Das historische Kalenderblatt - 22. Juni 1910 - Geburt von Konrad Zuse
Geburt von Konrad Zuse
»Wenn die Computer zu mächtig werden, dann zieht den Stecker aus der Steckdose.« Konrad Zuse zur Macht der Computer
Konrad Ernst Otto Zuse, Sohn des preußischen Postbeamten Emil Zuse und dessen Ehefrau Maria, wurde am 22. Juni 1910 in Berlin geboren. In seiner beruflichen Karriere war er Statiker bei den Henschel-Flugzeug-Werken, Erfinder und Entwickler, Firmeninhaber in Berlin und Hünfeld (Rhön), schließlich Berater und freier Mitarbeiter. Daneben Autor von Fachliteratur und sogar Maler.
Zuse wuchs nur die ersten beiden Jahre in Berlin auf, 1912 zog die Familie nach Braunsberg in Ostpreußen, sicherlich aus Gründen der Arbeit des Vaters, der im mittleren Postdienst war. Nach der Grundschule wechselte Konrad Zuse auf das Braunsberger Gymnasium, das altsprachlich orientiert war. Für den jungen Konrad, der viel mehr Spaß an Technik, Stahlbaukästen und am "Basteln" hatte, zeigte sich rasch, dass dies nicht das Richtige war. Neben diesem Technikinteresse wurde auch bald deutlich, dass Konrad Zuse gerne malte und zeichnete.
Als Vater Emil Zuse 1923 die Möglichkeit erhielt, die Leitung eines Postamtes zu übernehmen, ein nicht zu unterschätzender Karriereschritt, zog die Familie erneut um, dieses Mal nach Hoyerswerda in der Niederlausitz, in der Nähe von Bautzen und an der heutigen deutsch-polnischen Grenze. Dort hatte Konrad die Möglichkeit, das dortige Reform-Real-Gymnasium zu besuchen. Diese Schulform bot im Gegensatz zu den altsprachlichen, humanistisch ausgerichteten gewohnten Gymnasien die Möglichkeit, sich stärker auf naturwissenschaftliche Fächer zu konzentrieren. Dies war genau das Richtige für den Jungen, der einmal von sich sagte, er habe angefangen Rechenmaschinen zu bauen, da er zu faul zum Rechnen gewesen sei. Er hat in dieser Zeit viele Konstruktionen (nach)gebaut, vor allem mit dem Stabilbaukasten.
Nach seinem Abitur 1928 zog es Zuse wieder zurück nach Berlin, dieses Mal zum Studium. Er begann das Studium des Maschinenbaus an der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg, wechselte die Fächer mehrmals, bevor er im Bereich Bauingenieurwesen blieb. Grund für diese Wechsel war offenbar die Tatsache, dass er in den verschiedenen Studiengängen das Gefühl hatte, sich mit seinen Ideen und Visionen zu wenig frei entwickeln zu können.
Schließlich schloss er sein Studium in der Abteilung für konstruktiven Ingenieurbau an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg 1935 mit dem Diplom-Hauptexamen ab. Seine ersten Berufserfahrungen sammelte er bei den Henschel-Flugzeug-Werken in Berlin-Schönefeld, wo er als Statiker arbeitete.
Schon während des Studiums und auch später während seiner Tätigkeit als Statiker fiel ihm auf, dass baustatische Berechnungen immer wieder nach gleichen Mustern und Gesetzmäßigkeiten abliefen. Zuse begann darüber nachzudenken, ob es keine Möglichkeit gäbe, diese Berechnungen durch eine Rechenmaschine abzukürzen und für den Menschen so die Möglichkeit zu schaffen, sich von den Stereotypen zu entlasten. Es gibt eine Tagebuchaufzeichnung aus dem Jahre 1937, wo er schreibt: Seit etwa einem Jahr beschäftige ich mich mit dem Gedanken des mechanischen Gehirns.
Diesen Gedanken setzte er in die Tat um. Im Wohnzimmer der Eltern, die inzwischen ebenfalls wieder in Berlin lebten, begann Zuse zu bauen. In den Jahren nach dem Studium (1935 bis etwa 1938) arbeitete Konrad Zuse an seiner Rechenmaschine, die noch vollständig mechanisch funktionierte.
Bei der Z1 handelte es sich um eine Rechenmaschine, die programmierbar war, und enthielt bereits alle Bausteine eines modernen Computers, zum Beispiel einen Speicher oder Mikrosequenzen. Wer mehr über die technischen Details wissen möchte, wird auf der Website von Konrad Zuses Sohn fündig (URL siehe Artikelende). Angetrieben wurde diese Rechenmaschine durch einen Staubsaugermotor. Es entstand eine Rechenmaschine, die in ihrer Größe beispielsweise an historische Stadtmodelle erinnert, die in vielen Stadtmuseen stehen.
Nach der Z1 entstand die Z2, die Zuse offenbar dazu nutzte, die Relaistechnik zu testen. Für uns technisch Minderbegabte: Das Relais ist ein Elektromagnet, der als ein elektrisch steuerbarer Schalter funktioniert. Vereinfacht ausgedrückt ist es ein magnetisierbarer Stab, um den man eine Drahtwicklung macht. Leitet man dann Strom durch die Wicklung, entsteht ein Magnetfeid um den umwickelten Stab, , mit dem Stromkreise ein- und ausgeschaltet werden können.
Im Inneren des Relais befindet sich eine Spule, die bei Stromdurchfluss zu einem Elektromagneten wird. Es ist also ein Elektromagnet, der entsteht, wenn man durch eine Drahtwicklung mit einem magnetisierbaren Querstab einen Strom leitet. Die eigentliche Relaisfunktion kann der Elektromagnet übernehmen, wenn er in einen anderen Stromkreislauf gedockt wird, den er dann - je nach Aufgabe - schließt oder unterbricht, und so steuert.
Diese Versuche Zuses erwiesen sich als erfolgreich. Zuse stellte fest, dass er die gewünschten Ergebnisse mit Hilfe dieser Methode erreichen konnte, und beschloss, ganz auf sie zu setzen. Das eigentliche Nachfolgemodell zur Z1, die Z3, baute auf der Relaistechnik auf. Damit war der Schritt von der mechanischen zur elektronischen Maschine vollzogen.
Die Z3 wurde 1941 fertig gestellt und wurde
der erste funktionsfähige, frei programmierbare, auf dem binären Zahlensystem (Gleitkommazahlen) und der binären Schaltungstechnik basierende Rechner der Welt.1
Voll funktionsbereit und betriebsfähig dokumentiert dies den Beginn dessen, was wir heute auf unseren Schreibtischen prominent stehen haben. So ist es Konrad Zuse zu verdanken, dass es heute den virtuellen Zauberspiegel gibt.
Die Konstruktion der Z3 sorgte für nicht wenig Interesse. 1941 gründete Zuse in Berlin ein Ingenieurbüro, die Zuse-Apparatebau, in dem 20 Mitarbeiter tätig waren, und in der zentralisierten Wirtschaft und Wissenschaft war es ihm als einzigem Unternehmer erlaubt, Rechner zu entwickeln. Konrad Zuses Haltung und Einstellung zum Regime wurde immer wieder thematisiert. Es ist, wie auch bei Wernher von Braun die Frage, ob und in welchem Maße Entdecker, Forscher und Erfinder losgelöst von Fragen der Ethik sind, und in welchem Maß sie sich zu Handlangern von tyrannischen, despotischen Mächten machen. Anders als Wernher von Braun blieb Konrad Zuse die Entscheidung, in welchem Maß seine Forschung die Leben von Menschen kostete, in den Zeiten des Dritten Reiches erspart. Seine Erfindung wurde zwar vom Luftfahrtministrium gefördert, galt jedoch als nicht (kriegs)wichtig genug, um konsequent vorangetrieben zu werden.
Konrad Zuse schreibt selbst zu diesem Thema:
Nur zu oft ist der Erfinder der faustische Idealist, der die Welt verbessern möchte, aber an den harten Realitäten scheitert. Will er seine Ideen durchsetzen, muss er sich mit Mächten einlassen, deren Realitätssinn schärfer und ausgeprägter ist. In der heutigen Zeit sind solche Mächte, ohne dass ich damit ein Werturteil aussprechen möchte, vornehmlich Militärs und Manager. ... Nach meiner Erfahrung sind die Chancen des Einzelnen, sich gegen solches Paktieren zu wehren, gering.2
Auch der Z3 blieb die Zerstörung nicht erspart. Bis auf eine Zeichnung ist von der Originalmaschine nichts erhalten. Zuse versuchte, die Z3 patentieren zu lassen. In Deutschland 1941 genehmigt, kam es nach dem Krieg zu umfassenden gerichtlichen Auseinandersetzungen mit anderen Unternehmen, die ihrerseits eine Erfindung für sich geltend machten (z.B. Triumph und IBM). Wäre es in der Zeit des Dritten Reiches und des Krieges Zuse möglich gewesen, mit anderen Computerkonstrukteuren (z.B. in den USA) zu kooperieren, wäre hier vermutlich vieles anders verlaufen.
Ebenso, wenn Zuse nach dem Krieg seine "Plankalkül" hätte patenteren lassen, seine Entwicklung einer Programmiersprache, mit der er bereits um 1945 begonnen hatte. Sie stellte einen weiteren wichtigen Schritt dar. Ihre Aufgabe sollte es sein Maschinen zu ermöglichen, die nicht nur Rechenaufgaben lösen sollten, sondern kombinatorische Aufgaben angehen konnten.
Als klar wurde, dass Berlin fallen würde, flüchtete Zuse. Es gelang ihm, zur Gruppe um Wernher von Braun zu stoßen, und mit ihr nach Bayern zu gelangen. In Zuses "Gepäck" befand sich der Rechner Z4, der erhalten bleiben konnte. In Berlin fertiggestellt 1944, neu aufgebaut 1945 mit Lochstreifensystem augestattet, arbeitete Zuse an der Z4 in seiner neu gegründeten Zuse KG. Zunächst in Neukirchen, später dann in Bad Hersfeld entwickelte Zuse weiter.
Die Z4, die an die Eidgenössische Technische Hochschule in Zürich ging, war zu diesem Zeitpunkt der einzige funktionsfähige Computer in Europa. Es folgte der Z5 (1950 gebaut und im Leitz-Werk Wetzlar bei der Linsenberechnung im Einsatz), sowie weitere Rechner für verschiedene kommerzielle und öffentliche Zwecke. 1955 war die Z55 der erste Rechner mit Röhrentechnik.
Mit den Entwicklungen und Aufträgen wuchsen auch die Kosten für die Rechner mehr und mehr. Programmierbare Rechner waren damals noch zu exotisch, um als sichere Investition zu gelten, und Zuse geriet in finanzielle Schwierigkeiten. Bis 1964 war die hessische Firma, die in ihrer Zeit unglaubliche hundert Millionen Mark mit ihren Rechnern verdiente, im Besitz von Konrad Zuse und seiner Frau. Als sich die finanziellen Schwierigkeiten häuften, Kredite versagt wurden, stieg Konrad Zuse zunehmend aus der Firma aus und widmete sich seinen Hobbies, nicht zuletzt der Malerei.
Er erwies sich immer wieder als Kritiker seiner eigenen Erfindungen, der die Macht der Computer - und viel stärker noch den Umgang des Menschen damit - kommentierte (siehe auch oben):
Die Gefahr, dass der Computer so wird wie der Mensch, ist nicht so groß wie die Gefahr, dass der Mensch so wird wie der Computer.3
1967 kam es in den Patentrechtsverhandlungen zu der Entscheidung, dass niemand ein Patent auf die Erfindung des Computers erhalten könne, denn die "Erfindungshöhe" sei nicht hoch genug für eine solche.
Konrad Zuse starb am 18. Dezember 1995 in Hünfeld bei Fulda.
1 Horst Zuse auf www.zuse.de/
2 Konrad Zuse: Der Computer - Mein Lebenswerk. Springer, Berlin 1993
3 Konrad Zuse in der Hersfelder Zeitung Nr. 212, 12. September 2005
- wichtige und zentrale Quelle, Website des Sohnes von Konrad Zuse, Horst Zuse: www.zuse.de/
- www.kurt-pauli-stiftung.de
- Konrad Zuse Computermuseum Hoyerswerda - www.spirit-of-zuse.de
- www.cczwei.de/index.php?id=issuearchive&issueid=111
- wikipedia.de
- Deutsches Historisches Museum Berlin - www.dhm.de
- Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik Berlin - http://www.zib.de