Arnold, Klaus (Hg.) - In Liebe und Zorn

Arnold, Klaus (Hg.) - In Liebe und ZornIn Liebe und Zorn: Briefe aus dem Mittelalter
von Klaus Arnold (Hg.)
 
Bücher über das Mittelalter, das Leben, den Alltag von Reichen und Armen, füllen meterlange Regale. Es gibt unzählige Versuche, die Beziehungen zwischen Ehepaaren oder den Umgang zwischen Mönch und Abt darzustellen. Vielfach sind Experten und Laien auf mehr oder weniger intensive Spekulationen angewiesen, und - wie Ballhaus in seinem Buch über Sexualität im Mittelalter schreibt - in einem "Nebel des Halbwissens". Umso mehr berührt es mich, wenn ich diese Buch in der Hand halte, in dem Briefe aus dem Mittelalter in einer breiten Mischung abgedruckt sind.


Unterschiedlichste Briefe decken nicht nur verschiedene Länder ab, sie illustrieren auch geschriebene Dialoge von Menschen verschiedenster sozialer Schichten: das Kurfürstenpaar von Brandenburg ebenso wie ein Liebespaar bestehend aus Nonne und Mönch, italienische städtische Oberschicht ebenso wie eine bankrotte Kaufmannsfamilie aus Lübeck.

Gerade diese Verschiedenheit ist es, die einem einen Eindruck über eine Zeit verschafft, die man sonst eher nur aus der zweiten Hand der Geschichtsbücher oder den Erzählungen der Chronisten kennt. 

Ich war unglaublich beeindruckt von der Lebendigkeit, die mir aus den Briefen entgegen sprang. Klaus Arnold ist es sehr gut gelungen, die Briefe in ein für uns verständliches Deutsch zu übertragen,. Man kann den Inhalten gut folgen und erhält dabei gleichzeitig einen Eindruck von der Art und Weise, wie man sich damals in Briefen ausgetauscht hat.

Sehr kurz, nicht weniger berührend war für mich jener Briefwechsel um Barbara von Brandenburg. Sie war die Tochter des Kurfürsten von Brandenburg, Albrecht Achilles von Brandenburg, einem Hohenzoller. Wie damals nicht unüblich, war Barbara eine "Verschiebemasse" im Sinn der Familienpolitik. Mit acht Jahren war sie mit einem knapp dreißig Jahre älteren polnischen Adeligen verheiratet worden, nur zwei Jahre später war sie bereits Witwe. Der Ehevertrag hatte vorgesehen, dass Barbara nach dem Tod des Ehemanns alles erben sollte - natürlich unter der Bedingung, dass ihre Familie das Erbe verwalten würde. Sie wurde erneut in eine ungewollte Ehe gezwungen - mit einem Mann, der ihr die tatsächliche Ehe, und damit die für eine abhängige Frau notwendige Versorgung, verweigerte und die Ehe negierte. 

Ebenso wie ihre Schwester Amalia schreibt sie an ihren Vater mit der Bitte um Hilfe und Unterstützung durch die Familie. Diese wird beiden verweigert.

Diese Briefe sind nur ein Beispiel für die Intensität, die aus den Geschichten sprechen. 

Sehr gegensätzlich dazu die Briefe einer Nonne Genoveva, die diese an ihren Geliebten schreibt und durch einen Vertrauten überbringen läßt.

Ich hatte mich recht schnell dazu entschlossen, die Briefe nur in kleineren Happen und immer in sich geschlossen zu lesen. Dies wird mit einer der Gründe sein, dass die Briefe so intensiv wirkten. 

Klaus Arnold ist es ausgezeichnet gelungen, die Texte in ein für den modernen Menschen gutes Deutsch zu übertragen, und doch den Charakter der Briefe zu bewahren. In einer Einleitung beschreibt der Redakteur, wie die Auswahl der Briefe getroffen wurde und was er durch sie verdeutlichen wollte:

... Gegenstand unseres Interesses. In dessen Mittelpunkt stehen vielmehr die sogenannten Privatbriefe, das heißt die nicht mit dem Ziel einer späteren Veröffentlichung geschriebenen und zumeist eher zufällig überlieferten Texte. (...) Ziel der vorliegenden Sammlung ist somit nicht, die Produktion eifriger und gelehrter Schreibtischtätigkeit vorzustellen, sondern mittelalterlichen Menschen in ihren menschlichen Empfindungen und bei ihren alltäglichen Tätigkeiten gleichsam über die Schulter zu sehen ... (S. 11/12)

 

Dies gelingt diesem Buch zweifelsohne. Es ist eine echte Entdeckung. 

In Liebe und Zorn: Briefe aus dem Mittelalter
von Klaus Arnold (Hg.)
224 Seiten, 22,90 Euro
Erschienen: März 2003
ISBN-13: 978-3799501132
Thorbecke

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