... Karl-Ulrich Burgdorf über über »Jenseits der Universen«, Wolfgang Jeschke und den Heyne Verlag
... Karl-Ulrich Burgdorf ...
... über »Jenseits der Universen«, Wolfgang Jeschke und den Heyne Verlag
: Ja. Die urspüngliche Fassung hatte rund 200.000 Zeichen, weil ich damals ausschließlich den Heftromanmarkt im Blick hatte. Die jetzige hat rund 300.000, ist also um 50% länger. Daran können Sie erkennen, wieviel zusätzliche Handlungselemente ich hinzugefügt habe. Praktisch alles, was nach der Begegnung zwischen Michael Manninghouse und dem Abwehrchef Alistair Reed geschieht, war in der Urfassung auf wenigen Seiten zusammengedrängt, weil ich innerhalb der Standard-Heftromanlänge zu einem Abschluß kommen wollte. Jetzt, da ich den Roman ohne jegliche Längenvorgabe als Taschenbuch bei Apex veröffentlichen konnte, war es mir glücklicherweise möglich, diesen strukturellen Fehler zu beheben.
: Wenn, dann nur in einer komplett überarbeiteten, also praktisch völlig neu geschriebenen Version. Als junger Autor fand ich natürlich alles, was ich damals schrieb, absolut genial, aber wenn man älter wird, erkennt man, daß man in jungen Jahren auch jede Menge schwächere Texte verfaßt hat – Romane und Kurzgeschichten, die zum Glück unveröffentlicht geblieben sind und über die man gnädig das Mäntelchen des Vergessens breiten sollte.
Was die Auflagenzahlen der E-Book- und Kleinverlage betrifft: SF und Horror verkauft sich als E-Book und als Book-on-Demand leider bis auf wenige Ausnahmen herzlich schlecht. Wenn ich vernünftig wäre, hätte ich die Tätigkeit als Autor dieser Genres schon längst an den Nagel gehängt. Aber wenn ich etwas schreibe, dann wird es automatisch immer irgendwie zu SF oder Phantastik, also mache ich eben damit weiter und hoffe darauf, wenigstens ein paar Leser zu finden, die sich für meine Sachen interessieren.
: Wolfgang Jeschke habe ich »Jenseits der Universen« nie vorgelegt, weil ich damals schon das Gefühl hatte, daß der Roman in der damaligen Fassung nicht funktionierte. Zugleich hätte ich aber auch nicht gewußt, wie ich ihn hätte verbessern können – dazu brauchte es wohl den zeitlichen Abstand einiger Jahrzehnte und eine größere Reife als Autor.
Allerdings hat Wolfgang Jeschke mich nach der Veröffentlichung von »Delta Omicron« gefragt, ob ich nicht Lust hätte, ein eigenes Taschenbuch in der Heyne-SF-Reihe zu veröffentlichen; »Delta Omicron« ist ja in einer Anthologie mit Kurzromanen und Novellen erschienen. Dazu ist es aber nie gekommen, weil ich damals gerade unter einem Burnout litt. Einen großen Roman für Heyne habe ich mir unter diesen Umständen nicht zugetraut.
: Eigentlich erstaunlich wenig; nur die Szene, in der sich Michael Manninghouse im Trainigszentrum aufhält, habe ich sehr stark überarbeiten müssen. Tatsächlich beziehen sich die von mir jetzt vorgenommenen Revisionen und Ergänzungen in erster Linie auf die Beziehungen zwischen den Protagonisten.
: Wie schon gesagt: Ich steckte damals mitten in einem Burnout und war überhaupt nicht mehr in der Lage, Romane oder Geschichten zu schreiben. Das änderte sich erst, als Wolfgang Hohlbein mir 1982 anbot, seine »Raven«-Serie innerhalb der Gespensterkrimis bei Bastei zu übernehmen. Von da an habe ich mich also eine Zeitlang auf das Schreiben von Horrorromanen konzentriert und in den 1980er Jahren nur noch einige wenige SF-Stories in den von Thomas Le Blanc herausgegebenen »Sternenanthologien« sowie gemeinsam mit Wolfgang Hohlbein ein SF-Jugendbuch aus der Serie »Sternenschiff der Abenteuer« veröffentlicht. Die EXPERIMENTALSTATION TEST geriet derweil völlig aus meinem Blickfeld und wurde für mich erst wieder interessant, als ich die Möglichkeit erhielt, »Delta Omicron« als Book-on-Demand-Taschenbuch und E-Book bei Apex zu veröffentlichen.
: Im Moment denke ich darüber nach, auf »Jenseits der Universen« und »Delta Omicron« noch einen dritten Band folgen zu lassen, so daß sich am Ende eine »Michael-Manninghouse-Trilogie« ergäbe. In diesem dritten Band würde die Crew der DEIMOS dann eine wichtige Rolle spielen. Welche, das möchte ich an dieser Stelle aber natürlich noch nicht verraten.
: Ich habe mir erst kürzlich die komplette DVD-Sammlung mit der Ur-Star-Trek-Serie gekauft und amüsiere mich jedesmal darüber, wenn ich sehe, wie die Crewmitglieder da manchmal in der Zentrale der ENTERPRISE durcheinanderpurzeln. Andererseits möchte ich aber natürlich nicht, daß meine Hauptpersonen sich bei einem Ausfall der Andruckabsorber unnötig verletzen – darum also die Gurte. Wie Sie sich sicher vorstellen können, muß man mit seinen Hauptpersonen möglichst behutsam umgehen, sonst machen sie eines Tages auf der gedruckten Seite nicht mehr das, was man als Autor von ihnen erwartet. Und das wäre doch schade, oder nicht? ;-)
: Ja, darum ging es – neben anderen Dingen – in einem der Prequels. Aber gerade dieses Prequel ist im Gegensatz zur Technik in »Jenseits der Universen« inzwischen in technischer Hinsicht dermaßen veraltet, daß es bei einer Veröffentlichung nur noch Kopfschütteln hervorrufen würde. Das war übrigens ein ganz früher Versuch, der bereits 1972 entstand, also viele Jahre vor den anderen Romanen über die EXPERIMENTALSTATION TEST. Eine Überarbeitung würde auf ein völliges Neuschreiben hinauslaufen, aber dafür ist auch die Story des Romans nicht substantiell genug.
: Was mir übrigens sehr wichtig war, um Michael Manninghouse als bisweilen extrem leichtsinnigen jungen Heißsporn zu kennzeichnen – was ihn dann ja auch in »Delta Omicron« wirklich übel in die Bredouille bringt.
: Nein, eher meiner generellen Abneigung gegen alles Militärische. Die hat bis heute übrigens nicht nachgelassen – »Military SF« ist also absolut nicht mein Ding. Im dritten Band der Michael-Manninghouse-Trilogie wird das übrigens noch sehr viel deutlicher werden. Da können Sie dann mit einigen sehr überraschenden Wendungen der Handlung rechnen!
: Nein. Leider muß ich gestehen, daß ich »THX 1138« bis heute noch nicht gesehen habe. Von George Lucas hatte ich anläßlich der Erfindung des Namens tatsächlich noch nie etwas gehört. Und wie ich ausgerechnet auf den Namen »Lucas« gekommen bin, weiß ich nach all den Jahren wirklich nicht mehr. Der von Ihnen erwähnte Prolog ist übrigens das einzige, was ich aus dem ersten Roman von 1972 übernommen habe. Ursprünglich gehörte er nämlich gar nicht zu »Jenseits der Universen«.
: Die sich an Bord der DEIMOS anbahnende Beziehung zwischen der Kommandantin und ihrem Sicherheitsoffizier kam in der Urfassung des Romans gar nicht vor. Die habe ich hinzugefügt, um eine zusätzliche Symmetrie in den Roman einzubauen, in dem es ja zentral um Symmetrien geht: Darum am Anfang eine Liebesgeschichte und am Ende auch eine. Außerdem handelt es sich auch bei der EXPERIMENTALSTATION TEST genau wie bei Star Trek tatsächlich in gewisser Weise um eine Familiengeschichte: General Lucas und Jerry Vogel sind beides Vaterfiguren und Michael Manninghouse zwar nicht der leibliche, aber doch der spirituelle Sohn Jerry Vogels. Wenn Sie so wollen, sind die Außerirdischen – die Arkanoiden – dann so etwas wie die guten Onkels aus dem All, die am Ende alles wieder in Ordnung bringen. ;-)
: Den habe ich einem Tippfehler in einem Buch von Professor Dr. Walter Gödden zu verdanken. Professor Dr. Gödden hatte mich in seiner Eigenschaft als Leiter der Literaturkommission des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe zur Teilnahme an der Veranstaltungsreihe »Aliens welcome! Science-Fiction-Literatur aus Westfalen 1904-2018« eingeladen, in deren Rahmen ich dann eine gemeinsame Lesung mit Hartmut Kasper (alias Wim Vandemaan) und Werner Zillig hatte. Bei der Abfassung des 600-seitigen Begleitbuchs zu dieser Veranstaltungsreihe hat Professor Dr. Gödden im Kapitel über Perry Rhodan in einem Textbaustein versehentlich aus den »Arkoniden« die »Arkanoiden« gemacht, und so steht es dann auch etliche Male in dem entsprechenden Kapitel dieses sehr empfehlenswerten Buches. Ich fand diese Trouvaille so wunderbar, daß ich Professor Dr. Gödden bei unserer nächsten Begegnung gleich gesagt habe: »Genau so werde ich die Außerirdischen in meinem neuen Roman nennen.« Der Roman hat ihm dann übrigens gut gefallen.
: Auch der Bezug auf »Flatland« (dt. »Flächenland«) fehlte im ursprünglichen Manuskript. Damals kannte ich Edwin A. Abbotts Buch nämlich noch gar nicht. Nachdem ich es vor einigen Jahren gelesen hatte, wurde mir aber sofort klar, daß es perfekt in die Geschichte von »Jenseits der Universen« passen würde. Es gibt übrigens auch eine Fortsetzung dazu, nämlich »Flatterland« (dt. »Flacherland«) von Ian Stewart. Ebenfalls sehr empfehlenswert!
: Weil Menschen sich nun einmal in erster Linie für andere Menschen und deren Beziehungen untereinander interessieren. Das ist die Grundlage aller Literatur, und die SF macht da keine Ausnahme, wobei es in diesem Genre natürlich manchmal auch um Aliens statt um Erdenmenschen gehen kann. Wir sprachen doch vorhin schon darüber, daß in jedes SF-Epos Familienbeziehungen gehören. Übrigens ist das kein Originalgedanke von George Lucas; man findet ihn in vielen Ratgebern für angehende Drehbuch- und Romanautoren. Ein so erfolgreicher Drehbuchautor wie William Goldman etwa meint, daß ein Film oder ein Roman immer dann am besten funktioniert, wenn es darin um ein Haus geht, das von einer Familie mit all ihren interfamiliären Konflikten und ihren vielfältigen Beziehungen zur Außenwelt bewohnt wird. Die ENTERPRISE ist so ein Haus und ihre Besatzung die Familie, die darin wohnt. Gleiches gilt für die DEIMOS und sogar für die EXPERIMENTALSTATION TEST. Auch die ist ein – wenngleich sehr großes – Haus, und die Menschen darin bilden eine Art Großfamilie. Die mit dieser Größe verbundene Unübersichtlichkeit reduziert sich natürlich dadurch, daß ich immer nur relativ kleine Gruppen zeige, die so etwas wie Unterfamilien bilden: den Stabilisierungsstab, das Wissenschaftlerteam, um das Michael Manninghouse sich als Sicherheitsoffizier kümmert. Und so weiter.
: Darüber habe ich bei der Vorstellung des Romans auf meiner Internetseite www.karl-ulrich-burgdorf.de bereits einiges geschrieben. Ursprünglich hatte ich gar nicht vor, Jerry Vogels Rolle so stark in den Vordergrund zu rücken, aber dann ging in unserem Land diese widerwärtige Antisemitismus-Welle mitsamt den Gewalttaten gegen jüdische Mitbürger los, und ich nahm mir vor, mit meinen – zugegebenermaßen bescheidenen – Mitteln als Autor ein Statement dagegen abzugeben.
Aber natürlich haben Sie vollkommen recht: Religionen bergen zugleich auch erhebliche Gefahren – denken Sie nur an den Islamismus und den von ihm ausgehenden Terror oder, im Falle des Christentums, an die Inquisition oder an die bis vor gar nicht langer Zeit extrem repressive Sexualmoral der christlichen Kirchen. Und auch das historische Judentum ist sicherlich nicht frei von solchen Tendenzen, wie man bei einer vorurteilsfreien Lektüre der hebräischen Bibel – also des Alten Testaments – sehr rasch feststellen wird. Ein liberales Judentum wie das von Jerry Vogel vertretene ist mir hingegen sehr sympathisch. Im geplanten dritten Band der Trilogie werde ich darauf übrigens noch näher eingehen. Jerry Vogel wird sich dort explizit auf den traditionellen Begriff des >Tikkun Olam< beziehen, der für das Heilen und Reparieren einer beschädigten Welt steht und eine Lebensweise meint, die zu dieser Heilung beiträgt.
Zum Freundes- und Bekanntenkreis von meiner Frau und mir gehören übrigens Moslems und Juden ebenso wie Christen und Atheisten. Das sind alles tolerante Menschen, die niemanden missionieren wollen und jede Form von Radikalität in der Ausübung ihres Glaubens oder ihres Nichtglaubens ablehnen, eine Haltung, die ich nicht nur in religiöser Hinsicht teile. Auch politische Radikalität, gleich ob von rechts oder von links, ist mir absolut zuwider.
: Offengestanden habe ich bisher noch nicht die geringste Ahnung, wie sie entstanden sein könnte. Um eine schlüssige Antwort darauf zu finden, müßte man wohl von Beruf Hyperphysiker sein, und das bin ich nun mal leider nicht. ;-) Aber auch auf dieses Thema werde ich im dritten Band der Trilogie noch einmal kurz zurückkommen.
: Siehe dazu Band 3 der Trilogie – immer vorausgesetzt natürlich, daß ich irgendwann genug Energie aufbringe, um ihn zu schreiben. Im Kopf ist er längst fertig, aber da ich letztes Jahr zwei Monate lang ziemlich krank war (nein, zum Glück nicht Covid-19!), mangelt es mir im Moment noch an der nötigen Kraft dazu.
: Ja, vielleicht. Aber zum einen bin ich ein Wenig- und Langsamschreiber, und auch Überarbeitungen kosten eine Menge Zeit und Energie. Zum anderen habe ich nach der Veröffentlichung dieses Zweiteilers einen begeisterten Leserbrief von einem Fan erhalten, der sich bald als Neonazi entpuppte. Angesichts dieses Beifalls aus der völlig falschen Ecke habe ich die beiden Romane dann lieber in meinem persönlichen Giftschrank verstaut und den Schlüssel gleich zweimal herumgedreht. Kann sein, daß ich sie eines Tages wieder hervorhole, aber in diesem Fall werde ich sie so tiefgreifend bearbeiten müssen, daß ein derartiges Mißverständnis nicht mehr möglich ist. Wenn ich nämlich etwas ganz besonders verabscheue, dann ist das der Nationalsozialismus.
: Gern geschehen. Und ich freue mich schon auf die nächste Fragerunde!