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... Christine Schlicht über Zeichnen mit der Hand und PC und wie man sich präsentiert

Christine Schlicht ... Christine Schlicht über Zeichnen mit der Hand und PC und wie man sich präsentiert

Nachdem wir uns in der letzten Woche mit Hans Peter Roentgen über die Möglichkeiten von Autoren unterhielten, sich mittels eines Exposés und der ersten vier Seiten eines Skripts auf sich aufmerksam zu machen, haben wir uns in dieser Woche einmal entschlossen, eine Zeichnerin nach den Möglichkeiten in ihrer Branche zu befragen. Unsere Wahl fiel auf Chris(tine) Schlicht.

Zauberspiegel: Du bist ja Teilzeit-Illustratorin und Cover-Zeichnerin mit festem Brotjob. Im ersten Interview mit dem Zauberspiegel hast Du Dich darüber erleichtert gezeigt. Welche Möglichkeiten siehst Du theoretisch, dass man als Illustratorin überleben kann?
Christine Schlicht: Für mich selbst nach wie vor keine und ich werde auch nicht daran arbeiten, das zu ändern. Dabei fehlt es mir weder am Willen noch (wie ich meine) an der Fähigkeit, alles zu zeichnen, was verlangt wird, in der benötigten Qualität. Nur, es ist ein Knochenjob, das sollte man nicht meinen, und meine Knochen machen es ganz einfach nicht mehr mit.
Theoretisch ist es sicher kein Problem, wenn man eine umfassende Ausbildung hat, das Know-How in allen Techniken, eine blühende Fantasie und die Bereitschaft, auch Illustrationen, die überhaupt keinen Spaß machen, mit dem gleichen Herzblut anzufertigen, wie die Sachen die  man „gerne“ macht. Naja, und ein Quäntchen Talent für den unverwechselbaren eigenen Stil ist sicher auch von Vorteil.  

Zauberspiegel: Wir sehen auf der Buchmesse ganze Horden von Zeichnern hektisch hin und her rennen. Man erkennt sie an der Mappe unter dem Arm. Von Zeit zu Zeit sieht man Verlagsmitarbeiter, die diese – sicherlich – mit Herzblut erstellten Mappen in Rekordtempo durchblättern, eine Visitenkarte in Besitz nehmen und verkünden, dass man von Ihnen höre. Hört man von denen? Sind diese dreißig Sekunden ein Weg zum haupt- und nebenberuflichen Illustrator?
Christine Schlicht: Ich bin selbst auf allen möglichen Messen mit der Mappe rumgerannt und habe diesen Weg auch versucht. Und wenn ich diesen hoffnungsvollen Illustratoren allgelegentlich über die Schulter auf die Mappen schaue, dann werde ich auch des Öfteren blass, wenn ich sehe, was da für großartige Sachen dabei sind. Die Konkurrenz ist gigantisch und gut aufgestellt.
Trotzdem – meine Erfahrung ist, dass sich dieser Weg nicht lohnt. Man rennt sich die Füße platt,  hat schmerzende Schultern von der schweren Mappe und es schwirrt einem der Kopf. Aber die Verlagsleute haben auf diesen Messen irre viel um die Ohren und sehen wasweißichwieviele Dutzend Mappen in dieser Zeit…. Wenn die nachher auf die Visitenkarten schauen, dann erinnern sie sich nicht mehr, welches Bild, das sie vielleicht beeindruckt hat, zu welcher Karte gehörte.
Abgesehen davon haben die großen Verlage meist auch schon einen eigenen Stamm von Grafikern und Leuten, die sie für ihre Projekte heran ziehen. Vor allem freie Mitarbeiter oder entsprechende Büros. Es ist schwer, sich da auch noch einzumischen. Da muss man schon wirklich viel Eindruck schinden oder eben mit seinen Sachen genau in die Nische passen, für die sie gerade niemanden an der Hand haben.

Zauberspiegel: Was kann ein Zeichner/Illustrator tun, um auf sich aufmerksam zu machen? Siehst Du neue Wege?
Christine Schlicht: Wenn man schon auf einer Messe Karten verteilt hat, dann ist es elementar, das, was man vorgelegt hat, auch auf einer eigenen Internetseite zu haben – wegen des vor genannten Wiedererkennungswert. Da erinnert sich vielleicht einer, dass da was Besonderes dabei war – wie soll er denjenigen anhand der Visitenkarten identifizieren?
Besser wäre vielleicht, anstelle der Visitenkarte einen Flyer zu verteilen, auf dem schon mal ein paar Beispielbilder drauf sind. Ist heutzutage ja kein Hexenwerk mehr und kostet auch nicht die Welt. Wäre vielleicht mal ein gangbarer Weg.
Ansonsten bleiben wohl nur die altbekannten Wege: Klinkenputzen,  Mundpropaganda, dran bleiben.

Zauberspiegel: Welche Fähigkeiten muss man heutzutage mitbringen? Reicht klassisches Handwerk (sprich der Umgang mit Stiften, Farben, Pinsel) oder ist der ausgefeilte Umgang mit dem PC und einem Grafik-Tablett unabdingbare Voraussetzung?
Christine Schlicht: Ich gehe mal davon aus, dass es ohne Computer nicht mehr gehen wird. Manchmal bekommt man den Eindruck, dass es den Leuten nur noch nach cleanen Computergrafiken verlangt – perfekt wie ein Computerspiel, so realistisch wie möglich. Da kann man sich als Zeichner, der sich auf Handarbeit beschränkt (oder beschränken muss) manchmal nur noch leise weinend in die Ecke hocken – oder darauf hoffen, dass so manchen Leuten diese saubere Perfektion doch irgendwann auf den Keks geht. So quasi „back to the roots“.
Und es gibt diese Leute, die Handarbeit ist in einigen Bereichen zurück. Es gibt Dinge, da passt ein durchgestyltes Poserbild einfach nicht dazu und diese Lücke gilt es für die Handarbeiter zu füllen. Nur leben kann man davon alleine nicht mehr.
Daher sollte man trotzdem in der Lage sein, wenigstens ein bisschen mit dem Computer umzugehen. Die Bilder müssen digitalisiert und druckfähig gemacht werden – das ist das mindeste. Man muss sich ja nicht gleich mit Animation beschäftigen, aber es ist von Vorteil, wenigstens die gängigen Grafikprogramme zu beherrschen – und  wohl auch unabdingbar, wenn man von seiner Arbeit leben will.

Zauberspiegel: Wenn ich mir computergenerierte Zeichnungen ansehe, dann fällt mir oft ins Auge, dass – selbst für mich als Laien - die Proportionen nicht stimmen. Woran liegt das? Ist das ein Mangel der Technik oder eher ein Indiz für einen nicht ausgereiften Umgang des Menschen mit der Technik? Und wo ist die Ursache für die verzerrten Figuren?
Christine Schlicht: Die Technik kann nur so viel wie der Benutzer. Erst kürzlich erzählte mir ein Bekannter (sinngemäß): Ich kann überhaupt nicht zeichnen, aber mit dem Poser kann ich trotzdem tolle Bilder für meine Zwecke machen.
Um mal ein Beispiel aus meinem eigentlichen Beruf zu bemühen, da ich ja auch nur „nebenbei“ zeichne: Den Katalog der Baumschule in Händen zu haben reicht nicht aus, um eine perfekte Bepflanzung für den Garten zu planen. Man sollte schon ein bisschen Grundlagenwissen haben – wie man wo welche Pflanzen für welches Klima und welche Standorte benutzen kann. Dann wird der Garten zur Augenweide. Dazu bedarf es neben einem grünen Daumen (das Quäntchen Talent) einer Ausbildung und Erfahrung. Und doch scheint jeder, der einen Blumenkübel auf dem Balkon hat, zu glauben, dass er es besser kann als der Gärtnermeister oder der Gartenarchitekt.
Poserfiguren kann man auch weit über die natürlichen Gegebenheiten bewegen – da kugeln sich schon mal bei einem Schwertarm die Schultern aus. Wenn man nicht ein bisschen Ahnung von Anatomie hat, bemerkt man das nicht – da hilft dann auch die beste Kleidertextur nicht mehr, um zu vertuschen, dass man unrealistisch arbeitet.
Für ein wirklich perfektes Bild wirkt so viel zusammen – Komposition der einzelnen Bildbestandteile, das Licht und die Schatten, die Bewegungen, die Beziehungen der Figuren zueinander (es ist befremdlich, wenn zwei mit Schwertern aufeinander einprügeln, sich dabei aber nicht mal ansehen. Nur so als Beispiel) und noch vieles mehr – wenn nur eine Komponente nicht passt, wirkt es auf den Betrachter eigenartig. Er kann meist nicht genau sagen, was es ist, aber es „gefällt“ eben einfach nicht.
Da ist es wie mit dem Pflanzenbeispiel – es bedarf einer Ausbildung und Erfahrung, um es perfekt hinzubekommen. Sonst wirken die Computerbilder nur auf den ersten, flüchtigen Blick toll und lebensecht – aber eben nur wie fotografierte Schaufensterpuppen – klinisch rein und tot.    

Zauberspiegel: Meinst Du, dass gerade in der Fantasy der gemeine deutsche Illustrator und Zeichner mit den international arrivierten Künstlern mithalten kann?
Christine Schlicht: Nicht nur in der Fantasy, in allen Bereichen. Es gibt eine Menge deutsche Zeichner, die sich vor der ausländischen Konkurrenz nicht verstecken brauchen. Ganz gewiss nicht.
Das Problem ist wohl eher, dass so vieles vom Ausland zu uns rüber schwappt, das hier nur übersetzt vermarktet wird. Natürlich auch mit allem grafischen Beiwerk. Wir machen hier keine Trends, wir warten darauf, von anderen Märkten erobert zu werden, so dass nichts Eigenes kommt, das von deutschen Illustratoren aufgepeppt werden kann. Wir rennen den Trends hinterher, damit kann man natürlich dann nicht so gut punkten im internationalen Vergleich.

Zauberspiegel: Was sind die neuesten Trends beim Zeichnen? Wohin geht der Weg?
Christine Schlicht: Also, meine Kristallkugel ist leider erblindet und meine hellseherischen Fähigkeiten sehr beschränkt. Ehrlich, wenn ich Trends erkennen könnte, dann wäre ich jetzt schon dran, was vorzuarbeiten.
Ich habe auch mal gedacht, dass Computerspielfiguren das Nonplusultra sind – wenn ich aber sehe, wie die Halbwertzeiten dieser Trends sind und sich viele plötzlich wieder an klassischer Handarbeit erfreuen können, dann gehe ich mal davon aus, dass die Trends sich eher innerhalb der Inhaltsthemen verändern oder in der Kombination verschiedener Ausdrucksformen, aber nicht in der Art, wie sie „untermalt“ werden.
Von High-Fantasy zu Urban-Fantasy zu Harry Potter zu romantischen Vampiren zu Science Fiction hin und wieder zurück – zu jeder Richtung passen alle Arten der Illustration und es gibt für alle Arten Fans, die die ein oder andere Art bevorzugen.
Ich würde mir wünschen – wirklich nur ein Wunsch, keine Vorhersage, das überlasse ich den Wetterfröschen – dass die Reizüberflutung mal ein bisschen abnimmt und wieder „einfachere“ Dinge bevorzugt werden.

Zauberspiegel: Besten Dank für das Interview...
Christine Schlicht: Immer wieder gern, ich danke euch.

Wer ist Christine Schlicht?

Geboren wurde Chris(tine) Schlicht 1968 in Frankfurt am Main und lebt jetzt mit ihrem Mann und den zwei Töchtern in Waldems bei Wiesbaden.
Lehrberuf war Gärtner im Garten- und Landschaftsbau. Dieses Fach studierte sie dann und ist heute als Diplom-Ingenieur  Fachrichtung Landespflege in der Stadtplanung beschäftigt.
Nebenbei arbeitet sie als Illustrator und Handoutzeichner für das Rollenspiel „Cthulhu“ und erstellt die Cover und Innenillustrationen für die Romanreihe Saramee im Atlantis-Verlag.
Und noch so Einiges mehr, was auf ihrer Homepage http://www.dreamspiral.de  besichtigt werden kann.

Kommentare  

#1 Laurin 2010-02-21 03:23
Ich sag es mal ehrlich, ich mag die "Handarbeit" in der Form eines Jonny Bruck oder Lonati.
Mit vielen der sterilen Computer-Covern kann ich nicht viel anfangen (da gibt es vielleicht mal eines oder zwei von Hundert, das mich positiv beeindruckt). :sigh:
#2 Beate Rocholz 2010-02-22 12:08
Mal einen Blick hinter die Kulissen "erhaschen" zu können, finde ich grandios. Danke für dieses Interview und danke vor allem Dingen Christine Schlicht, die zudem ein paar tolle Tipps weitergeben konnte.
Ich selbst hatte einst den wahnsinnigen Traum, Romanautorin zu werden, die ihre eigenen Bücher illustriert. Na ja, zumindest Illustratorin wäre schon mal nicht schlecht gewesen. Doch es ist - wie im Artikel bereits erwähnt - schwer, davon zu leben ...
Und ich kann gut verstehen, wenn Christine Schlicht von einem "Knochen"job schreibt. Wer nie gezeichnet hat, kann sich leider nicht vorstellen, wie viel Zeit und wie viel Liebe in einer Illustration steckt bzw. stecken kann.
Ich selber zeichne auch (als Hobby) und werde erst kommende Woche in die Welt eines Grafik-Tabletts eintauchen. Für einen Zeichner eröffnen sich dadurch natürlich Arbeitsmethoden, die vorher nicht möglich waren (ein falscher Strich und Du drückst einfach auf Rückgängig, verschiedene gezeichnete Ebenen und wenn Dir eine nicht gefällt, löschst Du sie und machst eine neue auf etc. etc. etc.).
Dann ist da natürlich die Gefahr, dass man sich zu sehr auf die digitalen Effekte verlässt, wie von Christine gut dargestellt. Einfach nur vorgefertigte Figuren nehmen und sie "irgendwie" posen lassen, ist gefährlich und man muss wissen, was man da eigentlich tut bzw. welches präzise Ziel man dabei vor Augen hat.
Ich hoffe, es nimmt mir jetzt an dieser Stelle niemand übel, aber ich würde hier gerne die Gelegenheit nutzen und auch ein wenig auf meine Wenigkeit aufmerksam machen. Erst vor ca. einem halben Jahr habe ich meine Zeichnungen online gestellt. Es würde mich sehr freuen, wenn der ein oder andere sich auf meine Seite verirren würde: www.eglizai.de/galerie_beate/
#3 Laurin 2010-02-22 17:08
#2 suelidia:

Hab mich nun mal auf deine Seite verirrt und muß sagen, es gefällt! :-)
#4 Beate Rocholz 2010-02-23 12:11
#3 Laurin:

Das freut mich wirklich sehr! :roll:
#5 Draco 2011-01-30 07:27
:-x Da hat sie beim Zeichenunterricht entweder geschlafen oder nicht zugehört, die gute Frau Schlicht. Insofern geht das mit dem "leise weinend in der Ecke hocken" in Ordnung. Es gibt für Leute, die visualisieren können, handwerklich überhaupt keinen Unterschied zwischen "Computerbildern" wie sie das nennt, und den althergebrachten Techniken.Aber so ist das, wenn Amateure sich über die Kunst auslassen.

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