Wenn sich heute Millionen von Menschen weltweit an der "Hochzeit des Jahrhunderts" ergötzen, Taschentücher benetzen oder Hochzeitsgäste bewundern, dann geht es um die Trauung von William und Kate.
Und da ich es ausgesprochen langweilig finde darüber zu sinnieren, wie lang die Schleppe ist, oder wo die beiden ihre Hochzeitsreise verbringen, quäle ich Interessierte mit einigen Gedanken und Einblicken in die Geschichte und Herkunft des Bräutigams - Yellow Press Reloaded.
William, Sohn des designierten Thronfolgers Charles und dessen verstorbener Frau Lady Diana Spencer, stammt aus dem Hause Windsor - und damit in mehr oder weniger direkter Linie aus nicht nur einem deutschen Adelsgeschlecht: Zunächst ist er ein Nachkomme des (Fürsten-)Hauses Sachsen-Coburg und Gotha. Seit 1901 besetzen die Nachfahren dieses Fürstenhauses den britischen Thron.
Dabei war dieser im Grunde mehr ein nomineller, denn ein biologischer Wechsel der Herrscherfamilien: Der erste britische König aus dem Hause Sachsen-Coburg-Gotha, König Eduard VI. (Kg von 19011910), war ein Sohn der legendären Queen Victoria (Kgin 18371901) - einer Nachfahrin des Hauses Hannover.
Mit einer weiblichen Herrscherin, auch wenn aus einer Ehe Nachkommen entstammen, endet mit dem Tod der Herrscherin auch die dynastische Herrschaft.
Victorias Verheiratung am 10. Februar 1840 mit dem deutschen Albert von Sachsen-Coburg und Gotha bedeutete nach einer alten Vorstellung, dass sie ihre frühere Familie (Haus Hannover) verläßt, und in die ihres Mannes eintritt (Haus Sachsen-Coburg und Gotha).
Entsprechend war Queen Victoria die letzte dynastische Vertreterin des "Houses of Hanover" auf dem britischen Thron, und nach ihrem Tod 1901 erlosch die Herrschaftsgeschichte des Hauses Hannover.
An ihre Stelle trat die Dynastie Sachsen-Coburg-Gotha, beginnend mit Eduard VII., einem Sohn von Queen Victoria, dem ersten Sohn der Ehe mit Albert (und zweitem Kind. Das erste Kind, Victoria, wurde übrigens die Gattin des preußischen Königs und deutschen Kaisers Friedrich III.)
Und wer jetzt noch weiterliest, ist tapfer, denn es beweist doch gehöriges Interesse an Familienstämmen und dynastischen Historie.
Mit Eduard VII. begann mit seiner Thronbesteigung 1901 die Dynastie jenes Hauses, das bis heute die britischen Königinnen und Könige stellt, sich inzwischen nicht mehr Sachsen-Coburg-Gotha nennt, sondern den Namen Windsor trägt.
Das Haus Windsor (Sachsen-Coburg-Gotha) entstand (siehe oben) aus der Ehe von Queen Victoria mit Albert von Sachsen-Coburg und Gotha.
Victoria selbst, die 1837 den Thron bestieg, stammte von Seiten ihres Vaters aus dem Hause Hannover, ihre Mutter aus dem deutschen Herzogenhaus Sachsen-Coburg-Saalfeld (einem Vorläufer des späteren Hauses Sachsen-Coburg-Gotha), womit man erneut bei jenem ernestinisch-wettinischen Hauses ist.
Die Namensänderung des Hauses Sachsen-Coburg-Gotha in Windsor hat folgenden Hintergrund: Während des ersten Weltkrieges wuchs der Druck auf die königliche Familie. Schließlich waren sie nicht nur verwandt mit einer ganzen Reihe deutscher Adelsfamilien, sie waren direkt und durch Heiraten mit dem deutschen Kaiserhaus verbunden... nein, sie waren ja schließlich selbst deutscher Abstammung: Die Mutter von Georg V., dem König, der den Beschluss zur Namensänderung fasste, war Alexandra von Dänemark.
Deren Eltern waren beide deutscher Abstammung (ihr Vater stammte aus Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, die Mutter aus einem Hause Hessens). Auf Seite des Vaters von Georg V. war Queen Victoria (Großmutter von König Georg V.) also auch ihr Mann Albert aus dem Haus Sachsen-Coburg und Gotha (Großvater von Georg V.)
Die verwandtschaftlichen Verbindungen waren also groß, und es wurde für die Königsfamilie zunehmend schwerer. Um ihre, klar auf das Wohl des britischen Reiches ausgerichtete, Haltung zu demonstrieren, änderten sie den Namen in den Namen ihrer Residenz in Berkshire - Windsor.
Die Herrscherdynstie Sachsen-Coburg-Gotha/Windsor folgten, wie bereits geschildert, auf die Dynstie des Houses of Hanover, dessen Blutlinie sich über Queen Victoria bis zu Queen Elisabeth - und William - zieht.
Sachsen-Coburg-Gotha ist ein Geschlecht, das zu den Wettinern gehört. Die Wettiner sind eine alte deutsche Dynastie, die sich vor allem im Bereich des südöstlichen Deutschlands ausdehnte: Raum Coburg, Lausitz, Teile Thüringens und Sachsens, sowie Sachsen-Anhalt. Ein berühmter Vertreter dieses Hauses war beispielsweise August der Starke, sächsischer Kurfürst.
Das House of Hanover hingegen gehörte zu einem anderen der großen deutschen Familien: Den Welfen. Als Dynastie führen deren Belege noch viel weiter zurück als die der Wettiner. Seit dem neunten Jahrhundert sind die Welfen als eine Familie aus dem Volksstamm der Franken bekannt. Ähnlich den Wettinern sind auch die Welfen in verschiedene Familienstämme aufgegliedert.
Der Weg der hannover'schen Welfen auf den englischen Königsthron ist ungewöhnlich: Erster Welfe auf dem britischen Thron war Georg I., geboren als Georg Ludwig.
Seine Mutter war die pfälzische Prinzessin Sophie von der Pfalz, die 1630 in den Niederlanden geboren worden war. Ihr Vater war der protestantische Friedrich V. von der Pfalz, der für kurze Zeit sogar böhmischer König gewesen war. Über seine Mutter Sophie von der Pfalz war Georg I. in eine für Welfen unerwartete Nähe des englischen Throns gerückt. Sophie hatte nämlich eine Mutter, die direkt aus dem britischen Königshaus der Stuarts kam: nämlich Elisabeth Stuart, die Tochter von Jakob I./VI. von England und Schottland (1603-1625 König von England und Schottland).
Jakob I. (hiermit sind wir "endlich" bei der berühmt-berüchtigten Mary Stuart angelangt), war ein Sohn von Mary Stuart, und wurde so König von Schottland, als Mary 1567 abdanken musste. Jakob regierte in Schottland während seine Mutter Mary auf Befehl von Queen Elisabeth I. hingerichtet wurde, lebte ab 1589 im Heimatland seiner damaligen Ehefrau Anna von Dänemark und Norwegen. Gemeinsam reiste das Ehepaar zurück nach Schottland, und lebte dort, bis 1603 Queen Elisabeth I., die große Rivalin seiner Mutter, kinderlos starb.
Mary Stuart und Elisabeth waren - wie bekannt - miteinander verwandt. Elisabeth war als Tochter von Heinrich VIII (Mutter von Elisabeth: Anne Boleyn) eine Tudor. Ebenso Mary. Ihre Großmutter, Margarete Tudor, war eine Schwester von Heinrich VIII. Somit war Mary Stuart eine Großcousine von Elisabeth. Und als Elisabeth 1603 starb, musste man sich auf die Suche nach einem Nachfolger auf dem Thron machen. Jakobs Thronanspruch war unumstritten, und so entstand das gemeinsame Reich von England und Schottland, das Jakob als Jakob I. regierte.
1701, Sophie von der Pfalz lebte als Kurfürstin von Braunschweig-Lüneburg in Herrenhausen (heute Hannover), wurde in Englad der "Act of Settlement" erlassen.
Whereas in the first year of the reign of Your Majesty, and of our late most gracious sovereign lady Queen Mary (of blessed memory), an Act of Parliament was made, entitled, ´An Act for declaring the rights and liberties of the subject, and for settling the succession of the crown,´ wherein it was (amongst other things) enacted, established, and declared that the crown and regal government of the Kingdoms of England, France, and Ireland, and the dominions thereunto belonging, should be and continue to Your Majesty and the said late Queen, during the joint lives of Your Majesty and the said Queen, and to the survivor: and that after the decease of Your Majesty and of the said Queen, the said Crown and regal government should be and remain to the heirs of the body of the said late Queen
Dies sind die ersten Zeilen dieses "Act of Settlement". Als klar wurde, dass die regierende britische Königin Anne, eine Tochter des (katholischen) Jakob II., kinderlos sterben würde, hätte mit ihr die derzeit regierende protestantische Stuart-Linie geendet. Und gemäß der Bill of Rights wären die katholischen Stuarts (in Person der entthronte Jakob II. und dessen Nachfahren) wieder rechtmäßige Erben des britischen Throns gewesen.
Um eine Rekatholisierung zu verhindern, sorgte das Parlament mit Hilfe des "Act of Settlement" dafür, dass allein und einzig Nachfahren der Sophie von der Pfalz das Recht haben sollten, den Thron Englands zu besteigen.
Dies machte Sophie von der Pfalz unerwartet zur nächsten Erbin des englischen Throns - denn sie war die einzige protestantische Nachfahrin der englischen und schottichen Könige. Und tatsächlich wäre sie die Queen of England geworden, allerdings starb sie am 08. Juni 1714 - und damit vor Queen Anne, die am 12. August 1714 verstarb.
Als Anne die Augen schloß, stand England am Rande eines Bürgerkrieges. Ihr Halbbruder James Francis Edward Stuart hatte schon früher immer wieder versucht, seine Ansprüche auf den Thron geltend zu machen.
And it was thereby further enacted, that all and every person and persons that then were, or afterwards should be reconciled to, or shall hold communion with the see or Church of Rome, or should profess the popish religion, or marry a papist, should be excluded, and are by that Act made for ever incapable to inherit, possess, or enjoy the Crown and government of this realm, and Ireland, and the dominions thereunto belonging, (...)
Eine Übernahme Englands durch einen katholischen Nachfolger würde nicht weniger als die Rückführung zum katholischen Glauben bedeuten, was durch den "Act of Settlement" ebenfalls deutlich als unmöglich benannt worden war.
Allerdings war der nun nächste designierte König von England gar nicht auf britischem Boden. Als Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg lebte er in Deutschland und musste erst anreisen. So wurde Georg am 1. August 1714 (Anne starb nach mehrwöchigem Koma) zum König von Großbritannien und Irland, kam am 18. September in England an und wurde schließlich am 20. Oktober gekrönt.
Mit dieser Krönung wurde die dynastische Herrschaft des "House of Hanover" begründet, und es entstand eine Personalunion zwischen dem britischen Thron und dem Hannover, die erst endete, als mit Queen Victoria eine Frau die Titel erbte. Als Victoria den Thron 1837 bestieg, musste die Verbindung mit Hannover aufgegeben werden, da in Hannover das alte salische Hausgesetz galt, das ein Erbe durch eine Frau ausschloss. Hannover ging an Victorias Onkel Ernst August, der König von Hannover wurde.
So schließt sich der weite Bogen, der viele Jahrhunderte britischer und deutscher Geschichte in Dynastien umfasst, und deutlich macht, wie unglaublich kompliziert die Herrschaftsgeschichten sind.
Haus Stuart und Wechsel zu Haus Hannover
Jakob I. => Tochter: Elisabeth Stuart oo Friedrich von der Pfalz => Tochter: Sophie von der Pfalz oo Ernst August von Braunschweig-Calenberg => Sohn: Georg I., König von Großbritannien und Irland => 6. Nachfahrengeneration: Queen Victoria.
Haus Hannover und Wechsel zu Haus Sachsen-Coburg-Gotha/Windsor
Queen Victoria oo Albert von Sachsen-Coburg und Gotha => Sohn: Eduard VII. => 5. Nachfahrengeneration: Queen Elisabeth
Haus Windsor und Wechsel zu Haus Mountbatton-Windsor
Queen Elisabeth oo Prinz Philippos Andreou von Griechenland und Dänemark => Charles M.-W. oo 1. Diana Spencer => William
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Kommentare
Ich möchte mich hier nur mal als "Fan" outen. Und nein, nicht als "Fan" der heutigen Blaublütler, sondern als Fan deiner historischen Artikel.
Ich habe eine ungefähre Ahnung, wie zeitaufwändig solche Artikel sind, und bin sehr froh, dass du diesen Aufwand nicht scheust.
Themenwechsel:
Die Briefmarke ist jenseitig
Wollte da jemand "vorbauen"?!