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Das historische Kalenderblatt - 31. Mai 1916 - Johann Wilhelm Kinau fällt am Skagerrak

Das historische Kalenderblatt31. Mai 1916
Johann Wilhelm Kinau fällt am Skagerrak

Johann Wilhelm Kinau? Wer ist denn das? Kenn ich den? – Eines der bekanntesten deutschen Schiffe erinnert an Johann Wilhelm Kinau. Die »Gorch Fock«, das 1958 gebaute Segelschulschiff der Bundesmarine ist nach ihm benannt (wie auch schon der 1933 gebaute Vorgänger), denn Gorch Fock war ein Pseudonym von Johann Wilhelm Kinau. Darunter schrieb er das Plädoyer für Schifffahrt und Fischerei, dass unter dem Titel »Seefahrt ist Not« erschien.

 

Das Haus der Kinaus auf FinkenwerderDarüber hinaus schrieb er nicht nur als »Gorch Fock«, sondern auch unter »Giorgio Focco« und »Jakob Holst« Gedichte und Erzählungen für Hamburger Zeitungen.

Als Schriftsteller trat sein jüngerer Bruder Rudolf »Rudl« Kinau in seine Fußstapfen. Dessen erstes Werk war der Nachruf auf seinen Bruder. Rudl Kinau wurde in der Folge zum populärsten und bis heute produktivsten Schriftsteller in plattdeutscher Sprache. Zudem prägte er über 40 Jahre auch die Sendung »Hör mal 'n beten to« im Radio...

Die Kinaus sind eine (Hochsee-)Fischerfamilie von der Elbinsel Finkenwerder, denen es besser ging als vielen, was aber nicht heißt, dass hart gearbeitet werden musste. Die Insel liegt vor den Toren Hamburgs und mittlerweile kein romantisches Fischerdorf mehr ist, sondern ein Stadtteil von Hamburg. Das alte Finkenwerder muss man schon suchen. Esist nicht mehr so leicht zu finden. Siedlungen bestimmen das Bild. Dazu das Airbuswerk und der Transitverkehr in Richtung Elbtunnel. Aber im ausgehenden 19. Jahrhundert war Finkenwerder noch ein Dorf. Viele verdienten ihr Geld mit Hochsee- und Elbfischerei. Ein hartes Brot, dass Johann Wilhelm als Gorch Fock in »Seefahrt ist Not« sehr pathetisch heroisierte.

Die Eltern Heinrich Wilhelm und Metta KinauJohann Wilhelm wurde am 22. August 1880 geboren, sein Bruder Rudolf am 23. März 1887 (er kroch aus dem Grünkohl, weil im März der Klapperstorch noch nicht zurück war, wie er schmunzelnd in seiner Döntjes erzählte). Insgesamt waren es sechs Kinder in der Familie. Johann Wilhelm ging zur Schule und mußte dort vom ersten Tag an eine Fremdsprache erlernen: Hochdeutsch. Ein Umstand, den sein Bruder später für amüsante Erzählungen nutzte. 
 
Johann Wilhelm Kinau Johann Wilhelm wollte unbedingt Ewerführer auf der Elbe werden, aber der Vater beschloss, dass die Konstitution des Jungen dafür zu schwach und der zu kränklich für den harten Job war. Ewer sind Segler, die auf der Elbe und den Nebenflüssen Fracht transportierten. Ein Knochenjob auf der Elbe, der iel Kraft erforderte, denn hier wirken Wind Strömung und Tiede zusammen und machen das Leben schwer.
 
Rudolf KinauStatt einer Karriere auf dem Fluß wurde Johann Wilhelm 1895 zum Onkel nach Geestemünde geschickt. Dort absolvierte er eine kaufmännische Lehre. 1897/98 absolvierte er die Handelsschule in Bremerhaven. Bevor Johan Wilhelm 1904 nach Hamburg zurückkehrte, um dort als Buchhalter bei der Hamburg Amerika-Linie zu arbeiten, hatte er mehrere Stellen in Bremen und eine in Halle (Saale).

1904 begann er Gedichte und Erzählungen zu schreiben, die zumeist in Finkenwerder Plattdeutsch (»Finkwarder Platt«) verfasst waren. 1913 erschien schließlich sein bekanntestes Werk »Seefahrt ist Not«. Dabei folgten viele seiner Leimotive Theodor Storm, wie Robert Wohlleben nachwies. Das ganze Werk, dass lange Zeit unter lesenden norddeutschen Jungen ausgesprochen beliebt war, ist heute kaum noch lesbar. Der seinerzeit gefragte Pathos (den Kinau mit seiner eigenen Sehnsucht nach der Seefahrt noch speiste) macht den Text mehr als sperrig. Wegen des Pathos passte der Roman später auch prima in das Konzept nationalsozialistischer Propaganda.
 
1908 hatte Johann Wilhelm geheiratet. Mit seiner Frau hatte er drei Kinder. Als der 1. Weltkrieg ausbrach, wurde Johann Wilhelm Kinau 1915 eingezogen und kämpfte als Infanterist (im Reserve Inf.-Rgt. 207) in Serbien und Russland, später dann bei Verdun. Doch der Krieg bot ihm eine Chance als Seemann.

S.M.S WiesbadenWilhelm II., der deutsche Kaiser, hatte ein Lieblingsspielzeug. Seine Flotte. Sie sollte England auf den Weltmeeren Paroli bieten. Dieser Flotte verdanken wir unter anderem die heute noch erhobene Sektsteuer, denn diese wurde zur Finanzierung seines Flottenbauprogramms herangezogen. Die Steuer hat bis heute die Weimarer Republik, das 3. Reich und die Bonner Republik überlebt und wird auch noch in der Berliner Republik des wieder vereinten Deutschlands erhoben. Da sieht man, dass sich einmal eingeführte Abgaben durchaus halten können.

Aber dieses Lieblingspielzeug zog nun im Krieg Jan Wilhelm Kinau aka »Gorch Fock« an. er, der einst nicht Ewerführer auf der Elbe werden durfte, sah nun die Chance zur See zu fahren.  Im März 1916 wechselte er vom Heer zur Marine und heuerte auf der »Seiner Majestät Schiff« S.M.S. Wiesbaden an. 
 
Am 31. Mai 1916 und 1. Juni 1916 gab es die größte Seeschlacht des 1. Weltkriegs und zugleich das einzige wirklich große Gefecht  des Kaisers Lieblingsspielzeugs. In Deutschland ist es die  »Schlacht am Skagerrak«, für die Engländer die »Battle of Jutland« Es galt die Blockade der Engländer zu brechen und vor Norwegens Küste einzelne britische Verbände zu stellen und die Handelsschiffahrt zu stören. Und so lief des Kaisers Flotte und wurde von den Engländern gestellt.  In unseren Schulgeschichtsbüchern wurde die Schlacht unentschieden gewertet. Die Engländer hatte die Deutschen aufgehalten. Die Deutschen waren durch den Rückzug in die Ostsee der Vernichtung entgfangen. Friedrich Leonardsberger wird im Zauberspiegel vielleicht einmal die Schlacht nachzeichnen. 
 
Es wurden 14 englische Schiffe  mit über  100.000 t versenkt.  Die Briten beklagten über 6.000 Tote.  Des Kaisers Flotte  verlor 11 Schiffe (über 60.000 t) und hatten Verluste von 2.551 Mann zu beklagen. Unter ihnen Johann Wilhelm Kinau.
 
Die Wiesbaden lag während der Schlacht unter Feuer und bekam einen Torpeotreffer ins Heck. Sie sank am 1. Juni um 2:45 Uhr. Ein einziger Überlebender der Wiesbaden wurde am 3. Juni 1916 von einem norwegischen Dampfer gerettet. Es war der Oberheizer Zenne.
 
Gorch Focks GrabKinaus Leichnam und weitere Tod wurde im Laufe des Juni an der schwedischen Küste angespült. Es wurde auf der Schäre Stensholmen ein kleines, von einer Feldsteinmauer eingerahmtes Gräberfeld angelegt, das auch heute noch zu finden ist, sich aber in keinem guten Zustand befindet.
 
Für seinen Bruder Rudolf war der Tod des Bruders der Auslöser für die eigene Schriftstellerkarriere. Der Nachruf auf Gorch Fock war sein erstes Werk. Und 1928 gab er seine Stelle bei der HAPAG auf und wurde freier Schriftsteller. Bis zu seinem Tode war er als Autor tätig.. Ausschließlich auf Plattdeutsch. Insbesondere die kurze Form lag ihm. Viele seiner Erzählungen tragen autobiographische Züge. Seine Kindheit und Schulzeit, seine Lehrzeit wurde zum Thema seiner Geschichten. Auch einige Theaterstücke gehören zu seinem Schaffen. Zu seinem Achtzigsten Geburtstag führte das Ohnsorg Theater seine Stück »Söbentein Sack Kaffee« auf. Der Jubilar selbst erzählte vor dem Stück eine halbe Stunde kleine Döntjes (Geschichten) aus seinem Leben . Teil dieser halben Stunde war folgender Dialog (viel Spaß beim Übersetzen)...
Eenmol sitt ick in de Iesenbohn un de Mann em vöröver seggt:
Ach, Sie sprechen plattdeutsch.
Jo, segg ick, ick snack platt.
Immer? Nee, geef ick to Antwoort, blots wenn ick wat seggen will. Un denn ganz toletzt no´n lütte Pause, frogt he wedder: Aus Prinzip?
Nee, ut Finkwarder.
 
              
Bilder
Historisches Hamburg
Das Grab von Jan Wilhelm Kinau fotografiert von Uwe Jürgens auf dem Europäischen Segel Informationssystem
dazu Bilder aus der Wikipedia

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