Newman, Kim: Die Vampire
Die Vampire
Teen-gerechte Knuddel-Vampire? Was, bitte schön, soll dieser Mist?!? Das hat nichts mit Vampiren zu tun, sondern erinnert bestenfalls an die Soft-Horror-Version billig produzierter Daily Soaps im Nachmittagsprogramm.
Umso erfreuter ist der geneigte Vampirfan dann, wenn sich ein Verlag entschließt ein Buch herauszubringen, das die Blutsauger, entgegen der aktuellen Mode, nicht als Waschlappen, sondern als gefährliche, heimtückische und intelligente Kreaturen darstellt. »Die Vampire« lautete der ebenso schlichte wie passende Titel des Romans von Kim Newman, den ich mit Hochspannung erwartete, seitdem ich zum ersten Mal die Ankündigung im Katalog von Heyne gesehen habe. Jetzt, nach der Lektüre des fast 1.300 Seiten starken Wälzers, kann ich zwei wesentliche Feststellungen machen:
a) Ja, Newmans Vampire sind ganz genau so, wie ich es mir erhofft habe. Und
b) das alleine rettet den Roman aber auch nicht davor, ziemlich zu enttäuschen.
Doch von Anfang an. Worum geht es in »Die Vampire«?
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass das Epos, das in Deutschland in Form eines einzigen Buch erscheint, eigentlich aus drei separaten Büchern besteht, die der Brite Newman im Laufe der 1990er verfasst hat und die erst jetzt, im Zuge des Vampirhypes, den Weg über den Ärmelkanal gefunden haben. In ihnen schildert der Autor die Geschichte einer alternativen Welt, in der Graf Dracula die britische Queen Victoria geehelicht und damit den Geschöpfen der Nacht den Weg an die Macht geebnet hat. Vampire müssen nicht mehr im Verborgenen agieren, sondern greifen ganz offen ins Weltgeschehen ein und reißen mehr und mehr die Herrschaft an sich.
Im Folgenden erzählt Newman die Geschichte dieser Alternativwelt, vom Viktorianischen Zeitalter bis hin in die Mitte des 20. Jahrhunderts, und beschreibt die Erde, wie sie ausgesehen haben könnte, wenn Vampire die dominierende Rasse auf diesem Planeten wären.
Klingt doch nicht schlecht, oder? Rein handlungsmäßig ist es das auch nicht. Ganz im Gegenteil, die Story, die Newman hier zum Besten gibt, ist brillant. Geschickt verwebt der Autor reale Ereignisse wie die von Jack the Ripper begangenen Morde mit fiktiven Geschehnissen. Historische Persönlichkeiten werden in neue Kontexte gesetzt, treffen auf Gestalten aus der Literatur und auf Figuren, die vom Autor eigenständig erfunden wurden. Zusammen mit der zweifelsohne fesselnden Handlung der drei Romane ergibt sich so ein hochinteressanter Mix, der Vampirfans ebenso begeistern dürfte wie Steampunk-Leser und Freunde von Romanen, die im Britannien des ausgehenden 19. Jahrhunderts spielen.
Dass ich den Roman letzten Endes dennoch reichlich enttäuscht zur Seite gelegt habe, liegt also keinesfalls an der Story. Die ist ebenso ideenreich wie immer für eine Überraschung gut.
Was aber nicht auf den Stil zutrifft, in dem die Geschichte erzählt wird.
Knapp 1.300 Seiten. Das ist selbst für jemanden wie mich, der bekanntermaßen viel und gerne liest, eine kleine Herausforderung. Ein solcher Wälzer macht nur dann wirklich Spaß, wenn er entsprechend gut geschrieben ist und sich daher quasi von alleine liest. Ist dies nicht der Fall, wird die Lektüre, selbst wenn die Handlung an sich zu begeistern weiß, schnell zur Qual.
So geschehen bei »Die Vampire«.
Problem Nummer 1: Newman hat die Angewohnheit, mitten im Kapitel die Perspektive zu wechseln. Mal beschreibt er die Geschehnisse aus Sicht eines Protagonisten, nur um im nächsten Satz die Gedanken und Gefühle einer anderen Figur wiederzugeben. Diese Perspektivenwechsel erfolgen in viel zu rascher Folge und ohne jede Vorwarnung, was das Lesen nach kurzer Zeit ungeheuer ermüdend macht.
Problem Nummer 2: Ebenso sprunghaft wie mit den Perspektiven geht Newman auch mit den Ereignissen um, über die er gerade berichtet. Der Autor springt von einem Thema zum nächsten, ohne das zuerst angeschnittene Problemfeld auch nur annähernd abgeschlossen zu haben. Dadurch hat man ständig das Gefühl, einen Teil der Handlung nicht mitbekommen zu haben, was reichlich frustrierend wirkt.
Problem Nummer 3: Newman hat sich ein enormes Wissen über die Zeiten, in der er die Handlung spielen lässt, angeeignet, und er ist bestrebt, dieses Wissen auch zu nutzen. An sich nicht verkehrt, machen doch Querverweise und Neuinterpretationen geschichtlicher Ereignisse einen Großteil des Reizes von Alternativwelt-Romanen aus. Doch Newman übertreibt es. Immer wieder gerät er regelrecht ins Schwafeln und vergisst darüber die Story, was die Spannungskurve jedes mal stark abfallen und die Lektüre mitunter recht langweilig erscheinen lässt.
Es ist schon schade. Da verfasst ein Autor ein Buch, dass storymäßig viel hergibt, und dann sagt einem der Stil so gar nicht zu... Bei mehr als Tausend Seiten ein Dinge der Unmöglichkeit. Mein Tipp daher: Fans von Alternativwelten und all jene, die mit Vampiren mehr verbinden als bloßes Teenie-Geblödel, sollten mal einen Blick in das Buch werfen und schauen, ob ihnen Newmans Erzählstil zusagt. In diesem Fall erwartet sie erstklassige Unterhaltung.
Wem es aber so gehen sollte wie mir, der sollte sich lieber »Kinder des Judas« von Markus Heitz zulegen. Hier stimmt nämlich nicht nur die Story, sondern auch die Schreibe an sich.
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