Rothfuss, Patrick: The Name of the Wind
The
Name of the Wind
DAW Fantasy Books
Am Beginn der Geschichte steht der Schriftgelehrte Chronicler, der sich auf dem Weg zu seinem neusten Auftraggeber befindet und auf den unsicheren Straßen zunächst von Räubern ausgenommen wird und dann nur knapp dem Angriff spinnenartiger Dämonen entgeht. Ohne den Beistand eines rothaarigen Fremden, der die Kreaturen eigenhändig besiegt, hätte er diese Begegnung nicht überlebt.
Der Fremde entpuppt sich als Besitzer einer ruhigen Schenke, die in einem kleinen Dorf mitten im Nirgendwo steht, und, zu Chroniclers Überraschung, als Kvothe, der eine der bekanntesten, aber auch mysteriösesten Figuren der Weltgeschichte ist und der vor einiger Zeit spurlos verschwand.
Niemand weiß, wer genau der legendäre Kvothe wirklich ist und welche seiner Taten wahr oder schlichtweg Mythen sind. Doch das soll sich nun ändern. Kvothe erzählt Chronicler eine der unglaublichsten und fantastischsten Geschichten aller Zeiten: die Geschichte seines Lebens...
Kritik
The Name of the Wind ist
eine Geschichte, die sich gleichzeitig auf zwei Handlungsebenen
abspielt. Zum einen ist da Chronicler, der die Lebensgeschichte des
geheimnisvollen Kvothe erfährt und für die Nachwelt festhält. Zum
anderen gibt es die Geschichte selbst, in der Kvothe von all den
Tragödien, Abenteuern und schönen Momenten berichtet, die ihm im
Leben widerfahren sind und die aus seiner Sicht, also in der
Ich-Perspektive, geschildert werden. Dadurch, dass der einstige Held
seine Erzählung immer wieder unterbricht und sich direkt an
Chronicler wendet, werden die beiden Ebenen miteinander verbunden und
verschmelzen zu einer stimmigen, atmosphärisch dichten Einheit.
In den USA, dem Erscheinungsland des Romans, ist Rothfuss' Debüt von Seiten der Kritiker und der Presse mit reichlich Lob und Wohlwollen aufgenommen worden. Diesem Urteil kann ich mich in weiten Teilen anschließen; allerdings bin ich nicht ganz so begeistert wie der ein oder andere Rezensent aus Amerika und muss einige Abstriche machen.
Das liegt aber keineswegs an Rothfuss' Schreibstil. Das Buch ist gekonnt geschrieben; der Autor versteht sich sehr gut darauf, in jeder Szene den passenden Ton zu treffen und seine Welt dadurch lebendig zu gestalten. Da möchte man kaum glauben, dass es Rothfuss' erstes großes Werk ist, das man hier vor sich liegen hat.
Noch etwas ist positiv anzumerken: Die Idee, die Hauptfigur die Geschichte mit eigenen Worten beschreiben zu lassen, erweist sich als überraschend angenehmes und erfrischendes Stilmittel. Bisher war ich ja eigentlich kein Freund der Ich-Perspektive; Rothfuss hat mich eines Besseren belehrt und zum Umdenken gebracht.
Schade hingegen ist, dass das letzte Drittel des Buches nicht mit den vorangegangenen Seiten mithalten kann und daher gegen Ende deutlich abflacht. Das liegt vor allem an einer Sache: der weiblichen Hauptfigur.
Die Betonung von Rothfuss' Werk liegt nicht so sehr auf den magischen, heiteren und dramatischen Vorkommnissen der Handlung, als vielmehr auf seinen Protagonisten. Was an sich nicht schlecht ist, da der Leser mit Kvothe eine äußerst interessante Hauptfigur dargeboten bekommt. Solange sich die Handlung auf die abwechslungsreichen und fesselnden Abenteuer des jungen Magiers konzentriert, ist das Buch ein wirkliches Highlight der Fantasyliteratur. Im letzten Drittel des Romans tritt dann eine Frau ins Leben des Helden, die mehr und mehr die Aufmerksamkeit des jungen Mannes beansprucht, und damit immer mehr Raum im Roman eingeräumt bekommt. Dumm nur, dass diese Figur ziemlich uninteressant und unsympathisch daherkommt. Mit dem Auftritt von Kvothes großen Liebe (falls man es so nennen kann) verliert das Buch merklich an Tempo und Witz, was nach dem großartigen Beginn der Saga wirklich ein Jammer ist.
Ein Punkt, der meiner Meinung nach ein wenig zwiespältig zu sehen ist, ist der Detailreichtum der Geschichte. Rothfuss liebt es, Szenen lange und breit auszuführen. Auch hier gilt, dass dieser Stil an sich nichts Schlechtes ist; die Gentlemen-Bastard-Sequence von Scott Lynch lebt geradezu von den eigentlich überflüssigen Teilen der Handlung, die einen Großteil der Faszination dieser Reihe ausmachen.. Leider ist der Ton, den Rothfuss anschlägt, bei weitem nicht so locker wie der von Lynch, weshalb so manche Szene in The Name of the Wind nach einigen Seiten doch beginnt, ein wenig langatmig zu wirken.
Dennoch: The Name of the Wind ist ein Buch, das seinen Lesern, trotz der genannten Kritikpunkte, einiges zu bieten hat. Eine äußerst interessante Hauptfigur, eine abwechslungsreiche Story voll Abenteuer und Dramatik sowie wunderbar durchdachte Dialogszenen sorgen dafür, dass der Roman summa sumarum ein wirkliches Lesevergnügen ist.
Sofern man Geduld hat, heißt das. The Name of the Wind ist nämlich alles andere als ein Buch, dass man mal eben so durchlesen kann. Über 700 eng bedruckte Seiten (bei der deutschen Ausgabe sollen es sogar über 900 sein) sowie Rothfuss' ausschweifender Erzählstil fordern dem Leser einiges an Zeit und, ja, auch Durchhaltevermögen ab. Keine einfache Lektüre also, sondern ein Werk, für das das Wort episch fast schon unpassend ist.
The Name of the Wind ist ein Buch, das seinen Lesern viel zu geben hat, aber auch einiges abverlangt. Wer Tad Williams' Die Saga vom Osten Ard und insbesondere sein fast schon monströses Machwerk Otherland gelesen hat und diese Epen mit dem langsamen Erzählstil von Robin Gates in seiner Runland-Saga kombiniert, der weiß in etwa, auf was er sich einlässt, wenn er zu Patrick Rothfuss' Erstling greift. Daher gilt: Wer kein eingefleischter Fan seitenstarker Werke der Epischen Fantasy ist, sollte lieber einen Bogen um das Buch machen. Wer die genannten Bücher allerdings mag, dem sein durchaus geraten, einen Blick in The Name of the Wind zu werfen.