Del Franko, Mark Unquiet Dreams
Meine Erwartungen wurden in dieser Hinsicht enttäuscht, denn tatsächlich gelingt es Del Franko im zweiten Band nochmal eine Schippe aufzulegen und er hat sich nicht auf den Lorbeeren für den ersten Roman ausgeruht. Tatsächlich hat man den Eindruck, dass er seine Welt jetzt bereits deutlich besser kennt und virtuoser darauf spielt als im ersten Teil. Deswegen kurz vorab: Auch »Unquiet Dreams« weiß auf ganzer Linie zu überzeugen!
Als das Telefon früh am Morgen klingelt, weiß Druide und Privatermittler Connor Grey, dass das kein gutes Zeichen ist. Und tatsächlich ist sein »Partner« Murdock vom Boston Police Department an der Strippe und fordert Connor als Consultant an. Im Weird, dem heruntergekommenen Fey-Bezirk, wurde eine Leiche gefunden: menschlich, männlich, jugendlich, möglicherweise Gangmitglied, also eigentlich ein »ganz normaler Fall«. Dummerweise sind die Todesumstände »eigenartig«, deswegen man Grey hinzu holt. Während die Ermittler noch grübeln, stolpert man über eine andere Leiche und diesmal ist das definitiv ein Fall für die Gilde, die sich exklusiv mit Fey-Straftaten befasst, denn der Tote ist ein hochrangiger teutonischer Elf. Die beiden Fälle scheinen zusammen zu hängen und Fey-Drogen sind ebenfalls mit im Spiel...
Und so wird aus einem scheinbar einfachen Fall ein Komplott, welches droht, das fragile Gleichgewicht zwischen den Fey zu zerstören, die Gilde in einen Machtkampf sondergleichen zu schicken und an den Grundfesten der konvergierten Gesellschaft zu rütteln.
Das Konzept bleibt dasselbe: Grey, des größten Teils seiner Fähigkeiten beraubt, bemüht sich trotzdem seinen Weg im Leben zu finden und dabei vielleicht auch noch etwas Gutes zu tun. Wir begegnen selbstverständlich diversen Charakteren aus dem ersten Roman wieder, es werden aber durchaus auch neue eingeführt und wiederum versteht es der Autor vortrefflich, die beiden klischeebeladenen Genres Fantasy und (Privatermittler-) Krimi zu etwas Neuem zu verweben, das mehr ist als die Summe der Einzelteile. Die Charakterisierungen sind so gut wie im ersten Band, allerdings merkt man meiner Ansicht nach deutlich, dass der Autor seine Welt besser im Griff hat, denn trotz der fantastischen Einlagen wirkt das Setting noch realistischer, noch glaubwürdiger, als in »Unshapely Things« und so kauft man ihm auch das Auftauchen so unwahrscheinlicher Lebewesen wie Trolle unbesehen ab.
Der Schreibstil ist kurzweilig, weist trotz des stellenweise düsteren Themas einen angenehmen Humorlevel auf und führt einen weiter in die für den Leser immer noch weitestgehend unbekannte Welt der Fey ein, ohne wie ein Geschichts- oder Politikwerk daher zu kommen. Grey weiß Bescheid, aber Del Franko wirft dem Leser neben der Kriminalstory ständig Fleischbrocken zu, die man puzzleartig zusammensetzen kann, um nach und nach ein globaleres Bild der Welt zu bekommen. Was bei anderen Schreibern vielleicht aufgesetzt wirken könnte, meistert der Autor souverän. Auch Running Gags nerven ebenso wenig wie Dialoge, denn die sind aus dem Leben gegriffen und gewisse Frotzeleien zwischen den Haupt-Protagonisten kann man nachvollziehen, hat man sie doch selbst in ähnlicher Form schon einmal gebracht oder gehört.
Gegen Ende zum Showdown geht es richtig gut zur Sache, was im restlichen Roman nicht so ist, der verzichtet nämlich weitestgehend auf die Darstellung von Action und Gewalt, vom Mord eingangs mal abgesehen. Auch die Auflösung ist überraschend und das ist dann auch der einzige, kleine Schwachpunkt des Romans, denn ganz überzeugen konnten mich weder der präsentierte Übeltäter noch dessen Motivation. Das mindert den Lesespaß allerdings nicht wirklich.
Mark Del Franko hatte mich mit dem Erstling »Unshapely Things« auf Anhieb für sich eingenommen, auch wenn ich zuerst an eine Harry Dresden-Epigone glaubte. Die Parallelen sind unübersehbar, aber es wäre in hohem Maße unfair, Connor Grey einfach nur als eine Kopie des Chicagoer Magiers anzusehen, denn in den Erzählungen um den Bostoner Druiden stecken jede Menge Eigenständigkeit sowie neue Ideen und es ist eine deutliche Charakterentwicklung zu bemerken. Und zu meiner großen Freude muss ich feststellen, dass Del Franko es schafft, auch über den ersten Band hinaus originell zu bleiben und sich sogar noch zu steigern. Das lässt für folgende Romane hoffen!
Auch hier, wie schon beim ersten Band: Wer auf Urban Fantasy mit Privatermittlern steht (oder auch: wer auf Urban Fantasy und Privatermittler steht, letztere auch in einem ganz normalen Krimi), der sollte dringend einen Blick auf »Unquiet Dreams« werfen (allerdings schlauerweise erst nachdem er »Unshapely Things« gelesen hat) und wird garantiert ob des famosen Garns nicht enttäuscht.
Wer Elfen, Fairies und Trolle in ihrem »natürlichen Habitat« einer herkömmlichen Fantasy-Welt sehen möchte und dazu vielleicht noch ein wenig klassische »Sword and Sorcery«, der ist hier falsch.
Auf meiner Leseliste steht aber definitiv der Ende Januar erschienene dritte Band: »Unfallen Dead«.
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