Mythos und Wahrheit - »Soldiers« von Dietmar Kuegler
Mythos und Wahrheit
»Soldiers« von Dietmar Kuegler
Aber stimmt dieser Wild-West-Mythos denn auch mit der damaligen Wirklichkeit überein? Eher nicht, wie eine Sonderausgabe des Pallasch zeigt …
Der ›Pallasch‹ ist eine Zeitschrift des Österreichischen Milizverlags zur Militärgeschichte mit dem Schwerpunkt auf Österreich (wer sagt, die Habsburger hätten nur geheiratet, schätzt die Geschichte falsch ein), aber seit einiger Zeit bereichert auch Dietmar Kuegler den ›Pallasch‹ mit seinen Aufsätzen zur amerikanischen Militärgeschichte.
Die 5. Sonderausgabe dieser Zeitschrift präsentiert nun die Kuegler’schen Aufsätze gesammelt. Das Spektrum der Aufsätze reicht von 1754 – 1916. Dazu kommt ein Text über die US-Kavallerie.
Kuegler gelingt es nicht nur viele Informationen zu präsentieren, sondern auch diese so anzubieten, dass es Spaß macht sie zu lesen. Auf ihn und seine Texte passt der Slogan von ›Edutainment‹ wirklich. Seine Fakten stimmen und lassen sich nachvollziehen, sind belegt und halten auch dem Elfeinbeinturm wissenschaftlicher Arbeit jederzeit stand. Dazu gelingt es Dietmar Kuegler diese dann auch so lesbar zu präsentieren als würde man einen spannenden Roman lesen, den man einfach nicht aus der Hand will.
Das ist beeindruckend.
Mich als Kriegsdienstverweigerer und Zivildienstleistender beeindruckt auch, dass Kuegler (ein Ungedienter) seine Militärgeschichte ohne jeden Pathos (den andere nur allzu gern entfalten, wenn es um das Beschreiben von Krieg geht) zum Besten gibt. Das macht sie so erfrischend wie nur irgendwas.
Gerade in Sachen der so genannten Indianerkriege zeichnet er die Ereignisse nach, ohne dabei der Kavallerie die reine Schurkenrolle zuzuweisen, während er auch die Indianer nicht als reine Opfer und mystifiziert darstellt. Überhaupt sind die Indianer bei ihm selten weder die Edlen Wilden oder die Barbaren oder rein spirituelle Wesen (nein nicht jeder Indianer sitzt sinnend auf einem Felsen und starrt auf die Weite der Prärie und sondert große Weisheiten ab). Für Kuegler sind Indianer Menschen mit einem anderen kulturellen Background. Vor allen Dingen, weil er Indianer auch kennt und diese in ihrer natürlichen Umgebung erlebt und mit ihnen gesprochen hat.
Solchen Fallen der ›vereinfachten‹ Darstellung mit klarer ›Gut-Böse-Rollenverteilung‹ entgeht Kuegler souverän. Seine US-Reisen und zahlreichen Kontakte zu US-Historikern haben seinen Blick geschult und ihn seine Schlüsse abseits der ›Hollywood-Klischees‹ ziehen lassen. Das macht Kuegler so lesenswert.
Das Spektrum der Texte reicht vom Ausbruch des »French-Indian War« (des Siebenjährigen Kriegs), den »Alamo«, den »Civil War« (Bull Run, Antietam), Die »Indian Wars« (Beecher Island 1868, Little Big Horn und den Nez-Perce-Feldzug). Jeder dieser Texte ist ein Leseerlebnis.
Dazu kommt der für mich interessanteste Aufsatz (vor allen Dingen deshalb, weil mir da zu wenig bekannt war. Es geht um den wohl letzten Feldzug der US-Kavallerie im Jahr 1916, als Pancho Villas Leute einen Überfall auf einen kleinen Grenzort verübten. Kuegler zieht hier Parallelen zum 11. September 2001 auch was die Reaktion der USA angeht. General Pershing führt daraufhin die Kavallerie nach Mexiko.
Die Vorkommnisse auf diesem Feldzug sind reich an abscheulichen Details. So ließ ein gewisser Patton (im 2. Weltkrieg General) Gefallene wie Trophäen auf sein Auto schnallen und fuhr mit ihnen herum. Auch die Verwicklung des Deutschen Kaiserreichs in diese Vorfälle arbeitet Kuegler auf. Und der Leser konnte sagen: Bei Kuegler, da haben wir was gelernt.
Es folgt dann noch ein Aufsatz über die US-Kavallerie in der Zeit nach dem Bürgerkrieg bis ins Jahr 1890. Und da werden die Mythen über die Blauröcke zertrümmert. Der Mythos aus Romanen und Filmen … nun ja … viel bleibt davon nicht übrig, wenn man Kueglers Ausführungen dazu gelesen hat. Das reicht von der Reputation der Kavallerie über die Forts bis hin zur Truppenstärke.
Das alles ist reich bebildert mit Karten, historischen Fotos und Zeichnungen bis hin zu Fotos von Kuegler selbst, die er auf seinen Reisen selbst aufgenommen hat.
Insgesamt ein faszinierendes Sachbuch über eine von Autoren von Cooper bis Unger verklärte Zeit. In »Soldiers« wurde dann, um ›The man who shot Liberty Valance‹ zu paraphrasieren, mal nicht der Mythos und die Legende beschrieben, sondern die Fakten und die sind mit Sicherheit ebenso spannend wie der Mythos des »Westens«.
Ein großartiges Buch … Ein Buch für jeden, der mal einfach was über die Militärgeschichte der USA wissen will und es ist jeden seiner 33 Euro wert, auch weil das Buch Zeitschriftenformat hat.
Kommentare
Das klingt nach einem interessanten Buch. Die Pershing-Geschichte ist faszinierend, genau wie die Einmischung der Deutschen. Das berühmte Zimmermann-Telegramm. Wie wenig hat sich doch geändert.
Und: Leutnant Patton hat die lokalen Kommunikationstrukturen ausgenutzt, um die Botschaft vom Ableben Julio Cardenas' schnell und effektiv weiter zu verbreiten in einer Region, in der so gut wie niemand Radio hört und die wenigsten Menschen Zeitungen lesen können - selbst wenn es dort Zeitungen gäbe. Mund-zu-Mund-Propaganda funktioniert nicht, wenn man nur drei pietätvoll verhüllte Tote in geschlossenen Särgen beerdigt und den Zuschauern versichert, hier lägen Pancho Villas Nummer Zwei und seine treuesten Gefolgsleute.
Das gab's längst nicht nur in Amerika ...
zitiere wikipedia-Artikel über Benito Mussolini:
Das hat nicht mal Patton selber behauptet. Dessen Bericht zu Folge hat ein ehemaliger Villa-Kämpfer namens Holmdahl den letzten tödlichen Schuß abgegeben, aber Cardenas hatte vorher schon einiges abbekommen.
Und ich zitiere Dietmar Kuegler (und werde ihn noch zu seinen Quellen befragen) Zitat:
Als Mensch, der von Geschichtsschreibung lebt, versuche ich, mich immer wieder an aktuellen Quellen zu orientieren und bzgl. neuer Veröffentlichungen auf dem Laufenden zu bleiben.
Auf Patton bezogen – ich habe mir die Geschichte ja nicht aus den Fingern gesogen. Patton war bekannt für derartige Aktionen. Und natürlich ist der Kampf auf der Hazienda belegt. Eine meiner Hauptquellen war
Friedrich Katz: LIFE AND TIMES OF PANCHO VILLA, 1998
Nach Meinung von amerikanischen Historikern die beste Villa-Biographie aller Zeiten und das detaillierteste Werk über den Pershing-Feldzug nach Mexiko.
Aber es gibt weitere aktuelle Quellen, die den Kampf von Patton mit den führenden Villista-Offizieren dokumentieren und die belegen, dass Patton mindestens 2 von ihnen eigenhändig erschoss, darunter auch Cardenas.
Die Behauptung, Patton habe Cardenas nur angeschossen, und der verwundete Mann sei von einem ehemaligen Villista namens E.L. Holmdahl in den Kopf geschossen worden, wurde von Mark Boardman in „True West“ 2009 aufgestellt. Ich kenne diesen Artikel, aber ich halte mich lieber an die anderen Quellen, die mir zuverlässiger erscheinen, zumal Patton nach dem Kampf nachweislich 2 Kerben in seinen Revolvergriff schnitzte – er wird gewusst haben, warum. Ich habe einige Absätze abgeschrieben und die entscheidenden Sätze gefettet und unterstrichen:
The Dusty Trail
The Pancho Villa Punitive Expedition, 1916-1917
MAX BOOT
The Americans drove up around noon on May 14, 1916, in three Dodge touring cars. Patton deployed the vehicles and his riflemen to block the exits to the hacienda, then boldly walked up to the front door of the house, accompanied only by his interpreter and a corporal. Just as they were approaching, the hacienda doors swung open and three horsemen galloped out. They tried to escape, but seeing the exits blocked, they turned around and headed for Patton, opening fire as they did so, their bullets kicking up gravel around his feet. Patton, known as a crack shot, leveled his ivory-handled Colt .45 revolver and with several shots knocked one of the Mexicans off his horse. A general shootout ensued during which all three Mexicans were killed.
It later turned out that the horseman Patton had shot was none other than General Cardenas. The other two Mexicans were his subordinates in Villa's army. Patton had the three corpses lashed like deer to the fenders of his cars and drove back to camp with his trophies. His reward came with a promotion to 1st lieutenant and Pershing's affectionate description of him as "my bandit."
David LaPell: More greatest Gunfights you never heard of, February 2011
While many might know him for his tanks but in 1916, George S. Patton, acting as John “Blackjack” Pershing’s aide, was sent on an errand to find the second in command to Francisco “Pancho” Villa, Julio Cardenas. Patton took a detachment of soldiers on May 14, 1916 to a ranch where they thought Cardenas might be and Patton left his soldiers behind and took only an interpreter on foot whom he left behind quickly. As Patton approached the house, three armed men broke from cover and charged the lone Lieutenant figuring their odds would be better against one man than Patton’s troops. They were wrong. Patton carried with him his ivory handled Colt SAA in .45 Colt that was later so famously photographed on his hip.
As the three, armed bandits rode straight at Patton he carefully took aim and put a round into the lead rider, breaking his arm. The young Lieutenant then put another round into the wounded rider’s horse bringing it to the ground. The two other men rode past Patton as he fired until his revolver was empty.
Patton then ducked around a corner to reload all the while under fire. As the men rode past he stepped out and took aim again, shooting the horse out from another bandit. As the man freed himself from his slain mount Patton patiently stood by and waited. Once he was to his feet and prepared to fire, the future General dropped him with a single shot from his Colt .45. The third bandit rode away and was brought down in hail of lead from Patton’s troops.
The first bandit, only wounded then got to his feet and ran until he was cornered. He raised his good arm in a ruse to surrender and grabbed his pistol, fired off a shot and dropped dead.
The dead bandit, who turned out to be Julio Cardenas, had only a single bullet in him and that was from Patton’s .45 which had gone through his left forearm and bored into his chest.
Patton then strapped the bodies of the three dead bandits to the hood of his Dodge Touring car and drove them right up to General Pershing’s headquarters. From then on Patton was Pershing’s “Bandit.” Today that Colt .45 with two notches in its ivory handle resides in the Patton Museum in Fort Knox, Kentucky.
Sodann zur Frage von Herrn Decker. Mexiko hatte viele Bürgerkriege, aber wenn es um Pancho Villa und seine Zeit geht: Ich kann nur die folgenden Werke von Friedrich Katz empfehlen:
Friedrich Katz, The Secret War in Mexico: Europe, the United States, and the Mexican Revolution. Chicago, Illinois: University of Chicago Press. 1981
Friedrich Katz, The Life and Times of Pancho Villa, Stanford University Press, 1998
Beides dürften die besten verfügbaren Werke über diese Phase der mexikanischen Geschichte sein. Es gibt sicher ein paar andere Bücher, aber Katz übertrifft sie alle. Das zweite Werk habe ich bei meinen Recherchen benutzt - es ist einfach grandios.
Der Katz sieht vielversprechend aus.
Heute ist Soldiers eingetroffen. Interessantes Format. Ich bin gespannt.