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Go West! - 25. Juni 2017

Go WestWieder in den ›Wilden Westen‹
25. Juni 2017

Jedes Jahr führe ich zwei kleine Reisegruppen durch den Westen der USA. Dazu lege ich in Facebook ein Reisetagebuch an, das auch im Zauberspiegel erscheinen soll. Es geht zu legendären Orten des Wilden Westen auf den Spuren von Cowboys, Indianern und eines spannenden Stücks Geschichte. -

Folgt mir ...

Vor dem Cherokee Heritage CenterOklahoma - Das Indianerterritorium, Fort Smith und Richter Parker
Oklahoma war, was vielfach vergessen wird, im 19. Jahrhundert das „Indianer-Territorium“, ein Gebiet, das ursprünglich für jene Indianervölker reserviert sein sollte, die aus ihren Heimatgebieten vertrieben worden waren. (Das Wort „Oklahoma“ kommt aus der Choctaw-Sprache und bedeutet „Rotes Volk“.)

Hinter diesem Vorhaben steckte die absurde Idee, die Indianer von den nach Westen vordringenden weißen Siedlern zu isolieren, ihnen Land zur freien Entfaltung zu überlassen und die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen des ursprünglichen Indianerlandes zu kolonisieren.

Ab etwa 1830, nach dem „Indian Removal Act“, wurden Indianervölker von überall dort, wo sie „im Wege“ waren, nach Oklahoma deportiert. Zunächst waren es die sogenannten „5 zivilisierten Stämme“, die Cherokee, Choctaw, Creek (Muscogee), Chickasaw und Seminolen. Im Laufe der Zeit wurden es mehr und mehr, von Pawnee über Comanchen, von Kiowa über Apachengruppen, von Kaw über Sac-&-Fox. Weder die klimatischen Probleme, noch die kulturellen Gegensätze zwischen den Völkern, die hierher „verpflanzt“ wurden, spielten eine Rolle. Unter zahlreichen Stämmen brachen Krankheiten aus. Völker, die aus fruchtbaren Marschländereien kamen, fanden sich in staubtrockenen Steppen wieder. Andere, deren Heimat Waldgebiete gewesen waren, mußten versuchen, in windgepeitschten baum- und strauchlosen Ebenen zu überleben.

Stämme, die jahrhundertelang miteinander verfeindet waren, lebten plötzlich in enger Nachbarschaft. Um 1840 lebten bereits um die 100.000 Indianer im Territorium. Etwa 15.000 waren ums Leben gekommen.

Das „Indianerterritorium“ wurde unter Präsident Andrew Jackson geschaffen, der bis heute unter den Völkern Oklahomas so sehr verhaßt ist, daß man vermeiden sollte, in den Regionen, wo noch immer viele Indianer leben, mit einer 20-Dollar-Note zu bezahlen – weil sich darauf das Portrait Andrew Jacksons befindet.

Der große Traum der Völker in Oklahoma – am Ende waren es 39 verschiedene Stämme, die hier eine neue Heimat fanden – das Territorium zu einem eigenen Bundesstaat der USA unter indianischer Führung zu machen, scheiterte letztlich, als die Regierung ab Ende der 1880er Jahre das Land Stück für Stück zur Besiedelung öffnete. Ein Versuch, aus dem Indianerterritorium den Bundesstaat „Sequoyah zu machen, wurde 1905 endgültig abgeblockt. 1907 wurde Oklahoma dann regulär als 47. Bundesstaat der USA in die Selbstverwaltung entlassen.

Zu jenen Völkern, die besonders unter Jacksons Deportationspolitik zu leiden hatte, gehörten die Cherokee – die sich heute als der zahlenmäßig größte Stamm der USA bezeichnen.

Ob das so stimmt, sei einmal dahingestellt. Unter Wissenschaftlern gelten die Navajo als das größte Stammesvolk der USA. Fest steht, daß die Cherokee äußerst liberale Bestimmungen haben, wer sich in die Stammesrolle eintragen lassen kann, es reicht der Nachweis einer eher geringfügigen familiären Verbindung.

Wie dem auch sei – die Cherokee gehörten und gehören zu den kulturell sehr starken Indianervölkern, und die Austreibung aus ihren Heimatgebieten im amerikanischen Südosten war eine Tragödie. Der „Weg der Tränen“, den die Cherokee damals gehen mußten, ist bis heute unvergessen und hat vielen Menschen das Leben gekostet.

Dann erreichten sie den Nordosten Oklahomas und wurden sofort mit feindlichen anderen Stämmen konfrontiert, gegen die sie sich wehren mußten.

Es war der Cherokee Sequoyah, der seinem Volk eine der bemerkenswerten kulturhistorischen Leistungen bescherte, die Entwicklung einer eigenen Schriftsprache. Die Cherokee verfügten damit als erstes nordamerikanisches Indianervolk über ein eigenes Alphabet. Sequoyah gründete auch die erste eigene indianische Zeitung in Nordamerika. Er gilt heute als eine der bedeutendsten historischen Persönlichkeiten in der amerikanischen Geschichte.

Wir steuerten heute das Cherokee-Gebiet an und erreichten die Hauptstadt des Stammes, Talehqua. Die Cherokee haben sich seit ihrer Zwangsansiedlung in Oklahoma bestens akklimatisiert. Sie betreiben neben einem großen Kasino zahlreiche hochprofitable Tourismusprojekte. Die Érträge stecken sie u. a. in den Bau von Straßen und das Ausbildungswesen und fördern auch traditionelle Kulturprojekte.

In Talequa gibt es ein bemerkenswertes Museum, vor allem aber ein prähistorisches Cherokee-Dorf, das die Lebensweise dieses Volkes dokumentiert, bevor der weiße Mann auf dem Kontinent erschien

Hier werden die traditionellen Wohnformen gezeigt. Interpreten demonstrieren die Fertigung von Waffen und Werkzeugen. Man wird Zeuge von Elementen der alten Lebensweise.

Sachkundige Cherokee-Führer geleiten die Besucher durch das Dorf.

Meine Fotos zeigen den Eingang des Heritage Centers, sowie Szenen aus dem prähistorischen Dorf mit Ballspielern, einem Macher von steinernen Pfeilspitzen, einem Bogenschützeh, der Demonstration eines Blasrohrs und die wunderschöne Statue eines Tänzers vor dem Gebäude. (Bild 391-398)

Wir setzten unsere Fahrt dann fort bis zum Arkansas River, der zugleich die Grenze zwischen den Bundesstaaten Oklahoma und Arkansas bildet.

Hier liegt die Stadt Fort Smith, die aus einem alten Militärposten hervorgegangen ist. Fort Smith war ein bedeutender Flußhafen der Region. Von hier aus sicherte die US-Armee die Grenze zum „Indianerterritorium“.

In den 1870er Jahren zog das Bundesgericht für den „Westlichen Distrikt von Arkansas“ – wie es offiziell hieß, von Van Buren in die Armeegebäude von Fort Smith ein. Damit begann ein besonderes Kapitel der Pioniergeschichte, das diese Region bis heute prägt.

Zum Bundesrichter und damit zur höchsten gesetzlichen Instanz in diesem Gebiet wurde 1875 Isaac Charles Parker ernannt, ein ehemaliger Kongreßabgeordneter, den man in Washington loswerden wollte, weil er zu indianerfreundliche Ansichten vertrat.

Die Regierungsbürokratie hoffte vermutlich, daß der gerade 36jährige Jurist an der schier übermenschlichen Aufgabe, Gesetz und Ordnung im Indianerterritorium herzustellen, zerbrechen würde. Wenn es so war, sollte Parker seine Gegner enttäuschen.

Parker räumte radikal und konsequent mit der Korruption seiner Vorgänger auf, heuerte eine regelrechte „Armee“ von Deputy US Marshals an – um die 120 Männer trugen für Parker den Stern – und vollzog ein diszipliniertes, bestens organisiertes Arbeitspensum seines Gerichts.

Im Laufe seiner Amtszeit von 21 Jahren bearbeitete er nicht weniger als 13.500 Fälle.

Sein Prinzip war es: Jeder Angeklagte hatte ein Recht auf einen fairen Prozeß in einer kurzen Zeit; ein Festhalten von Verhafteten über Monate, wie es vor seinem Amtsantritt gewesen war, sah er als unmenschlich und kontraproduktiv für die Durchsetzung von Recht und Gesetz an.

In einem Interview äußerte er: „Jeder Beschuldigte ist unschuldig, bis seine Schuld bewiesen ist. Er hat ein Recht auf ein schnelles Verfahren. Erweist er sich als schuldig, muß er konsequent verurteilt werden. Es muß für jeden ersichtlich sein, daß das Gesetz für jeden gilt und daß jemand, der eine Straftat begeht, nicht davonkommt.“

Allerdings ging Parker in erster Linie als „Hängerichter“ in die Justizgeschichte der USA ein. Er fällte im Laufe seiner Amtszeit nicht weniger als 160 Todesurteile, von denen 76 tatsächlich im Hof von Fort Smith vollstreckt wurden.

Dabei war Parker ein Gegner der Todesstrafe. Er äußerte öffentlich: „Die Todesstrafe ändert niemanden und sie verhindert auch keine Verbrechen.“ Aber er hielt sich buchstabengetreu an das Gesetz, das für Mord und einige andere Delikte den Galgen vorsah. (Vergessen wird gern, daß er rd. 5.000 Freisprüche verkündete.)

Dieser persönliche Gegensatz zwischen dem, was er als seine Pflicht als Richter ansah und seiner persönlichen Einstellung ließ ihn früh altern und machte ihn krank. Seine harten Urteile, bei denen er sich an die gesetzlichen Vorgaben hielt, verfolgten ihn. Er betonte immer wieder: „Nicht ich habe diese Täter gehängt, es war das Gesetz.“

Mit 58 Jahren war er ein Mann, der schwer von seinen Erfahrungen gezeichnet war. Die tagtägliche Gewalt, der er in seinem Gericht begegnete, hatte ihn gebrochen. Äußerlich überspielte er seine innere Zerrissenheit mit stoischer Ruhe und Disziplin. 1896 wurde das Bundesgericht in Fort Smith geschlossen und die Zuständigkeit auf zahlreiche kleinere Distrikte verteilt . Kurz danach starb Parker, aber noch immer lange Jahre der Spruch: „Es gibt keinen Gott westlich von Fort Smith.“

In der Tat – das Indianerterritorium blieb „die letzte Grenze“, wo der „Wilde Westen“ sich noch einmal aufbäumte.

Überfälle auf Farmen und kleine Ortschaften, Straßenräubereien, Überfälle auf Postkutschen und Eisenbahnen, Schießereien. Räuberbanden, die von Oklahoma aus Plünderungne in benachbarten Staaten wie Kansas vornahmen und sich dann wieder zurückzogen. Das alles war Alltag in Oklahoma bis fast zur Jahrhundertwende.

Die letzten Banditen des Wilden Westens fanden in Oklahoma Unterschlupf, die Daltons, die Doolins, die Rufus Buck Bande, und andere.

Sie machten sich die instabile Situation eines „Territoriums“ zunutze. Ein solches Gebiet unterstand juristisch vollständig der Regierung in Washington. Der Gouverneur wurde vom Präsidenten ernannt. Es gab nur sehr begrenzte Selbstverwaltungsbefugnisse. Lokale Beamte wie Marshals und Sheriffs gab es entweder noch nicht oder hatten eingeschränkte Kompetenzen.

Die volle Polizeigewalt lag bei den US Marshals, die dem jeweiligen Bundesrichter unterstanden. In keinem Territorium der USA gab es je mehr US Marshals als in Oklahoma. Richter Parker in Fort Smith führte mit seiner Truppe einen regelrechten Feldzug gegen das überbordende Verbrechen.

Zwar setzte er formal eine juristische Ordnung durch, aber sein Versuch, die Kriminalität auszurotten, scheiterte trotz seiner drakonischen Urteile.

Wenn man das Gerichtsgebäude betritt, umfängt den Besucher noch immer eine bedrückende Atmosphäre. Der „Gefängnissaal“, anders kann man den großen Kellerraum nicht bezeichnen, in dem Dutzende von Gefangenen auf dem nackten Boden schliefen, gibt kaum einen Eindruck von den Verhältnissen in den 1880er und 1890er Jahren wider. Es muß eine Atmosphäre des Chaos und der Verzweiflung gewesen sein. Die Luft war vermutlich kaum zu atmen; denn es gab für die vielen Häftlinge nur wenige Eimer, in denen sie ihre Notdurft verrichten konnten. In winzigen Zellen am Rande des Saales konnten sie sich mit ihren Anwälten treffen. Dreck, Gestank und Gewalttätigkeit beherrschten dieses „Höllenloch“, wie es von Beobachtern genannt wurde.

In Parkers Gerichtssaal herrschte eine geschäftige, professionelle Atmosphäre. Stunde um Stunde handelte der Richter einen Fall nach dem anderen ab, hörte Zeugen und Angeklagte, verhängte Urteile – und die Akten neuer Fälle wuchsen ständig nach.

Meine Fotos zeigen das Gerichtsgebäude, Parkers Gerichtssaal, den Gefängniskeller, der als "Höllenloch" verschrien war, und den Galgen. (Bild 399-403)

Parker heuerte etwa 200 Männer als Deputy US Marshals an, um Recht und Gestz durchzustzen. Etewa 60 davon starben in Ausübung ihres Dienstes. Zu den berühmtesten gehören Männer wie Bill Tilghman und Heck Thomas.

Der bedeutendste schwarze US-Marfshal in der amerikanischen Geschichte war Bass Reeves, ein ehemaliger Sklave.

Entsprechend der bedeutenden Rolle, die Isaac Charles Parker den US Marshals bei der Durchsetzung von Recht und Gesetz im Oklahoma-Territorium zukommen ließ, ist es logisch, daß der US Marshal Service das nationale Museum dieser 1789 gegründeten Bundespolizei in Fort Smith errichten läßt.

Die Eröffnung dieses Museums ist für 2019 angekündigt.

Mein Foto zeigt die grandiose Skulptur von US Marshal Bass Reeves und die Gedenktafel für ihn. (Bild 404-405)

Wir besuchten dann den Oak Cementery. Hier liegen zahlreiche US Marshals bestattet, u. a. auch eine Frau, die angeblich für Richter Parker den Stern trug.

Wenn man von Osten kommend nach Fort Smith hineinfährt, überquert man den Arkansas River an derselben Stelle, an der einst die US Marshals in das gefährliche Oklahomagebiet aufbrachen, in der Tasche ein Bündel Haftbefehle, die sie sich von Parkers Gericht abgeholt hatten. Und über diese (inzwischen natürlich erneuerte) Brücke kehrten sie mit ihren Gefangenen zurück – wenn sie nicht im Dienst ihr Leben verloren hatten.

Da die US-Marshals keinen Lohn erhielten, sondern nach der Zahl der erfüllten Haftbefehle bezahlt wurden (2 Dollar pro Verhafteten plus Meilengeld), taten sich irgendwann mehrere Marshals zu kleinen Aufgeboten zusammen und fuhren mit „Gefängniswagen“ durch das Territorium. Zum einen mußten sie damit das Risiko der Verfolgung von Verbrechern nicht mehr allein tragen, zum anderen konnten sie gleich immer mehrere Kriminelle stellen und dem Gericht zuführen, was für eine bessere Bezahlung sorgte.

Es war für die Beamten im Übrigen – entgegen den Klischees von Filmen und Romanen – weitaus günstiger, gesuchte Banditen lebend abzuliefern. Wenn sie gezwungen waren, Straftäter zu erschießen, wurde in der Regel untersucht, ob ihre Handlung gerechtfertigt gewesen war, und es konnte ihnen passieren, daß sie für die Beerdigung der Toten aus eigener Tasche aufkommen mußten.

Eine ziemliche realistische Darstellung des Lebens der Parker-Marshals findet sich in dem Film „True Grit“ mit John Wayne.

Meine Fotos zeigen verschiedene Grabsteine von Deputy US Marshals und mich neben dem Stein von Addison Beck. (Bild 406-410)

 


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