... Erik Hauser über das Horrorgenre und Autorendasein
... Erik Hauser ...
... über das Horrorgenre und Autorendasein
Hallo Bettina, also dass du gedacht hast, ich sei eine Frau und schreibe unter männlichem Pseudonym, da muss ich jetzt schmunzeln. Ich nehme das mal als ein Kompliment dafür, dass ich die weibliche Perspektive meiner Hauptfigur einigermaßen gut hingekriegt habe. Tatsächlich gab es ja schon immer männliche Autoren, die klassische Frauenfiguren erschaffen haben, ich denke da an Theodor Fontane (Effi Briest), Flaubert (Madame Bovary) oder auch Tolstoj (Anna Karenina). Das geht also, genau wie umgekehrt, denke ich. Oder hätte J.K. Rowling besser die Finger von Harry Potter lassen sollen? (Schmunzeln) Autor:innen stehen eigentlich immer vor der Aufgabe, sich in ihre Figuren hineinzuversetzen, damit sie authentisch rüberkommen. Natürlich ist die „Differenzqualität" für mich zu einer Frau größer wie wenn ich mir als Protagonist einen Mann in, sagen wir mal, ungefähr meinem Alter denke. In „Erbe der Wölfe" gibt es allerdings auch nicht nur die „weibliche" Perspektive, sondern auch die der anderen Dorfbewohner, zumeist männlich und, man muss es so offen sagen: zu 80% Schurken. (Nur die Wirklichkeit übertrifft noch die Fantasie, siehe die gegenwärtige Weltlage). Geholfen hat mir vielleicht auch, Vater von zwei Töchtern zu sein, die in in ähnlichem Alter wie meine Protagonistin sind.
Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Oder jedenfalls nicht auf eine hundertprozentig logisch nachvollziehbare Art. Mein Schreibprozess im Allgemeinen lässt sich vielleicht am Besten mit einer Art Meditation vergleichen. Ich sitze, zumeist in einem Café oder in der Mensa meiner Schule, zusammengesunken vor meinem Laptop und starre mit leerem Blick vor mich hin; Leute, die mich sehen, könnten eventuell auf die Idee kommen, ich sei irgendwie nicht ganz bei mir (was ja auch nicht ganz falsch ist). Manchmal schiebe ich die Bilder von real existierenden Personen, Freunde, Bekannte, Schauspieler:innen oder zufälligen Passanten im Kopf hin und her, aus denen ich dann Figuren forme. Am allermeisten aber sind es recht vage, schwammige Emotionen, ich kann es nicht besser ausdrücken, die in mir rumoren, aus denen sich allmählich so etwas wie ein gedankliches Bild einer Figur entwickelt. Also wie bei Stipe, dem grausamen, eitlen Gutsverwalter. Nach – oder auch mit – dieser emotionalen Idee kam mir als Erstes das Bild eines Reitstiefels, auf den eine Peitsche klatscht, der perfekte Ausdruck seines Charakters, wie ich fand. Bei den „russischen" Figuren im Roman spielten auch die Namen eine große Rolle, die – wenn man den passenden gefunden hat – sofort ein Bild im Kopf entstehen lassen. Beim Schreiben von Dialogen geht es so ähnlich: Ich spiele mir die Szene, was die Figuren sagen, welche Gesten und Gebärden sie machen, quasi wie in einem Film im Kopf vor. Manchmal brauche ich so mehrere filmische „Takes", ehe die Szene sitzt. Im Gegensatz zum Film, wo die Szene dann sozusagen nur von einem außenstehenden Betrachter gesehen wird, kommt dann noch das Quäntchen emotionalen Anteilnahme hinzu, indem man sich in seine Zielfigur wie oben beschrieben hineinversetzt.
Also zu deiner zweiten Annahme sage ich nur: Gut kombiniert, Watson. Ich habe zwar selber keinen russischen Background, meine Frau ist aber Russlandsdeutsche und über sie und die Verwandtschaft habe ich da einen gewissen Bezug. Oder sagen wir's mal so: Wenn ich von Borscht schreibe, dann weiß ich, wovon ich schreibe. (Ich kann ihn riechen, wie er gerade auf dem Ofen köchelt.) Die Oma meiner Frau, die übrigens aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Odessa stammt, also auf dem heutigen Staatsgebiet der Ukraine aufgewachsen ist, hat in ihrem einfachen Deutsch ihre Erinnerungen an ihre Kindheit und die Zeit unter Stalin festgehalten, was mir sehr geholfen hat.
Mindestens genauso wichtig waren aber die klassischen russischen Autoren, von Turgenjew, Dostojewski, Lermontow, bis hin zu Tolstoj und Tschechow, ich glaube, ich habe fast alles (in deutscher Übersetzung, ich kann kein Russisch!) gelesen, was es auf dem Markt gibt. Von Anfang an wollte ich einen Roman schreiben, der sich so liest wie eine dieser Übersetzungen aus dem Russischen des 19. Jahrhunderts. Ich denke, in Teilen ist mir das auch gelungen. Viele der Charaktere, Beschreibungen, Situationen sind aus meiner umfangreichen Lektüre hervorgegangen, was gefehlt hat, habe ich dann noch über, ja auch: Wikipedia, recherchiert. Die Dorfbewohner, der hinterhältige Gutsverwalter, die gerissenen Taugenichtse, das sind alles natürlich auch literarische Versatzstücke, wie sie sich so oder ähnlich in fast jedem russischen Roman des 19. Jahrhunderts finden. Ich musste mich nur an diesem reichen Schatz bedienen. Ich glaube im Übrigen, so gut wie alle Autor:innen arbeiten so: Alles, was man gelesen, erfahren hat, geht durch den eigenen Kopf wie durch einen Komposter, wo es sich zersetzt, neu zusammenfügt und dann in veränderter – ja, auch: angeeigneter Form wieder herauskommt. Originalität ohne die gleichzeitige Fähigkeit zur Imitation kann es meines Erachtens gar nicht geben.
Ich muss an dieser Stelle gleich hinzufügen, dass der Roman lange vor der verbrecherischen Invasion Russlands in die Ukraine geschrieben wurde, ich weiß nicht, ob ich heute noch so unbefangen Russland als Handlungsort für einen phantastischen Roman wählen würde. Damals erschien es mir die richtige Wahl. (siehe hierzu Interview mit Michael Schmidt).
Nun, nachdem wir im ersten Anlauf geklärt haben, was – oder wer – ich nicht bin, hier die ernüchternden Fakten: Ich bin 1962 in Heidelberg geboren, habe Anglistik, Germanistik sowie Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft studiert und über den „Traum in der phantastischen Literatur" (EDFC) promoviert. Danach habe ich noch viele Jahre als Lehrbeauftragter am Anglistischen Seminar Heidelberg gewirkt und unter anderem die ersten Seminarkurse über „Phantastische Literatur", „Fantasy" und „Crime Novels" und Comics bzw. Graphic Novels („From Beowulf to Batman: The Hero in Literature and Graphic Novel" gegeben. Die meisten glauben, dass man für Kurse an der Universität gut bezahlt wird, das stimmt aber nicht: ein Job bei ALDI an der Kasse dürfte finanziell lukrativer sein. Weshalb ich dann eben in den Lehrberuf an der Schule eingestiegen, Gymnasiallehrer für Englisch und Deutsch geworden bin.
Für Phantastik habe ich mich schon im Studium interessiert (siehe mein Promotionsthema), mit der Szene in Berührung gekommen, bin ich dann auf den Phantastischen Tagen der Phantastischen Bibliothek Wetzlar und später beim Besuch des BuCon. Vorher hatte ich schon versucht, mich als Übersetzer von Phantastik zu etablieren und Frank Festa kontaktiert, für den ich ein paar Sachen übersetzt habe (u.a. Kurzgeschichten von Ramsey Campbell). Meine erste Leistung als Herausgeber (zusammen mit Frank Rainer Scheck) war Berührungen der Nacht im Festa-Verlag. Tatsächlich war es natürlich Frank Rainers Anthologie, der mir nach einem längeren Telefongespräch (über M.R. James und die Gespenstergeschichte) und einer Probeübersetzung anbot, als Mit-herausgeber in das Projekt einzusteigen. Danach habe ich mit FRS noch zwei weitere (Doppel-)anthologien herausgegeben (Als ich tot war, Aut Diabolus, Aut Nihil) und eine fiktionale Biographie von Sherlock Holmes übersetzt. Über seine Vermittlung kam auch meine Übersetzung von Michel Bernanos' „La Montagne morte de la vie" (als „Terra Infernalis" bei Waldgut) zustande, eines der immer noch zu wenig beachteten Meisterwerke der phantastischen Literatur. Die Zusammenarbeit endete mit dem überraschenden Tod von FRS.
Parallel dazu hatte ich schon angefangen, selber zu schreiben. Das heißt, ich habe natürlich schon vorher geschrieben, allerdings zumeist auf Englisch, weil ich in der Uni in einem Creative Writing Kurs war und mir die irrige Hoffnung machte, als non-native speaker zu veröffentlichen, was natürlich nur begrenzt klappte (drei oder vier Kurzgeschichten von mir erschienen tatsächlich in All Hallows, dem Magazin der English Ghost Story Society). Erst über die Vermittlung von Oliver Plaschkka, einem ehemaligen Studenten und inzwischen guten Freund von mir, kamen die ersten deutschen Veröffentlichungen zustande, ich glaube, die allererste war „Rosenblut" in einer Anthologie von Alisha Bionda, meiner jetzigen Agentin, der ich viel zu verdanken habe.
So, jetzt habe ich schon mehr über mich erzählt als auf meiner Website steht. Fehlt noch was? Ach ja, wie kriegt man Schreiben, Beruf und Familie unter einen Hut? Das ist tatsächlich gar nicht so einfach. Anfangs dachte ich, wie wohl die meisten, ich müsste mir fürs Schreiben viel Zeit nehmen, Ruhe, eine besondere Atmosphäre haben – vielleicht sogar Kerzenlicht und meditative Musik. Dann habe ich gemerkt, dass das überhaupt nicht klappt. Ich hatte nie „genug" Zeit, sondern immer nur ein bisschen. Wenn ich mal viel Zeit hatte (z.B. in den Ferien) habe ich gar nichts zustande gebracht, der Druck war einfach zu groß. Irgendwann habe ich auch gemerkt, dass ich zuhause, in meinem Büro, überhaupt nicht schreiben kann. Also bin ich sozusagen in die weite Welt hinausgegangen. Ich schreibe entweder in Cafés oder in der Mensa der Schule während meiner Freistunden. Das geht, wenn man diszipliniert ist – und auch mit den wenigen Zeilen zufrieden ist, die man in den 45 Minuten einer Freistunde hinbekommt. Ein japanisches Sprichwort sagt: Langsam kriecht die Schnecke auf den Fujijama hinauf (oder so ähnlich). Will sagen: Wenn man jeden Tag wenigstens ein paar Zeilen schreibt, kriegt man mit der Zeit auch einen Roman zusammen, sogar Krieg und Frieden, wenn man jung anfängt (smiley). Mein Rat daher an alle, die als Autor:innen mit denselben Problemen kämpfen: Wartet nicht auf die „günstige" Gelegenheit oder Umstände, sondern setzt euch einfach hin (jetzt sofort, aber natürlich erst nachdem ihr dieses Interview zu Ende gelesen habt!) und schreibt etwas – und lieber jeden Tag ein bisschen, als auf den Tag zu warten, an dem euch die Muse küsst und ihr in einem Rutsch euer Meisterwerk produziert.
Meine Erzählsammlung Jenseits des Rheins von 2016 (Agiro Verlag) stellt einen guten Einstieg dar. Schwarzhumorige Geschichten, ein bisschen in der Art von Roald Dahl. Ähnlich wie in klassischen Erzählzyklen , z.B. Winesburg, Ohio von Sherwood Anderson, sind sie alle dadurch verbunden, dass sie am selben Ort spielen und einige der Handlungsfiguren in verschiedenen Geschichten auftreten. Auch der Ich-Erzähler ist in den allermeisten Geschichten derselbe, der aus der Sicht eines Jugendlichen auf die skurrile Welt der Erwachsenen, seiner Verwandtschaft, blickt. Ein paar der Stories haben das Licht der Welt zum ersten Mal im Magazin Zwielicht erblickt, und eine der gelungensten, ebenfalls eine Werwolfgeschichte, wurde von Michael Schmidt in seiner Anthologie Wolfsbrut noch einmal veröffentlicht.
Stolz bin ich auch auf die Novelle „Odem des Todes" (in der gleichnamigen Anthologie), die es 2011 auf die Short List des Vincent Preises geschafft hat. Und natürlich auf die anderen beiden bei Fabylon veröffentlichten Novellen, die Steampunk-Erotik Story „Der Ritt auf der Maschine" und das mit Oliver Plaschka geschriebene „Die Wahrheit über Sherlock Holmes" (in Sherlock Holmes und die Tochter des Henkers).
Ja, das ist die spannende Frage. Wenn ich sie schlüssig beantworten könnte, würde es mir das Leben leichter machen. Viel nachdenken über die Figuren hilft. Schlaflosigkeit ist auch ein gutes Hilfsmittel. Manchmal wache ich mitten in der Nacht auf und kann nicht mehr einschlafen; dann zerbreche mir über die ein oder andere Figur oder das Handlungsgerüst den Kopf. Leider passiert es auch öfter, dass ich dann doch wieder einschlafe und am nächsten Morgen das meiste wieder vergessen habe. (smiley) - Aber im Ernst: Wenn man eine Figur erschafft, sollte man sich als Autor bewusst sein, wofür diese Figur steht, was ihre zentrale Eigenschaft sein soll. Also z.B. bei meinem Gastwirt, der steht vor allem für „Gier". Das ist jetzt fast ein Klischee: Gastwirte sind halt gierig, weil sie wollen ja Geld machen mit ihrem Geschäft. Darum gebe ich meinen Figuren gerne eine zweite, zumeist entgegengesetzte Eigenschaft mit, also im Fall von Obnoski die Liebe zu seiner Tochter. Das führt, zusammen mit der Gier, zu einer, wie ich finde, recht herzzerreißenden Szene im Roman, wenn (Achtung Spoiler!) Obnoski die Vergewaltigung seiner Tochter nicht verhindern kann, aber die Vergewaltiger bittet, sich doch wenigstens die Füße abzutreten und das Geländer nicht zu beschädigen.
Mein zweiter Tipp, der sich wahrscheinlich so auch in etlichen Schreibratgebern findet, ist der, dass man seinen Figuren auch noch einen Konflikt bzw. ein Verlangen oder eine Sehnsucht mitgeben sollte. Jeder Mensch will etwas im Leben, möchte etwas erreichen, erlebt sich selbst in einer „Mangelsituation", deren Beseitigung angestrebt wird. Das schönste Beispiel aus der Literatur ist dazu vielleicht F. Scott Fitzgeralds Gatsby, der sein ganzes Leben damit verbringt, seinem Jugendtraum, symbolisiert in der Figur Daisys, hinterherzujagen. Mein schurkischer Gutsverwalter ist in diesem Sinne eine Art pervertierter Gatsby, auch er jagt in gewisser Hinsicht einer verlorenen Jugend hinterher. Und in der abschließenden Sterbeszene habe ich versucht, ihm eine grimmige Würde zu verleihen, indem er sich seinen Verfehlungen zumindest mit einer gewissen Aufrichtigkeit, dem ihm eigenen Trotz stellt. Komplexere Figuren, wie ich sie mir wünsche, leben von einem Mischungsverhältnis, sie sind nie ganz schwarz oder weiß, sondern grau.
Und dann passiert natürlich beim Schreiben noch das, was schon viele andere Autor:innen bemerkt haben: Auf einmal nimmt sozusagen die Figur das Heft in die Hand und bestimmt das Geschehen. So geschehen mit Dmitrj Langnase, der einfach wollte, dass sein Wunsch, nach Amerika auszuwandern, thematisiert werde.
Aber wie gesagt: Drei Viertel der Bildung einer glaubwürdigen Figur geschieht im Hinterzimmer, läuft unbewusst ab. Wenn ich selber da mehr Einfluss hätte, würde ich vielleicht manches anders machen (grins, smiley). Am Ende sind es dann wohl auch eigene Emotionen, persönliche Erfahrungen, die in eine Figur mit hineinfließen. Jeder Mensch hat z.B. schon einmal eine Kränkung oder ein Erfolgserlebnis in seinem Leben gehabt; beim Schreiben müssen diese Emotionen dann in Verbindung mit der jeweiligen Figur wieder abgerufen werden.
Die letzte Frage zuerst: Ich benutze keine Software, Chat GPT war, als ich Das Erbe der Wölfe schrieb, noch gar nicht auf dem Markt. Außer einem Schreibprogramm ist alles selbst verfasst. (Auch die Antworten auf diese Fragen, ich schwör, echt!) Oder doch nicht? Denkt man genauer darüber nach, stellt sich vielleicht heraus, dass das menschliche Gehirn ähnlich wie der Algorithmus einer KI arbeitet. In meinem Fall so, dass in die Fertigstellung meines „russischen Werwolfromans" ganz viele andere Werwolfromane (und natürlich: -filme) und die ganze klassische russische Literatur eingeflossen ist. Im Unterbewussten wird das dann alles verarbeitet, oder weniger nett ausgedrückt: zu einem Brei verrührt, der für sich dann Originalität beansprucht. Meine russischen Bauern sind ja nicht gänzlich neu, sondern finden sich in ähnlicher Form z.B. in den schrägen Figuren aus Turgenjews Aufzeichnungen eines Jägers. Welche Auswirkungen Chat GPT auf das Verfassen von fiktionaler Literatur hat, vermag ich mir im Moment noch nicht vorzustellen. Ich glaube aber, dass der Algorithmus (noch?) auf die reine Reproduktion und statistische Verarbeitung von „Datenmengen" (beispielsweise: Figuren aus anderen Romanen) zurückgreift, während das menschliche Gehirn eine Art Chaos-gen besitzt, nach dem vielleicht gerade das Unwahrscheinliche herausgegriffen wird und so Originalität entsteht. Aber um darüber wirklich intelligent zu schwadronieren, fehlt mir leider das nötige IT-Wissen. Darum zurück zu den Geschichten.
Wie entstehen meine Geschichten? Du benutzt das Bild eines Gerüsts. Ich selber denke, wenn ich einen Roman oder eine Geschichte schreibe, aus welchem Grund auch immer an einen Teppich, in den verschiedene Fäden eingewoben werden: Handlungsfäden, Figurenmotivationen etc. Beim Schreiben muss ich gelegentlich einen Faden wieder auflösen, einen neuen einspinnen (etwa: eine neue Figur einsetzen oder einer bereits eingeführten eine andere Motivation geben), etwas mehr das Düstere betonen (schwarze Fäden) oder das Heitere (gelbe, blaue Fäden). Am Ende entsteht für mich so eine Art „Gesamteindruck" des Textes, ich kann es nicht besser beschreiben.
Ob ich mehr an Plot oder an Figuren vorrangig interessiert bin? Auch das ist nicht eindeutig zu beantworten. Meistens geht das Hand in Hand. Bei Erbe der Wölfe, wo die schrägen Figuren sicher im Vordergrund standen, habe ich mich mit dem Plot zu Anfang schwergetan. Ich hatte den Anfang und das Ende: Aber wie sollte das alles zusammenkommen? Wie sollte ich meine Figuren durch den langen Weg des Mittelteils führen? Da haben am Ende dann auch die Ratschläge und das Lektorat von Alisha, meiner Agentin, und Uschi, meiner Verlegerin geholfen, die konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Handlung unterbreiteten.
Ich habe noch nie etwas anderes als Horror – ich bevorzuge die Bezeichnung: Phantastik – verfasst. Halt, stimmt nicht ganz: die Sherlock Holmes-Geschichte, aber auch die war ja irgendwie phantastisch. Was mich daran fasziniert, ist wahrscheinlich das Mysterium, die Ahnung davon, dass es hinter der Alltagswirklichkeit noch eine andere Realität geben könnte, zumindest im fiktionalen Universum. Das löst ein durchaus angenehmes Schaudern bei mir aus, die Nacken- und Kopfhaare stellen sich, das ist gut. Wenn es nicht ekelerregend wird (ich mag keinen Splatter), dann ist dieses geheimnisvolle Er-schauern eines der besten Gefühle, die man – literarisch – kriegen kann.
Was eine Geschichte ausmacht, die einen Preis verdient: eine spannende, hintergründige Story, dann gute Charaktere und natürlich eine Sprache, die nicht so klingt, als habe das Ganze ein Zehntklässler oder Chat GPT geschrieben.
In diesem Sinne drücke ich allen Geschichten, die es verdienen, den Vincent Preis zu erhalten, die Daumen.