... Britta van den Boom über Schreiben, Herausforderungen und Ikarus
: Schreiben ist für mich einer der roten Fäden, die sich schon immer durch meine kreativen Tage ziehen. Ich habe einen Pappkarton mit Geschichtsfragmenten, die ich noch auf der uralten Schreibmaschine meiner Mutter getippt habe. Geschichten zu spinnen ist mir demnach über die Jahre wirklich "treu" geblieben.
Ich glaube, das was ich am Schreiben so spannend finde, ist, dass es die einzige Form von Telepathie ist, die wir alle anwenden können. Ich habe etwas in meinem Kopf - eine Welt, Personen, eine Geschichte, Szenen und Orte - und ich kann dafür sorgen, dass all das in mehr oder minder gleicher Form in den Kopf des Lesers kommt. Und ganz so, als würde dieser Zauber auch angewendet werden wollen, gibt es von jeher Geschichten, die ich wirklich aufschreiben will, die förmlich zum Papier drängen. Es ist dann leicht, sich hinzusetzen und selber in dieses parallele Universum einzutauchen und darin herum zu wandeln, sich von dem, was dort geschieht, überraschen zu lassen. Ein bisschen wie eine Urlaubsreise in eine andere Welt Das ist etwas ganz anderes als Auftragsarbeiten, die auch viel Spaß machen können und meine Inspiration auf andere Weise anfachen. Demnach würde ich sagen, dass Schreiben selber auch eine Menge Facetten hat und jede ihren eigenen Stellenwert.
Da meine vielen Geschäftigkeiten oft in zeitlicher Konkurrenz zueinander stehen - sie ringen um die freien Stunden ebenso wie um die vorhandene Energie -, kann ich nicht immer alles mit gleicher Intensität tun. Es gibt Zeiten, in denen ich nur schreibe, aber nichts zeichne, in denen ich singe, aber nichts "werkeln" kann. Wenn eines dieser Schaffensfelder zu lange brach liegt oder zu viele Dinge gleichzeitig an meinem kreativen Rockzipfel hängen und meine Aufmerksamkeit wollen, dann wünschte ich mir zuweilen, ich könnte mich mehr auf eine Sache konzentrieren. Schreiben in seinen verschiedenen Formen ist jedoch immer sehr präsent, auch wenn die Zeit knapp ist.
: Ich habe ziemlich früh angefangen, auch SF zu lesen - wobei ich über lange Jahre mehr zu Fantasy geneigt habe. Es zu schreiben ist mir aber nur bedingt in den Sinn gekommen - vermutlich habe ich mich unbewusst genau von dem abhalten lassen, was Du sagst, nämlich von der Männerdomäne, als hätte ich dort als Autorin nicht viel zu suchen. Darüber hinaus dachte ich auch, dass man ein sehr fundiertes Technikverständnis braucht, um SF schreiben zu dürfen und gar nicht erst damit anfangen sollte, wenn man nicht die Funktionsweise eines Fusionsantriebes aus dem Stand heraus schlüssig erklären kann. Irgendwann habe ich dann natürlich bemerkt, dass fast alle Autoren sich etwas zurecht zaubern, nach dem Motto "Herr Ingenieur, Sie wissen ja, wie das geht, machen Sie das..." und es so auch funktioniert. Und kein Physikprofessor kommt vorbei und erklärt einem empört, dass das alles Blödsinn ist. Letztlich kommt es bei SF ja genau auf das gleiche an wie bei jedem anderen Genre: dass die Geschichte spannend ist, die Charaktere überzeugen können und es einfach unterhaltsam ist. Wirklich angefangen SF zu schreiben habe ich dann mit Rettungskreuzer Ikarus. Ich war erst nicht sicher, ob mir das gefallen würde und ob ich in dem Genre richtig bin. Jetzt muss ich mittlerweile feststellen, dass ich deutlich lieber SF schreibe als Fantasy, eine Kehrtwende, die mich zuweilen noch immer erstaunt.
: Fantasy zu schreiben kam wie von selbst, einfach durch die Tatsache, dass ich so viel davon gelesen habe. Praktisch an Fantasy ist, dass einfach alles irgendwie gemacht werden kann, da man sich aus einem nahezu unerschöpflichen Topf an Möglichkeiten bedient: andere Rassen, Götter, Magie, andere Dimensionen - , gerade wenn es um High Fantasy geht. Low Fantasy wiederum ist, etwas grob gesagt, die Chance, einen historisch anmutenden Roman ohne die Notwendigkeit der Recherche realer Hintergründe zu schreiben. Vielleicht ist das Genre deswegen so beliebt. Auf gewisse Weise finde ich das Schreiben von Fantasy deswegen entspannend, aber auch nicht ganz so herausfordernd.
Horror wollte ich nie schreiben und im Grunde bin ich überrascht, dass ich es nicht nur gemacht habe, sondern es sogar ausgesprochen spaßig war. Ich bin absolut kein Fan von Horror, habe nie die einschlägigen Filme gesehen, keine entsprechende Literatur gelesen und bin in meinem Freundeskreis für eine ausgeprägt Zombie-Antipathie bekannt. Somit bin ich zu den beiden von dir erwähnten Horror-Projekten auch mehr zufällig gekommen. Als ich die Möglichkeiten für Zamorra und Vampir Gothic bekam, konnte ich mir nicht wirklich vorstellen, wie ich das schreiben sollte, aber ich dachte: "Nun, ganz ohne Grund wird dir dieses Angebot jetzt nicht begegnen, also nimm es, das wird bestimmt interessant". Was dann ja auch stimmte. Gerade bei Vampir Gothic hatte ich nach anfänglichem Zögern besondere Freude an den nicht so lieblichen Szenen.
Ich glaube, im Grunde schätze ich es, wenn ich bei einem neuen Projekt kurzzeitig auf dünnem Eis stehe und mir nicht sicher bin, wie ich das schaffen werde. Das ist wohl auch der Sinn einer Herausforderung. Es ist etwas zwiespältig, denn eigentlich weiß ich gerade bei Auftragssachen lieber, dass ich nicht zuviel verspreche und etwas Gutes abliefern kann. Andererseits aber langweilt es mich sehr, sich ähnelnde Sachen zu machen und die werden dann uninspiriert. Es ist ein manchmal etwas beunruhigender Tanz zwischen Sicherheit und der Faszination von etwas Neuem. Aus der Sicht heraus war gerade das Genre Horror ein überaus erfreulicher Ausflug in neue Gebiete. Ich werde mich aber sicher nicht häuslich darin einrichten.
: Die gibt es, auch wenn sie nicht sehr spannend ist. Mein sehr auffälliger Nachname und die Tatsache, dass mein Bruder Dirk sich bereits als Schriftsteller etabliert hatte, machte ein Pseudonym nötig. Ich wollte nicht "Ach, die Schwester vom Dirk" sein, zumindest nicht auf den ersten Blick. Brandt kommt von meiner allerersten Kindheitsfreundin, von der ich nicht mal mehr den Vornamen weiß, seltsamerweise aber den Nachnamen. Ich war da wirklich noch sehr klein. Eigentlich wollte ich dazu den friesischen Vornamen Friedericke nehmen. Aber als ich bei meinem Bruder zu Besuch war, telefonierte er mit irgendeinem Redakteur, es ging um die Anfänge von Rettungskreuzer Ikarus, und er sagte "Ja, die andere Autorin, Sylke Brandt, steht neben mir." Damit war die Sache festgelegt. Sylke ist mein zweiter Vorname, das lag also nahe. Ich bin mit der Kombination sehr zufrieden, sie ist schlicht und einfach. Sich selber einen neuen Namen auszudenken ist ohnehin insgesamt ein etwas seltsames Unterfangen
: Dirk ist für meinen Weg als Schriftstellerin sehr wichtig, denn er hat vor allem in der Anfangszeit etwas Unersetzliches getan: Er hat mir in den Hintern getreten. Und er tut es heute noch. So profan es klingt, ohne das wäre nie etwas von mir veröffentlicht worden. Ich habe immer geschrieben, aber stets für die Schublade oder für einen sehr kleinen Kreis von Freunden. Dirk hat nicht abgewartet, ob ich irgendwann selber auf den Gedanken kommen würde, ein größeres Publikum anzusteuern, er hat mich einfach geschnappt und eingespannt. Ja, das wirkt etwas übergriffig, aber es ist genau das, was ich brauchte. Ich denke zuviel, Dirk handelt. Ich zweifle, Dirk vertraut. Auch eben meinen schriftstellerischen Fertigkeiten. Eine nahezu klassische Rollenverteilung. Dirk brachte mich als zweite Autorin mit ins Ikarus-Team und an der Serie mitzuwirken, hat mich viel gelehrt, vor allem, dass Projekte sich wirklich realisieren lassen und nicht im Verborgenen bleiben müssen - das habe ich dann auch als Sicherheit mit in die Projekte genommen, an denen Dirk nicht beteiligt war.
Was die Zusammenarbeit angeht, so ist die dann sehr locker. Gerade bei Rettungskreuzer Ikarus gibt es ziemlich knappe Exposés und dann heißt es "mach mal". Wenn es nicht ein unmittelbares Problem gibt, kommt es bis zur Fertigstellung des Romans zu keinen weiteren Absprachen, und das ist sehr angenehm und frei.
Hin und wieder hatten Dirk und ich den Gedanken, mal zusammen einen Roman zu schreiben. Doch bisher hat das zeitlich und organisatorisch nicht geklappt - wir haben einfach beide zu viele Sachen auf dem Tisch .
: Ganz ehrlich, dazu kann ich nicht annähernd so viel sagen wie Dirk. Ich bin erst zu Rettungskreuzer Ikarus gekommen, als die Planung schon abgeschlossen war, und ich habe mir anfangs keinerlei Gedanken darüber gemacht, wie lang die Serie werden würde. Ich bin allerdings rückblickend sehr beeindruckt, dass es jetzt bald 50 Bände sind. Dass es keine Fortsetzung einer alten Serie war, kam mir übrigens nie bemerkenswert vor. Natürlich ist auch Rettungskreuzer Ikarus nicht frei von Traditionen, die die Serie beeinflussen, aber es gibt so viele Ideen in dem Team, warum sollte man sich auf etwas stützen, das schon mal da war?
: Ich glaube, ich habe schon die ungewöhnlichen Themen bekommen - und ich habe sie geliebt. Wobei es genau der Effekt ist, den ich oben beschrieben habe, als es um Horror ging: jedes Mal, wenn ich das neue Exposé sah, war ich erstmal leicht erschüttert. Gerichtsthriller? Cyberpunk? Parodie? Das war mir alles neu, da schwamm mir der Boden unter den Füßen. Und nach der ersten Überraschung hat es mich dann fasziniert und ich habe es wirklich gerne geschrieben. Für das Anande-Komplott bin ich sogar zu einer Gerichtsverhandlung gegangen, um zu sehen, wie es da wirklich abläuft. Ich glaube, mein erster "richtiger" SF-Roman in der Serie mit klassischem Setting waren dann "Die Movatoren", und da ich bisher nur ganz andere Themen hatte, war der für mich auch etwas Besonderes. Mit "Schlacht um Vortex Outpost" bin ich dann ins nächste kalte Wasser gesprungen, denn das war reine Military-SF mit einer großen Raumschlacht, auch noch der einen Endschlacht des Zyklus - da habe ich mich schon ziemlich unter Erwartungsdruck gesetzt. Und wieder hat mir das sehr gut getan. Mal sehen, was für Ausnahmefälle mit der Zeit noch dazu kommen werden
: Das wechselt ein bisschen von Zeit zu Zeit. Ich glaube, ich habe ein Herz für die Figuren, die von anderen etwas links liegen gelassen werden. Anande mochte ich stets gerne, und ich versuche An'ta, die ansonsten ziemlich über ihr Aussehen definiert wird, mehr auszubauen und Einblicke in ihre Gedankenwelt zu geben. Beide sind Charaktere, die nicht ganz einfach sind und keine spontanen Sympathieträger, sie sind etwas schroff an den Kanten, das reizt mich. In die gleiche Kategorie gehört eine Figur, die ich selber eingeführt habe: Skyta, die Söldnerin der Schwarzen Flamme, deren Hintergrundgeschichte in dem neuen Zyklus etwas klarer wird und die sich damit auch endlich von einer schablonenhaften Nebenfigur in einen echten Charakter verwandeln kann.
Es gibt auch Personen, die mir nicht so liegen - Weenderveen konnte mich von jeher wenig locken, auch aus der Sicht von Sentenza schreibe ich selten, ebenso Sonja DiMersi - sie passen schlichtweg nicht so gut zu mir oder ich zu ihnen, je nachdem Und bei anderen Charakteren, wie zum Beispiel Jason und Shilla, die von Irene Salzmann eingeführt wurden, bin ich zurückhaltend.
: Nein, der zweite Zyklus wird deutlich kürzer, sonst müssen wir ja spätestens ab dem vierten Zyklus unsere Kinder als Autoren ins Rennen schicken ;-) Die Geschichte und die Hintergründe des neuen Zyklus stammen hauptsächlich von mir und meinem Mann, mit dem ich den Plot gesponnen habe, die genaue Ausarbeitung der Exposés und auch der Details vor allem im weiteren Verlauf hat jedoch wiederum Dirk gemacht, von ihm kommen viele spannende Ideen, wie genau sich die Geschichte erzählen lässt. Zudem gibt es Erzählstränge, wie zum Beispiel über den von mir nicht sonderlich geliebten Schurken Professor Botero, die nicht von mir sind, die Gesamtstory aber mit entscheiden.
Ich muss gestehen, dass ich in den letzten Monaten ein bisschen den Faden verloren habe, was die aktuelle Umsetzung des neuen Zyklus angeht, da ich - zum Glück nur bildlich gesehen - bis zum Hals in Babywindeln und Milchbrei versunken bin. Ich habe bisher selber nur den Roman "Gesandtschaften" geschrieben, weiß aber, dass alle anderen Autoren umso fleißiger waren
: Ungewohnt. Und auf gewisse Weise auch modern, denn wenn ich an einige Romane denke, die ich in letzter Zeit gelesen habe, so kann man die Hauptfigur häufig nicht mehr den "Helden" nennen. Die Grenzen zwischen den Guten und den Bösen sind teilweise ziemlich fließend geworden, man trifft sich auf einer Ebene der verschiedenen Grautöne . Sigam Agelon ist ein sehr klassischer Charakter, der in der Originalserie natürlich als Gegenspieler von Rex Corda nicht allzu sehr beleuchtet worden ist. Ihn hier in den Mittelpunkt der Miniserie zu stellen bot die Möglichkeit, seine Motivationen zu erklären - es reicht heute einfach nicht mehr zu sagen "der ist halt böse, weil er böse ist". Der Charakter von Sigam Agelon wird von Ehrgeiz und Skrupellosigkeit bestimmt und es war eine Herausforderung für mich, das zu schreiben. Ich will meine Charaktere mögen und es ist schwer, das bei Sigam zu tun, weil er so problemlos über Leichen geht, Bündnisse bricht und stets komplett egoistisch handelt. So jemanden will man nicht als Feind, aber auch ganz sicher nicht als Freund haben. Sich für kurze Zeit auf diesen Charakter einzustellen war spannend, aber an einer 50bändigen Serie über ihn hätte ich nicht gerne mitgeschrieben - nicht, dass letztlich noch etwas von ihm auf mich abfärbt, weil ich mich zu sehr mit seiner Art des Denkens beschäftigt habe! Und das ist nur halb scherzhaft gemeint, denn um einen Charakter schreiben zu können, muss ich mir schon vorstellen, wie er so "tickt", also kratze ich an meinen eigenen dunklen Facetten. Auf Dauer ist das nicht empfehlenswert.
: Ich weiß es nicht . Aufgefallen ist mir das aber auch schon. Ich bin damals über Dirk dazu gekommen, habe dann aber alle Absprachen natürlich direkt mit Werner K. Giesa gemacht. Das war damals ziemlich hoppla-hopp und ich hatte wenig Zeit, mich einzuarbeiten, ein Exposé zu verfassen und den Roman zu schreiben - ich glaube, insgesamt war das nicht einmal ein Monat für alles zusammen. Es war erstaunlich spannend und hat mir viel Spaß gemacht und ich hätte durchaus gerne noch mehr geschrieben, doch kurz darauf gab es eine Umstrukturierung in dem Autorenkonzept und ein Einmal-Gastautor wie ich hatte da keinen Platz mehr. Ich habe das bedauert, aber ich freue mich, wenn mir "mein" Zamorra beim Herumräumen in die Hände fällt.
: Erde 2000 ist eines der Projekte, für die ich mich irgendwie nicht wirklich erwärmen konnte - ich habe einen Roman geschrieben, aber es war irgendwie nicht "meines", und demnach weiß ich auch nicht, was geplant war und wie es weiter gegangen wäre. Ich glaube, man hat letztlich nur eine begrenzte Anzahl an Zimmern für Projekte in seinem Herzen, und als Erde 2000 auftauchte, waren meine gerade alle besetzt, es gab da nur noch eine kleine Kammer, und die hat nicht ausgereicht, um mich mit meinem Roman zufrieden sein zu lassen. Es ist auch nicht einfach, etwas zu einer alten Serie dazu zu schreiben, ich glaube, die Fans haben da eine hohe Erwartungshaltung und wollen früheren Glanz wieder auferstanden sehen, das kann eine ziemliche Hürde sein. Eigentlich mag ich das Konzept von Erde 2000 und vielleicht hätte ich mich noch mehr dafür begeistern können, doch letztlich ist es ja nicht dazu gekommen.
: Ja, ich schreibe an einem Steampunk-Roman und nein, es gibt keinen Erscheinungstermin, was schlichtweg daran liegt, dass ich keine Ahnung habe, wann er beendet sein wird. Bisher habe ich vielleicht ein Drittel geschrieben, auch wenn das Exposé fertig ist, doch meine Schreibzeiten sind aktuell recht begrenzt durch mein Töchterchen, es geht demnach zuweilen sehr schleppend voran. Ich kann auch noch nicht abschätzen, ob ich mit einem Roman die gesamte Geschichte erzählt bekomme oder ob ich noch einen zweiten bräuchte, ich fürchte, da ist alles noch etwas wolkig. Zum Inhalt kann ich sagen, dass ich den Faden aus der Kurzgeschichte "Grünes Feuer", der in der Military-SF-Anthologie "Weltraumkrieger" im Atlantis-Verlag erschienen ist, wieder aufnehme. Der Roman spielt in einem fiktiven Deutschland, gefühlt am Beginn des 20. Jahrhunderts, nach einem nur scheinbar beendeten Krieg. Trotz des militärischen Hintergrundes wird es aber kein klassischer Military-Roman.
Britta van den Boom ...