Die Brüder Grimm und ihre Welt - Die Grimmwelt: Von Ärschlein bis Zettel
Die Brüder Grimm und ihre Welt
Die Grimmwelt: Von Ärschlein bis Zettel
Jacob Ludwig Karl (1785-1863) und Wilhelm Carl (1786-1859), das sind die beiden Brüder, von denen die Rede ist, wenn man von den "Gebrüder Grimm" spricht. Sie wurden als die beiden ältesten Brüder in Hanau in eine evangelisch-reformierte Familie geboren [Ergänzung: Jacob wurde am 04. Januar 1785 geboren - zu dem Zeitpunkt war der vor ihm geborene Bruder Friedrich Hermann Georg bereits gestorben, Wilhelm folgte im Februar 1786]. Der Vater, Sohn eines reformierten Pfarrers, arbeitete als Amtmann und wurde in dieser Funktion von Hanau nach Steinau an der Straße versetzt. Dort verbrachten die beiden Grimms auch ihre Jugend, besonders bei „Tante Schlemmer“, der verwitweten Juliane Charlotte Friederike Schlemmer, einer Schwester des Vaters. Sie hatte selbst keine Kinder und war die Erste, die Jacob Grimm systematisch an das Lesen und Schreiben heranführte. Es heißt, die beiden Jungen hätten sehr an der Tante gehangen, immerhin stand die kinderlose Witwe - anders als die Mutter der beiden Grimms mit ihren neun Kindern und dem bürgerlichen Haushalt - für die beiden Jungen zur Verfügung. In Steinau lebte sie mit im Haushalt der Familie Philipp Wilhelm Grimm und unterstützte so die Frau des Hauses.
Als der Vater Philipp Wilhelm 1796 starb, stellte sich für die aus Kassel stammende Mutter Grimm in Steinau die Frage, wie sie die berufliche Zukunft der Kinder - auf jeden Fall der Jungen - sicherstellen konnte. Es waren neun Kinder aus der Ehe hervor gegangen, von denen zur Zeit des Todes des Vaters außer Jacob (11 Jahre alt) und Wilhelm (10 Jahre) noch die Kinder Carl Friedrich (9 Jahre), Ferdinand Philipp (8 Jahre alt), Ludwig Emil (6 Jahre) und Charlotte Amalie (3 Jahre) lebten. Für eine Witwe ohne großen finanziellen Rückhalt war das eine Katastrophe. Die Familie musste die bisherige Heimat verlassen, da es sich bei dem Haus um eine Dienstwohnung handelte, Geld war knapp. Hier war es ebenso die Tante Schlemmer, die finanziell unterstützte.
Es würde die Sache schon sehr erleichtern, wenn die beiden ältesten Söhne gut versorgt sein würden. Aus diesem Grund schickte Dorothea Grimm ihre beiden ältesten Söhne, Jacob und Wilhelm, nach Kassel. Dort lebte damals noch ein Teil der Familie von Dorothea, unter anderem eine Tante, bei der die beiden Jungen lebten. Die Tante sorgte für den Alltag und für die schulische Bildung. Die beiden Jungen besuchten das "Lyceum Fridericianum", eine hoch geachtete Schule, machten ihren Abschluss und schrieben sich danach als Studiosi der Juristerei in Marburg/Lahn ein. Die Auswahl des Studienfachs geschah auf Wunsch des verstorbenen Vaters.
Die Kasseler Jahre waren im Leben der Grimms sehr prägend, nicht nur, weil sie dort die Schule besuchten und ihr Abitur machten. Sie hielten sich in der Stadt von 1798 bis 1802 auf (Schulzeit) und kehrten 1806 nach Abschluss ihres Studiums nach Kassel zurück. Die Mutter war inzwischen mit den Kindern ebenfalls nach Kassel gezogen, und der Bruder Ludwig Emil besuchte nun seinerseits das Lyceum. Ludwig Emil (1790-1863) ist der jüngere Bruder der beiden, der in Kassel an der Kunstakademie studierte und später als Maler, Zeichner und Illustrator wirkte. Und unter anderem auch eine Ausgabe der Kinder- und Hausmärchen illustrierte, vermutlich die berühmteste der Ausgaben dieser Märchen.
Jacob und Wilhelm reisten während des Studiums, unter anderem besuchte Jacob 1805 auch seinen früheren Juradozenten Savigny, der zu der Zeit in Paris war, und arbeitete mit ihm an dessen literarischen Arbeiten. Es war auch während dieser Trennung, dass die beiden Grimms beschlossen, nach Jacobs Rückkehr eine Lebensgemeinschaft aufzunehmen.
Kurz nach ihrer Rückkehr nach Kassel erlebten sie die Einnahme der Stadt durch die französischen Truppen und die Einsetzung von Jérôme Bonaparte zum König des neu gegründeten Königreichs Westphalen mit der Regierungshauptstadt Cassel. Dabei war die "Einnahme" eher unspektakulär. Der damalige Kurfürst Wilhelms hatte den Plan verfolgt, es sich weder mit Preußen noch mit Paris zu verderben und versuchte, in Beziehungen zu Preußen zu bleiben und sich gleichzeitig nicht mit Napoleon zu verbünden. Dies gelang nicht, und Kassel wurde ohne Widerstand am 1. November 1806 von den französischen Truppen eingenommen. Der Kurfürst war übrigens zu dem Zeitpunkt schon weit weg (zu Kurfürst Wilhelm und seinen Plan siehe auch: Ein Schiffsjunge geht von Bord - siehe dort Cassel unter den Franzosen).
Zunächst, vor dem Einzug der Franzosen, hatte Jacob eine Stelle als Verwaltungsbeamter im Sekretariat des Kriegskollegiums gehabt. Unter der französischen Verwaltung arbeitete er - er sprach Französisch, das machte ihn interessant für die neuen Machthaber - in der Kommission für die Verpflegung der Soldaten. Allerdings fand Jacob, den während seines Studiums bereits eine ganz andere Leidenschaft gepackt hatte, dies bald zu langweilig und ... kündigte.
In Marburg hatten Jacob und Wilhelm nämlich durch den schon genannten Professor für Jura Friedrich Carl von Savigny aus dessen Freundeskreis verschiedene Vertreter der romantischen Autoren- und Dichterbewegung kennengelernt (darunter Clemens Brentano und Achim von Arnim), dies hatte auch ihr Interesse für die deutsche Sprache und Literatur begründet. In der Tat hatten sie "Blut geleckt". Als Teilnehmer des Freundekreises um Savoigny und auf dessen Fürsprache hin hatten die beiden damit begonnen, sich anonym an der Liedersammlung "Des Knaben Wunderhorn" zu beteiligen, die Clemens Brentano und Achim von Arnim begründet hatten. Die erste Nähe zur Sammlung von Erzählungen und Geschichte war begründet worden.
Jacob fand nach seiner Kündigung eine neue Stelle: als Vorsteher der Privatbibliothek des Königs Jérôme von Westphalen (des Bruders von Napoleon, 1784-1860) auf Schloss Wilhelmhöhe bei Kassel. Im Frieden von Tilsit (1807) war aus Braunschweig, Kurhessen, hannoverschen und preußischen Gebietsteilen das virutelle Königreich Westphalen geschaffen worden. Als einstige Residenz der Landgrafen und Kurfürsten von Hessen-Kassel machte man Kassel zur Hauptstadt, und die Wilhelmshöhe zur Residenz seines Königs. Diese Tätigkeit als Vorsteher der Bibliothek brachte mehrere Vorteile mit sich: Man war nicht nur in Lohn und Brot, man war auch in Nähe zu den wertvollsten Büchern, die Jacob und Wilhelm für ihre eigenen Studien benutzen konnten. Sie hatten nämlich mittlerweile damit begonnen, Volkslieder, Märchen und Sagen zu sammeln - die den Grundstock für ihre Märchensammlung bilden sollten.
Auch wenn die Franzosen weniger lange bleiben sollten als diese gehofft hatten - bereits 1813 konnte Wilhelm I. in sein Kurfürstentum zurückkehren. Zu dem Zeitpunkt hatten sich die Grimms bereits einen gewissen Ruf erarbeitet.
In Kassel lebten und arbeiteten sie über 30 Jahre, auch wenn sie es 1829 in Richtung Göttingen verließen ... sie würden zurückkehren, wenn auch unter ganz anderen Bedingungen.
Die Grimmwelt: Von Ärschlein bis Zettel
Ende Teil 1
Kommentare
Dem link bin ich auch gefolgt. Das hat natürlich was, in so einem alten Schätzchen zu blättern. Klasse.
Bin auf den zweiten Teil gespannt.
Nur eine Frage: Im Artikel wird zweimal erwähnt, dass Jacob und Wilhelm die ältesten Kinder waren bzw. die ältesten Brüder.
Zitat: Sie wurden als die beiden ältesten Brüder in Hanau in eine evangelisch-reformierte Familie geboren."
Wie geht das überein mit Carl Friedrich? Der wäre nach dem Satz oben dann der Älteste gewesen.
Oder bringe ich da was durcheinander?
Thomas
Hi Thomas,
nein, du bringst gar nichts durcheinander ... das durcheinander bin ich. Ich bin einfach zu doof für simple Mathematik.
Jacob wurde am 04. Januar 1785 geboren - zu dem Zeitpunkt war der vor ihm geborene Bruder Friedrich Hermann Georg bereits gestorben, Wilhelm folgte im Februar 1786, Carl Friedrich im April 1787.
Ich habe es korrigiert. Danke für den Hinweis.
Gruß,
Bettina
zitiere BettinaM.:
Okay, alles klar. Ansonsten sollte ich vielleicht mal sagen: Der Artikel hat mir gut gefallen - sonst hätte ich ihn nicht so aufmerksam gelesen. Ich sollte tatsächlich erst mit Lob anfangen und erst dann beckmessern ....
Thomas