... Werner J. Egli über Western, ›Subunternehmer‹ und Kopfgeldjäger mit Kind
... Werner J. Egli ...
... über Western, ›Subunternehmer‹ und Kopfgeldjäger mit Kind
Deine Romane gehörten zum Besten, was die deutsche Western-Szene je hervorgebracht hat, lieber Werner. Ein Elend, daß sie nicht alle unter eigenem Pseudonym erschienen sind, sondern noch heute manchmal einem anderen Autor zugeschrieben werden. Als Insider wußte ich Bescheid und habe Deine Texte verschlungen. (...)
Als ich die Serien RONCO und LOBO betreut und gelegentlich auch für FARGO und SUNDANCE gearbeitet habe, habe ich kaum noch andere Western gelesen - zu wenig Zeit. Aber wenn ich einen Roman von Dir, lieber Werner, in die Finger kriegte, habe ich mir die Zeit immer genommen. Die Lektüre war jede Minute wert.
: Kurz: Geboren 1943 in Luzern, wahrscheinlich eine Reinkarnation eines Geschichtenerzählers, der im Mittelalter „on the road“ war. Obwohl ich Schweizer bin, wurde aus mir kein Uhrmacher, sondern vorerst ein Leser. Als Junge habe ich viel Sport getrieben, Fußball, Hockey, aber ich konnte mich auch stundenlang hinter einem Buch verkriechen. Für mich öffnete sich mit dem Aufschlagen eines Buches auch so etwas wie eine zweite Welt, die es mir ermöglichte, der Realität von Schule und Alltag zu entfliehen. Ich wollte mit Huck Finn zusammen sein, der Fährte eines Wolfes folgen und mich einer Bande von indianischen Kriegern anschließen, egal von welchem Stamm. Schriftsteller wie Karl May, Mark Twain und vor allem Jack London, waren für mich damals die ganz großen Erzähler. Als ich dann selbst zu schreiben begann, wurden sie zu meinen ersten Vorbildern. Das sind sie zum Teil bis heute geblieben.
: Ich war zunächst in den Sechziger-Jahren des vergangenen Jahrhunderts zweieinhalb Jahre lang in einem VW Bus in Nordamerika „on the road“. Alaska, Kanada, USA, Mexiko, Guatemala. Um dieses fantastische Hippie-Leben mit meiner Freundin, der schönen Paula, und mit unserem Halbwolf „Dusty“ aus finanzieller Sicht zu überleben, begann ich damals „Groschenromane“ zu schreiben. Das ermöglichte es uns, so frei wie möglich zu sein. Die Befreiung von gesellschaftlichen und kommerziellen Zwängen bedeutete jungen Leuten von damals mehr als ein geregeltes Leben, wie es ihnen ihre Eltern vorlebten. Über unsere Abenteuer habe ich später meine autobiografische Road-Story „Heul doch den Mond an“ geschrieben. Dieses Buch ist 1978 erschienen und noch immer auf dem Markt, ein Klassiker. Die Wüste im Südwesten hat mich sehr geprägt. Nicht nur meine Art des Schreibens. Albert Camus hat einmal geschrieben, dass jeder Mann eine Wüste braucht, in die er sich zurückziehen kann und die ihm neue Energie gibt. Für die Apachen war der Platz, wo sie geboren wurden, von vorrangiger Bedeutung. Ich wurde zwar in der Schweiz geboren, aber mein Leben hat irgendwo in der Sonora Wüste begonnen.
: Entdeckt hat mich mein Deutschlehrer, Dr. Werner Lustenberger. Der hat mich dazu ermuntert, Geschichten zu schreiben. Die erste habe ich geschrieben, als ich dreizehn Jahre alt war. Damals starb einer meiner Großonkels, ein steinreicher Mann in Italien. Die Geschichte sollte „Der Geizkragen“ heißen, aber ich habe sie nie ganz zu Ende geschrieben. Später las ich ein „Leihbuch“ von H. J. Stammel (Robert Ullman) über Billy the Kid. In einen Brief habe ich ihn auf ein paar Ungereimtheiten aufmerksam gemacht. Ich erwartete nicht, dass er mir zurückschreiben würde, aber das hat er getan. Ich kann mich noch heute an einen seiner Sätze erinnern. „Kommen Sie uns im schönen Schwarzwald besuchen. Die Luft hier ist es wert, auf Flaschen gezogen zu werden.“ Ich habe ihn dann zusammen mit Steve Reeves, einem der damals großen amerikanischen Filmstars (Herkules) besucht, da dieser einen Western verfilmen wollte. Daraus ist eine langjährige Freundschaft entstanden, und auch eine produktive Partnerschaft.
: Das hat sich alles einfach so ergeben. Für mich war es damals unwichtig, viel Geld zu verdienen. „Jupp“ Stammel ermöglichte es mir, meine Zeit nicht an geschäftliche Aufgaben zu verschwenden. Ich schrieb Western, weil ich diese Geschichten schreiben wollte. Außerdem beabsichtigten wir, Robert S. Field als mein eigenes Pseudonym zu lancieren, aber das haben wir nach kurzer Zeit aufgegeben, weil der Name Ullman bekannter war. Für mich ging das so in Ordnung.
: Es geht um den Kopfgeldjäger T. T. Chesterfield, der mit seinem Sohn, T.T. Chesterfield jr. und dessen Grossmutter auf Verbrecherjagd ist. Zwischen Windeln wechseln und dem Zahnen seines Sohnes, den er auf einem Stück Rohhaut herumkauen lässt, geht T. T. Chesterfield seiner Arbeit nach und finanziert damit seinen Lebensunterhalt. So was Skurriles hatte man damals in „Western“ noch nicht gelesen. Da waren die meisten Männer wortkarge Einzelgänger, schon gar nicht ritten sie den „harten“ Trail eines Kopfgeldjägers mit einem Baby im Korb. Harry Rowohlt ist auf diesen Roman aufmerksam geworden und ich fuhr mit ihm nach Bochum zu Peter Zadek, der ihn auf die Bühne bringen wollte. Mir war das alles ein bisschen zu viel, und so wurde dieses Projekt dann auch fallen gelassen, während ich fünf oder sechs weitere Chesterfield-Romane schrieb.
: Das ist eine Reihe, die für mich heute so etwas wie mein eigenes Erbe ist. Ursprünglich habe ich eine Trilogie geschrieben, die beim Pabel Verlag als Taschenbücher veröffentlicht wurde. Es ging mir dabei darum, den Krieg um „Apacheria“ aus der Sicht eines jungen Apachen chronologisch darzustellen. Das wollte ich schon immer mal tun, obwohl dies ein sehr schwieriges Unterfangen ist. Ich glaube, es hat immer wieder Western Autoren gegeben, die das versucht haben, aber für mich blieben ihre Geschichten mehr oder weniger romantische Märchen. Für mich war es wichtig, den Kampf der Apachen als einen grausamen Überlebenskampf darzustellen. Ich wollte die Angst dieser Menschen aufzeigen, die sich ihres Untergangs Tag und Nacht bewusst waren, weil sie jeden Tag gegen einen übermächtigen Feind mit seinen „Monstersoldaten“ zu kämpfen hatte. Die Kriege von heute unterscheiden sich kaum von den Indianerkriegen der damaligen Zeit, nur ist inzwischen die ganze Welt zu „Apacheria“ geworden. Die Delgado-Bände beim BLITZ-Verlag sind in diesem Sinn nicht nur historisch genau recherchierte Western- oder Indianerromane, sondern Spiegel der Menschheitsgeschichte bis in die heutige Zeit.
: Ich lebte dreißig Jahre in Arizona und habe noch eine Bleibe mitten in der „Apacheria“, in Tucson. Das Land der Apachen war für all die Jahre sozusagen meine Spielwiese. Wenn ich dort bin, und das bin ich jedes Jahr, fällt es mir leicht, mich nicht zu verirren. Im Moment schreibe ich am 5. Band der Delgado Reihe. Es ist eine unglaubliche Geschichte, der die Legenden, die sich um einige Kriegerinnen der Chiricahua Apachen ranken, zu Grunde liegen. Momentan bin ich mit einer jungen schönen Frau der Chokonen Chiricahua Apachen im Tal des Rio Santa Cruz unterwegs, zwischen Tucson und Tubac, etwa ein Monat vor dem Camp Grant Massaker. Von den Mexikanern wird die Frau "La Vengadora" genannt. Wer sie berührt, stirbt ...
: Für mich gibt es den nicht. Ich weiß, dass Frank Gruber einmal gesagt hat, dass es nur gerade mal sieben "Western-Themen" gibt, die für alle je geschriebenen Western herhalten müssen. Das mag stimmen, ist aber für mich trotzdem irrelevant. Jede Geschichte ist eine andere. Deshalb gibt es den Modellwestern zum Glück nicht. Manchmal den Themen zum Trotz, muss eine Geschichte halt authentisch rüberkommen, nicht nur das Label "Authentic Western" tragen. Es gibt zu viele Autoren, die zwar wissen, was ein Houlihan ist, diesen Lassowurf aber noch nie ausgeführt haben und so das Gefühl dafür eben nicht kennen. In meinen ersten Jahren in Tucson hatte ich Pferde und Rinder. Meine Freunde waren Cowboys wie Rick Dailey oder Bob Hatting, der heute in Panama lebt und ein paar "Western" geschrieben hat. Mit den Ureinwohnern, den "Indianern" ist das alles noch viel schwieriger. Ich rede hier nicht von irgendwelchen heutigen "Schamanen", die unsere Seele in einer Schwitzhütte vom Makel, ein Bleichgesicht zu sein, befreien wollen. Das mag esoterisch gesehen sogar Sinn machen, aber die Realität ist eben eine andere. Ich habe viel Zeit bei den White Mountains verbracht, aber auch in Fort Sill, Oklahoma, wo Geronimo und Quanah Parker begraben liegen, auch bei den Hopi in ihren Mesa Dörfern und in Montana bei den Cheyenne und Crow. Meine alten Freunde wie Tom C. Talayesva und Myron Polequaptewa sind inzwischen beide gestorben, und auch Tom Parker, der letzte von Quanah Parkers Söhnen, weilt nicht mehr unter uns. Mich haben sie zu Lebzeiten mit ihrem Land und ihrem Leben so vertraut gemacht, dass wir zu Brüdern wurden. Ihnen kann ich es verdanken, dass mir unter meinem Namen Romane wie "Im Sommer als der Büffel starb" oder "Als die Feuer erloschen", oder die Jugendbücher "Das Regenpferd" und "Der Adller und sein Fänger" geglückt sind. Wer diese Bücher gelesen hat, weiß, wovon ich spreche. Das gilt auch für die neue "Delgado"-Reihe. Sie sind nicht nach irgendeinem Rezept geschrieben, sondern aus einer realen Verbundenheit zum Land und zu den Menschen, die ich dort angetroffen habe. Das macht ihre Authentizität aus und ist vielleicht das, was meine Leser am meisten zu schätzen wissen. Das ist für mich schon immer Lohn genug gewesen, die Achtung und den Respekt anderer Autoren, meiner Freunde und allen, denen ich auf meinen vielen Wegen kreuz und quer durch mein Leben begegnet bin.
: Wenn „Western“ von Leuten wie Tarantino geschrieben werden, wird es immer „Fans“ geben. Einer meiner Freunde ist Michael Blake, der das Screen Play für „Der mit dem Wolf tanzt“ geschrieben hat, ein kommerziell starker Film, der heute fürs breite Publikum in der Versenkung verschwunden ist. Autoren versuchen oft, aus dem „Western“ etwas anderes zu machen, mehr Sex, mehr Fantasy, mehr Horror, mehr Nonsens. So gesehen gibt es das Genre Western, so wie es einmal verstanden wurde, kaum mehr. Ich bin überzeugt, dass das alles jedoch überhaupt nicht nötig ist, schon gar nicht, um kommerziell erfolgreich zu sein. Der Western ist Zeitgeschichte. Man kann diese zwar immer wieder neu erfinden, darüber diskutieren, ob das „gut“ oder „schlecht“ ist, bringt aber letztlich gar nichts. Die Geschichte des „Wilden Westens“, mit all seinen Legenden und Mythen, mit seinen inzwischen verschwommenen Wahrheiten, wird mich hoffentlich bis zum Tag faszinieren, an dem ich auf meinem alten Gaul das Ende des Regenbogens erreicht habe. Vorher lege ich die Feder nicht zur Seite.
Kommentare
"Immerhin hat Egli aber viel mit Stammel zu tun. Er hat unter den zwei bekanntesten Pseudonymen (Robert Ullman, R[obert] S. Field) dieses ebenso hervorragenden Autors wie auch der umstrittenen Figur Stammel geschrieben."
Das ist so nicht ganz richtig. Tatsächlich war Field das ursprünglich Pseudonym das Egli verwendete als er im Jahr 1966 anfing Romanhefte und Taschenbücher zu veröffentlichen. Dabei wurde er wohl von Stammel unterstützt bzw gefördert, so daß dann Bastei oder Mülbüsch auf die Idee kam Eglis Romane einfach unter Ullman zu bringen, denn Stammel hatte Anfang 1967 aufgehört Western zu schreiben.
Und schon 2 Monate nach Stammels letztem (oder vorerst letztem) Western erschien bei Mülbüsch der 1. Egli unter Ullman. In der Folgezeit ist dann auch das Field Pseudonym für die Nachdrucke älterer Ullmänner verwendet worden, so daß auch etliche Stammel Werke darunter erschienen. Trotzdem war es eigentlich ein Egli Pseudonym.
Im Moewig Verlag sind übrigens in 1969 auch mal 3 Heftromane erschienen die eindeutig weder von Stammel noch von Egli waren. Keine Ahnung wie das passiert ist.
Es erstaunt mich immer wieder, mit welcher Undurchschaubarkeit und Gleichgültigkeit gerade auf dem Westernsektor von Verlagsseite mit Pseudonymen gearbeitet wurde. Seltsam.
Um das noch mal klar zu sagen, daß es weitere Autoren gibt die unter Ullman veröffentlicht haben ist eine unbelegte Aussage. Einen wirklich konkreten Hinweis darauf gibt es nicht, und die Romane lassen sich bis auf wenige Ausnahmen ohnehin eindeutig den beiden Autoren zuordnen.
Die 3 weiter oben von mir erwähnten RHe stammen jedenfalls ganz sicher weder von Egli noch von Stammel. Und haben sicher nichts mit Ullman zu tun, denn ein sicheres Kennzeichen der Ullmänner ist das diese auch immer wieder unter Ullman nachgedruckt werden. Mal abgesehen davon daß diese 3 auch nur unter Field erschienen sind, und das ist an sich ein Egli Pseudonym, bzw war es das urprünglich.
Ich zitiere Jörg Weigand, "Träume auf dickem Papier", Baden-Baden 1995, S. 70):
"Stammel kümmerte sich zum Teil nicht einmal um die eingehenden Manuskripte [seiner Ghostwriter], sondern adressierte die Sendungen lediglich um und leitete sie an die Verlage weiter. Dort, so der damalige Lektor des Feldmann-Verlages H.J. v. Koblinski, fanden sich z.T. noch die Begleitbriefe der Ghostwriter an Stammel, die dieser achtlos mit weitergeleitet hatte."
Jedoch habe ich die alle gelesen und ich sehe da wenig was nicht eindeutig Stammel oder Egli zuzuordnen ist. Da bleiben dann noch 6 Romane über historische Charaktere übrig, die nach 1967 entstanden sind, die stilistisch nicht zu Egli passen, die auch Egli selber als nicht von ihm bezeichnet hat, von denen jedoch 3 in größerem Umfang Passagen aus früheren Stammel Romanen zum selben Thema enthalten, also wie Umarbeitungen dieser älteren Werke wirken. Von diesen 6 ist jedoch gerade mal einer bei Feldmann erschienen.
Also möglicherweise hat Koblinski in der Erinnerung lediglich aus Egli auf mehrere geschlossen. Und Egli hat ja zweifelsfrei ungefähr die Hälfte aller Ullmänner verfasst , und steht für Ullman genau so wie Stammel.
Im Übrigen stammen ja glaube ich auch die Falschangaben zu einigen der Pseudonyme die Stammel oder Egli zugeordnet werden aus Weigands Lexikon.
Dieses ganze LB Geschäft war halt ein sehr weites und sehr undurchsichtiges Feld, noch dazu eines daß schon lange zurückliegt, und wo anscheinend schon naturgemäß sehr viel gelogen und verschleiert wurde, und das halt auch wenig erforscht ist. Da kommt es auch bei sorgfältiger Recherche schnell zu diversen Fehlern und Irrtümern.
= Colt Western 34 – Der weite Weg der Rache – Todhunter Ballard
= Gunman from Texas – Todhunter Ballard
Western Star 243 - Die Besessenen - Robert S. Field
= Sheriff Western 18 - Zu hart zum Sterben - Todhunter Ballard
= Showdown - Todhunter Ballard
Hat nun Egli als Ghostwriter für Ballard geschrieben oder umgekehrt..?
Lustige Fußnote:
In Western Star 243 "Die Besessenen" befindet sich auf Seite 1 ein kleines Kästchen in dem zu lesen steht: "Robert S. Field ist ein Pseudonym des berühmten Western-Autors G. F. Unger"
Jetzt ist alles klar, auch Unger ist in Wahrheit Stammel ...