Wie ein Leonard Hofstadter zu einer Penny kommt 3. Matthias Pöhm oder »Ficken für den Weltfrieden« - 3. 10.) Epilog
Wie ein Leonard Hofstadter zu einer Penny kommt
3. Matthias Pöhm oder »Ficken für den Weltfrieden«
3. 10.) Epilog
„Es wird Nacht, Señorita,
und ich liege auf dir.
Wie du vielleicht schon bemerkt hast,
will ich gar nichts von Dir.“
(Otto Waalkes: „Es wird Nacht, Señorita“)
Die Frage „Wie krieg(e) ich meine alte Freundin zurück?“ beantwortet Pöhm mit: „Indem Sie sich eine Neue suchen“. Damit rät er einem jedoch nicht, auf die Eifersuchtsschiene zu setzen, sondern die Ex gänzlich in die Wüste zu schicken: „Es ist deshalb clever, immer ein Rückzugs- Mädchen im Ärmel zu haben, so daß Sie beim Scheitern zur anderen wechseln können.“
In manchen Zeilen seines Buches macht mir Herr Pöhm wirklich Angst. Vor allem, wenn ich daran denke, daß er Leser und Schüler hat…
Wen scheren schon „Persönlichkeiten“ …
Er bemüht zwar nicht die alten Hawaiianer, wie es sein Kollege im nächsten Kapitel noch tun wird, aber auch er verbindet das Verführen mit einer spirituellen Komponente. Und ja, auch bei ihm spielt der Unterschied von „Selbstbewußtsein“ und „sich seiner selbst bewußt Sein“ eine zentrale Rolle. Allerdings geht es bei ihm in der Quintessenz um „Glück“, das vorübergeht, und um „Glück“, das von äußeren Umständen unabhängig ist. Dieses Kapitel bleibt jedoch ein Fragment, endet es doch mit der Werbung für zwei seiner Bücher zu diesem Thema.
Aber diese Eigen- Reklame bleibt kein Einzelfall. Nur wenig später rät er, sein Buch mehrfach zu lesen, und außerdem sein „Verführungs- Seminar“ zu besuchen, „in dem die Dinge nicht nur intellektuell verstanden, sondern vor allem auch eintrainiert werden“. So endet das Buch dann auch mit einer Kontaktadresse, wo man mehr über diese Veranstaltungen erfahren kann. Ich werde mich hüten.
Aber es bleibt nicht nur bei Esoterik und Marketing. Tatsächlich baut Pöhm eine ganze Ideologie auf dem Anbaggern auf: „Wenn die Leute elegant Frauen verführen könnten, gäbe es weniger frustrierte Männer, die dann Hooligans werden, Bankräuber, Neonazis oder Terroristen… (Es wäre) ein wesentlich wirksameres Mittel zur Eindämmung von Vergewaltigungen, als jede Strafverschlimmerung, als jede Psychotherapie, als jeder Bibelkreis“.
Irgendwelche statistischen Erhebungen oder wissenschaftliche Arbeiten, die seine gewagten Behauptungen untermauern würden, bleibt er schuldig. Stattdessen fährt er fort: „Unsere Welt krankt an der schiefgeleiteten Moral, daß Frauen zu erobern weder erstrebenswert sein darf, noch daß (und das ist noch schlimmer) diese Fähigkeit den Männern beigebracht werden darf.
Es gibt so viel Leid auf der Welt wegen der Unfähigkeit der Männer, eine Frau ihrer Wahl zu bekommen. Schlägereien am Wochenende, Autoraserei mit Unfällen, Rassismus, Firmeneroberungen, Wirtschaftskriminalität, Betrügereien, private Überschuldung, Gewalt in der Partnerschaft, Kriege… Die Mehrzahl der Straftaten zur Erringung von Macht, Einfluß und Ansehen hat frustrierte Sexualität als Hintergrund.
Unsere Welt würde wesentlich friedlicher aussehen, wenn Männer gelernt hätten, elegant Frauen zu erobern.“
Ficken für den Frieden? Eine bessere Welt allein durch Sex? Muß ich das kommentieren? Muß ich erwähnen, daß es auch Hunger und Armut gibt, Selbstbehauptung und Selbstgerechtigkeit, Rechthaberei und Bevorzugung der eigenen Leute, Simonie und Nepotismus? Muß ich erwähnen, daß auch Frauen Straftaten begehen? Muß ich jetzt noch einen kurzen Abriß über Geschichte und Politik, Soziologie und Psychologie anfügen? Nein, denn ich habe meine Kopfschmerz- Tabletten nicht dabei, und außerdem muß ich bis Horst- Hermanns Geburtstag mit diesem Text fertig werden. Darum rate ich jedem, sich selbst mit der Recherche zu befassen; ein wenig diesbezügliches Wissen kann gewiß nicht schaden.
Aber Pöhm findet noch eine weitere Steigerung: „Ich habe eine These, für die ich mich gerne von Feministinnen steinigen lasse: Alle, die wegen Sexualdelikten einsitzen, sollten Sargen (= Erobern von Frauen) Unterricht bekommen.“
Hilfe!
Pöhm mahnt, sein Buch „gelesen zu haben, ohne zu handeln“, würde einen „nicht weiterbringen“. Ich fand es eigentlich recht aufschlußreich, allerdings war es auch nicht mein Ziel, aus mir einen Don Juan machen zu lassen, sondern lediglich, einen Einblick in die Methoden und Denkweise der sogenannten „Pick Up Artists“ zu erhalten.
Aber bleiben wir weiter im Kontext: Der Autor rät, regelmäßig eine Bar aufzusuchen, in der schöne Frauen verkehren, damit man sich „in so einer Umgebung zuhause fühlt“. Man könne sich auch mit Wetten im Freundeskreis zusätzlich motivieren, das Erlernte auch tatsächlich umzusetzen.
Wetten… wie romantisch!
Als zusätzliches Training rät der Verfasser, sich auch dann, wenn man zivil unterwegs ist, Frauen anzugucken, und dabei zu denken: „Dich kann ich auch haben“, „denn Sie müssen vor schönen Frauen keine Angst haben. Sie sind nur Menschen.“
„Nur Menschen?“ In etwa die Hälfte der Weltbevölkerung besteht aus Frauen, doch das Bild, das von Pöhm vermittelt wird, stellt sie meines Erachtens nach nicht auf eine gleichwertige Stufe mit Männern. Vielmehr werden sie präsentiert wie zickiges, wankelmütiges Wild, willenlos den eigenen Launen unterworfen. und mit dem einzigen Lebenszweck, die Herren abblitzen zu lassen. Sie würden vor allem von Macht und Status (und „außergewöhnlichen, guten Schuhen“) angezogen und wollten dominiert werden. Und sie sind anscheinend auswechselbar – Diese Einstellung tritt besonders da offen zu Tage, wo Pöhm empfiehlt, sich nicht mehr um die Ex zu kümmern, gleich wie groß die Liebe gewesen sein mag (von ihm als „rosarot eingefärbte Vergangenheit“ abgetan), sondern sich eine Neue zu suchen. Ja, er geht sogar so weit, seinem Leser zu raten, auch in gutgehenden Beziehungen „immer ein Rückzugs- Mädchen im Ärmel zu haben“.
Dies erinnert mich an einen Vergleich, den ein Mitglied der Band Rosenstolz einmal zum Thema „Treue und Untreue“ angestellt hat: Man könnte als Leibgericht Jägerschnitzel haben, und trotzdem mal Appetit auf Currywurst mit Pommes2. Also Menschen als Nahrungsmittel? Als Konsumartikel, die man nach Belieben benutzen, auswechseln und wegwerfen kann? War da nicht irgendwo noch so etwas wie „Seele“? Zumindest die moderne Neurophysiologie hat nichts dergleichen nachweisen können. Ist also „alles nur Chemie“, wie eine Frau behauptet hat, die ich mit Grund bis auf den heutigen Tag hasse? Wäre all der Schmerz, den man beim Verlust seiner Liebe erleidet, nur krankhafte Eifersucht und Spießigkeit, wie Hedonisten gerne schwarz- weiß- malen? Ist die „Seele“ nichts weiter als ein Hirngespinst, dessen Existenz die moderne Wissenschaft widerlegt hat? Die Antwort würde „Ja!“ lauten, wenn man durch Elektrizität zuckende Froschschenkel als lebendig bezeichnen könnte. Aber das ist bekanntermaßen nicht der Fall…
Pöhm schiebt es auf „die Gesellschaft“, daß sich manche Leute längerfristig aneinander binden, wo „das Universum… hunderte wunderbare potentielle Freundinnen“ bereithalten würde. Als gäbe es hundertmal mehr Frauen als Männer auf der Welt! Die meisten Damen, die Sie und Ihre Spießgesellen benutzen, Herr Pöhm, werden anderen Mitgliedern Ihres Geschlechts künftig mit größerem Mißtrauen, wenn nicht mit Abneigung begegnen. Oder gar der „rosarot verklärten Vergangenheit“ mit Ihnen bzw. einem der Ihren nachhängen, wo Sie sie so gekonnt manipuliert haben, und damit für weitere Beziehungen verloren sein. Ach, wissen Sie was? Da auch ich eine finstere Seite habe, bin ich mal so böse und wünsche Ihnen, Herr Pöhm, daß Sie sich verlieben. Ja, ich kann gemein sein!