einzubauen. Wirklich jede klischeehafte Vorstellung, so hat es den Anschein, wird bedient und dem altbekannten Muster entsprechend umgesetzt. Originelle Einfälle gibt es nur in verschwindend geringer Anzahl. »Der Schatten von Thot« ist von Anfang bis Schluss vorhersehbar und jeder, der auch nur hin und wieder einen Abenteuerroman liest, kann bei eigentlich jeder Szene sagen, was als nächstes geschieht.

Doch genug des Genörgels, denn ob man es glaubt oder nicht, letzten Endes habe ich die Lektüre von »Der Schatten von Thot« aller Klischees zum Trotz genossen. Klingt verwunderlich, ist aber tatsächlich der Fall. Wie kommt's?

Nun, dafür gibt es verschiedene Gründe. Etwa den, dass Peinkofer es in Sachen Geschichtenerzählen „voll drauf hat“, wie es so schön heißt. Der Autor versteht es, seiner Erzählung Leben einzuhauchen. Die Abenteuer Sarah Kincaids sind rasant inszeniert und spielen sich vor einem stimmigen Hintergrund ab. Mühelos versetzt Peinkofer seine Leser in ein düsteres London, und ebenso mühelos nimmt er sie mit auf eine Reise durch die sengenden Weiten der Sahara. Fast bricht einem selbst der Schweiß aus, wenn man Seite an Seite mit den Protagonisten durch die endlose Dünenlandschaft reitet.

Um bei den Protagonisten zu bleiben: Ja, die Charaktere sind durch und durch klischeehaft, insbesondere die Figur der Sarah Kincaid. Das ändert aber nichts daran, dass man sich schnell mit ihnen verbunden fühlt und sie nur allzu gerne auf ihren Abenteuern begleitet.

Was die Story anbelangt, so muss man sich auf eine Menge altbekannter Handlungsbögen und geläufiger Versatzstücke einstellen, die allerdings sprachlich gelungen und erzähltechnisch einwandfrei ausgearbeitet sind. In Windeseile schlägt einen der Roman so unbeachtet aller Mängel in seinen Bann und lässt einen bis zu dem (wie nicht anders zu erwarten leicht vorhersehbaren) Ende nur schwerlich wieder aus seinem Bann.

»Der Schatten von Thot« ist ein Roman, dem es an originellen Ideen mangelt und der viel zu stark auf Altbewährtes setzt. Auch die viel zu simple Zeichnung von Gut und Böse, von Richtig und Falsch sowie das Ende im „Deus ex machina“-Stil wirken sich alles andere als vorteilhaft aus. Dass man das Werk dennoch nicht gleich abschreiben sollte, liegt vor allem an Peinkofers einprägsamen Erzählstil, durch den der Roman trotz all seiner inhaltlichen Mängel zu einem äußerst unterhaltsamen Abenteuer wird.

Das Buch »Der Schatten von Thot« ist der erste Band um die Abenteuer von Sarah Kincaid. Wer auf rasante historische Abenteuer und große Verschwörungen steht und nichts gegen eine kleine Prise mystischer Elemente einzuwenden hat, der wird viel Freude an dem Roman haben – sofern er bereit ist, eine Handlung zu akzeptieren, die wirklich jedes Klischees zu bedienen scheint. Versuchen sollte man dies zweifellos, denn Michael Peinkofer ist ein wirklich erstklassiger Geschichtenerzähler.

Ich werde mir auch den zweiten Roman um Sarah zu Gemüte führen. Dann erwartet mich eine hoffentlich originellere Story – und ein Peinkofer, der seinem Schreibstil treu geblieben ist.
Der Schatten von Thot
von Michael Peinkofer
Bastei Lübbe Taschenbuch
erschienen: 2006 (Original); 2007 (Taschenbuch)
461 Seiten, 8,95 €
ISBN: 978-3-404-15648-1

Verlagsgruppe Lübbe (Bastei Lübbe)

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